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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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ausrotten sollen. Die Moldau-Walachen haben Rindvieh und Pferde von aus¬
gezeichneter Geschwindigkeit, welche in großer Menge nach türkischen und russischen
Märkten ausgeführt werden. Bosnien und die Herzegowina ziehen zahlreiche Och¬
sen, welche, gemästet, nach den adriatischen Häfen gebracht werden, um der bei
Korfu stationirten englischen Flotte und einem Theile von Italien als Nahrung
zu dienen.

Die Landwirthschaft wird ans der Halbinsel in derselben Art und Weise wie
zu den Zeiten der jüdischen Patriarchen betrieben. Da der Bauer für die
großen Vorräthe keinen Absatz hat, so fordert er von der Erde nnr grade so¬
viel, als er bedarf: der größte Theil des Bodens liegt brach. In Serbien wird
nur ein Anstehen des Bodens, selbst mit Einschluß der Wiesen, bebaut. Die Be¬
wohner Schumadinas und Macedoniens brennen oft, um sich die Mühe des Ur¬
barmachens zu ersparen, herrliche Wälder nieder, deren Boden ihnen dann einige
Jahre hindurch eine reiche Ernte gewährt. Die Serben, Albanesen und Türken
sind die schlechtesten Ackerbauer im ganzen Lande: überall, wo sie die Oberhand
haben, sieht man fruchtbare Flächen mit üppig wogendem Unkraut überdeckt, so
daß sie von fern wie grüne Seen erscheinen. Nur der bulgarische Ackersmann
macht eine rühmliche Ausnahme. Die Bewässerung der Felder und Wiesen
wird von den Bulgaren mit bewundernswerther Kenntniß der Naturgesetze be¬
trieben. Die kleinsten Bäche werden benutzt, jede Furche erhält ihren Antheil
an der Erfrischung, kein Tropfen Wasser geht verloren.

Auch an Bergwerken ist die Halbinsel sehr reich: sie werden jedoch nicht
ausgebeutet. Die Mehrzahl der bulgarischen, serbischen und vorzüglich walachischen
Flüsse führt Gold mit sich, mit dessen Aufsammlung beständig Zigeunerhorden be¬
schäftigt sind. Eisen, Blei, Silber und Gold wird in ziemlicher Menge in den
slawischen und griechischen Bergen gefunden. Schmelzofen und Eisenwerke sind
ZU Kratowo in Macedonien und zu Somakvwe in Bulgarien angelegt, wo Kanonen¬
kugeln gegossen und Flinten verfertigt werden. Bosnien und türk. Kroatien, noch,
weicher an Erz, werden auch besser ausgebeutet; es bestehen Eisenhämmer zu
Stazimaidan, Kamengrad, Klissnra, Agripalanka. In den serbischen Gebirgen
findet man überall Syenit-Prophyr und Serpentin und an vier verschiedenen
Stellen Kohlenlager, die für die Dampfschiffahrt vortheilhaft sein können. Bei
dein Kloster Studeritza hat man eine Art weißen Marmors entdeckt, der dem parischen
gleich geschätzt wird. Am Pet hat man zu Saidschar und an andern Orten
Goldwäschen angelegt. Die beiden Hanptbergwerke Serbiens sind zu Maidan-
Pek unter dem Stol und zu Rubrik, wo man Silber, Blei und Eisen findet.

Wenden wir uus von den Naturerzeugnissen zu denen des Gewerbfleißes,
gerathen wir aus dem üppigsten Reichthum in die äußerste Dürftigkeit. Kaum
finden sich noch Spuren von jenem alte" byzantinischen und arabischen Luxus,
der die Bewunderung der Kreuzfahrer erregte. Die Gewerbe werden in alter-


Grenzbotcn, I. -I8si. 39

ausrotten sollen. Die Moldau-Walachen haben Rindvieh und Pferde von aus¬
gezeichneter Geschwindigkeit, welche in großer Menge nach türkischen und russischen
Märkten ausgeführt werden. Bosnien und die Herzegowina ziehen zahlreiche Och¬
sen, welche, gemästet, nach den adriatischen Häfen gebracht werden, um der bei
Korfu stationirten englischen Flotte und einem Theile von Italien als Nahrung
zu dienen.

Die Landwirthschaft wird ans der Halbinsel in derselben Art und Weise wie
zu den Zeiten der jüdischen Patriarchen betrieben. Da der Bauer für die
großen Vorräthe keinen Absatz hat, so fordert er von der Erde nnr grade so¬
viel, als er bedarf: der größte Theil des Bodens liegt brach. In Serbien wird
nur ein Anstehen des Bodens, selbst mit Einschluß der Wiesen, bebaut. Die Be¬
wohner Schumadinas und Macedoniens brennen oft, um sich die Mühe des Ur¬
barmachens zu ersparen, herrliche Wälder nieder, deren Boden ihnen dann einige
Jahre hindurch eine reiche Ernte gewährt. Die Serben, Albanesen und Türken
sind die schlechtesten Ackerbauer im ganzen Lande: überall, wo sie die Oberhand
haben, sieht man fruchtbare Flächen mit üppig wogendem Unkraut überdeckt, so
daß sie von fern wie grüne Seen erscheinen. Nur der bulgarische Ackersmann
macht eine rühmliche Ausnahme. Die Bewässerung der Felder und Wiesen
wird von den Bulgaren mit bewundernswerther Kenntniß der Naturgesetze be¬
trieben. Die kleinsten Bäche werden benutzt, jede Furche erhält ihren Antheil
an der Erfrischung, kein Tropfen Wasser geht verloren.

