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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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thümlicher Weise betrieben, ganze Stämme bestehen aus Maurern, Juwelieren,
Brunnennleistern oder Tcppicharbeitern. Leichte Bijouterien werden vorzüglich
von den Zinzaren deS Pindus, den Genfer" des Türkenreichs, gefertigt. Pendel¬
uhren sind noch u"bela"ut: Wasser- oder, Sanduhren vertreten ihre Stelle.
Dagegen trägt selbst der ärmste Muselmann eine Taschenuhr bei sich, um genau
die Stunden der täglichen fünf Gebete zu wissen. Die schönen türkischen Teppiche
mit ihren reichen und mannigfachen Mustern werden in Europa nur zu Jarkoi
und zu Berkofdcha in Bulgarien gefertigt. Der Arbeitslohn aber beträgt nur
fünf Franken monatlich. Waffen werden überall gefertigt, doch sind die böh¬
mischen Waffenschmiede von Travnik und Mostar vorzugsweise berühmt wegen
ihrer damascirten Säbel. Die türkischen Sättel sind immer noch die besten der
Welt. Sattler gibt es in großer Zahl, ingleichen auch Schuhmacher: der Opanke
oder Hypvdema, der slawisch-griechische Stiefel ist der kostbarste Theil deö Heide"-
oder Palikarcuauzuges. Windmühle" trifft man nur an den griechischen Küsten
und auf den Inseln. Die Ortschaften des Binnenlandes bedienen sich, um ihr
Getreide zu mahlen, noch der antiken Handmühle, und nur an deu Nebenflüssen
der Donau findet man Wassermühlen.

Künste und Wissenschaften, die so lange Zeit in Byzanz blühten, werden von
den Griechen-Slawen kaum uoch in der Einnerung bewahrt. Die Medicin wird fast
nur von Zauberinnen, die Chirurgie von Barbieren ausgeübt: das Rasirmesser ist
ihr einziges chirurgisches Instrument. Die kräftige Bevölkerung erhält sich dnrch
ihre gesunde Natur und Mäßigkeit.

Die slawischen Städte sind noch nach Art der Urstädte aus drei verschie¬
denen Theilen zusammengesetzt: dem Grad oder der Festung, welche den ganz
abgesonderten obern Stadttheil bildet; dem Varosch oder der Unterstadt, dem Ge-
werbs- und Handelsviertel, welches meist eine" Wallgraben, eine mit Zinnen und
Schießscharten versehene Brustwelir und Thore hat, die bei Nacht geschlossen werde";
endlich der Pcilanka, dem dritte" Stadtkreise, der de" Varosch umgiebt und die
von der niedern Volksclasse bewohnten Vorstädte in sich schließt. Die bildenden
Künste siud zu mechanischen Fertigkeiten herabgesnnke". Denn die morgenländische
Kirche wie der Islam verdammt die Bildhauerei, kaum daß sie gestattet, die vor
den Städten befindliche" Grabmäler mit einigen Arabesken zu zieren. Auch die
Malerei ist an priesterliche Vorschriften, an verderbte Muster gebunden, die sie
sklavisch nachbilden muß. Freien Spielraum hat die Baukunst, aber die Griechen-
Slawen verwenden, wie die alten Hellenen, zu öffentlichen Banmerken stets mir
Steine. Unter diesen Bauten zeichnen sich die meist aus vortürkischer Zeit stamnien-
den Brücken aus. Die längste von allen, die von Silistria, zählt os Bogen;
die Brücke von Moutaz besteht aus einem einzigen Bogen, der über die Narenta
gespannt ist. Die Paläste und Privathäuser siud schmucklos; der Morgenländer
verwendet alle Kostbarkeiten auf den Schmuck der Tempel und Moschee". Die


thümlicher Weise betrieben, ganze Stämme bestehen aus Maurern, Juwelieren,
Brunnennleistern oder Tcppicharbeitern. Leichte Bijouterien werden vorzüglich
von den Zinzaren deS Pindus, den Genfer» des Türkenreichs, gefertigt. Pendel¬
uhren sind noch u»bela»ut: Wasser- oder, Sanduhren vertreten ihre Stelle.
Dagegen trägt selbst der ärmste Muselmann eine Taschenuhr bei sich, um genau
die Stunden der täglichen fünf Gebete zu wissen. Die schönen türkischen Teppiche
mit ihren reichen und mannigfachen Mustern werden in Europa nur zu Jarkoi
und zu Berkofdcha in Bulgarien gefertigt. Der Arbeitslohn aber beträgt nur
fünf Franken monatlich. Waffen werden überall gefertigt, doch sind die böh¬
mischen Waffenschmiede von Travnik und Mostar vorzugsweise berühmt wegen
ihrer damascirten Säbel. Die türkischen Sättel sind immer noch die besten der
Welt. Sattler gibt es in großer Zahl, ingleichen auch Schuhmacher: der Opanke
oder Hypvdema, der slawisch-griechische Stiefel ist der kostbarste Theil deö Heide»-
oder Palikarcuauzuges. Windmühle» trifft man nur an den griechischen Küsten
und auf den Inseln. Die Ortschaften des Binnenlandes bedienen sich, um ihr
Getreide zu mahlen, noch der antiken Handmühle, und nur an deu Nebenflüssen
der Donau findet man Wassermühlen.

Künste und Wissenschaften, die so lange Zeit in Byzanz blühten, werden von
den Griechen-Slawen kaum uoch in der Einnerung bewahrt. Die Medicin wird fast
nur von Zauberinnen, die Chirurgie von Barbieren ausgeübt: das Rasirmesser ist
ihr einziges chirurgisches Instrument. Die kräftige Bevölkerung erhält sich dnrch
ihre gesunde Natur und Mäßigkeit.

Die slawischen Städte sind noch nach Art der Urstädte aus drei verschie¬
denen Theilen zusammengesetzt: dem Grad oder der Festung, welche den ganz
abgesonderten obern Stadttheil bildet; dem Varosch oder der Unterstadt, dem Ge-
werbs- und Handelsviertel, welches meist eine» Wallgraben, eine mit Zinnen und
Schießscharten versehene Brustwelir und Thore hat, die bei Nacht geschlossen werde»;
endlich der Pcilanka, dem dritte» Stadtkreise, der de» Varosch umgiebt und die
von der niedern Volksclasse bewohnten Vorstädte in sich schließt. Die bildenden
Künste siud zu mechanischen Fertigkeiten herabgesnnke». Denn die morgenländische
Kirche wie der Islam verdammt die Bildhauerei, kaum daß sie gestattet, die vor
den Städten befindliche» Grabmäler mit einigen Arabesken zu zieren. Auch die
Malerei ist an priesterliche Vorschriften, an verderbte Muster gebunden, die sie
sklavisch nachbilden muß. Freien Spielraum hat die Baukunst, aber die Griechen-
Slawen verwenden, wie die alten Hellenen, zu öffentlichen Banmerken stets mir
Steine. Unter diesen Bauten zeichnen sich die meist aus vortürkischer Zeit stamnien-
den Brücken aus. Die längste von allen, die von Silistria, zählt os Bogen;
die Brücke von Moutaz besteht aus einem einzigen Bogen, der über die Narenta
gespannt ist. Die Paläste und Privathäuser siud schmucklos; der Morgenländer
verwendet alle Kostbarkeiten auf den Schmuck der Tempel und Moschee». Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/314>, abgerufen am 22.07.2024.