Auch an Bergwerken ist die Halbinsel sehr reich: sie werden jedoch nicht
ausgebeutet. Die Mehrzahl der bulgarischen, serbischen und vorzüglich walachischen
Flüsse führt Gold mit sich, mit dessen Aufsammlung beständig Zigeunerhorden be¬
schäftigt sind. Eisen, Blei, Silber und Gold wird in ziemlicher Menge in den
slawischen und griechischen Bergen gefunden. Schmelzofen und Eisenwerke sind
ZU Kratowo in Macedonien und zu Somakvwe in Bulgarien angelegt, wo Kanonen¬
kugeln gegossen und Flinten verfertigt werden. Bosnien und türk. Kroatien, noch,
weicher an Erz, werden auch besser ausgebeutet; es bestehen Eisenhämmer zu
Stazimaidan, Kamengrad, Klissnra, Agripalanka. In den serbischen Gebirgen
findet man überall Syenit-Prophyr und Serpentin und an vier verschiedenen
Stellen Kohlenlager, die für die Dampfschiffahrt vortheilhaft sein können. Bei
dein Kloster Studeritza hat man eine Art weißen Marmors entdeckt, der dem parischen
gleich geschätzt wird. Am Pet hat man zu Saidschar und an andern Orten
Goldwäschen angelegt. Die beiden Hanptbergwerke Serbiens sind zu Maidan-
Pek unter dem Stol und zu Rubrik, wo man Silber, Blei und Eisen findet.

Wenden wir uus von den Naturerzeugnissen zu denen des Gewerbfleißes,
gerathen wir aus dem üppigsten Reichthum in die äußerste Dürftigkeit. Kaum
finden sich noch Spuren von jenem alte» byzantinischen und arabischen Luxus,
der die Bewunderung der Kreuzfahrer erregte. Die Gewerbe werden in alter-


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[0313] ausrotten sollen. Die Moldau-Walachen haben Rindvieh und Pferde von aus¬ gezeichneter Geschwindigkeit, welche in großer Menge nach türkischen und russischen Märkten ausgeführt werden. Bosnien und die Herzegowina ziehen zahlreiche Och¬ sen, welche, gemästet, nach den adriatischen Häfen gebracht werden, um der bei Korfu stationirten englischen Flotte und einem Theile von Italien als Nahrung zu dienen. Die Landwirthschaft wird ans der Halbinsel in derselben Art und Weise wie zu den Zeiten der jüdischen Patriarchen betrieben. Da der Bauer für die großen Vorräthe keinen Absatz hat, so fordert er von der Erde nnr grade so¬ viel, als er bedarf: der größte Theil des Bodens liegt brach. In Serbien wird nur ein Anstehen des Bodens, selbst mit Einschluß der Wiesen, bebaut. Die Be¬ wohner Schumadinas und Macedoniens brennen oft, um sich die Mühe des Ur¬ barmachens zu ersparen, herrliche Wälder nieder, deren Boden ihnen dann einige Jahre hindurch eine reiche Ernte gewährt. Die Serben, Albanesen und Türken sind die schlechtesten Ackerbauer im ganzen Lande: überall, wo sie die Oberhand haben, sieht man fruchtbare Flächen mit üppig wogendem Unkraut überdeckt, so daß sie von fern wie grüne Seen erscheinen. Nur der bulgarische Ackersmann macht eine rühmliche Ausnahme. Die Bewässerung der Felder und Wiesen wird von den Bulgaren mit bewundernswerther Kenntniß der Naturgesetze be¬ trieben. Die kleinsten Bäche werden benutzt, jede Furche erhält ihren Antheil an der Erfrischung, kein Tropfen Wasser geht verloren. Auch an Bergwerken ist die Halbinsel sehr reich: sie werden jedoch nicht ausgebeutet. Die Mehrzahl der bulgarischen, serbischen und vorzüglich walachischen Flüsse führt Gold mit sich, mit dessen Aufsammlung beständig Zigeunerhorden be¬ schäftigt sind. Eisen, Blei, Silber und Gold wird in ziemlicher Menge in den slawischen und griechischen Bergen gefunden. Schmelzofen und Eisenwerke sind ZU Kratowo in Macedonien und zu Somakvwe in Bulgarien angelegt, wo Kanonen¬ kugeln gegossen und Flinten verfertigt werden. Bosnien und türk. Kroatien, noch, weicher an Erz, werden auch besser ausgebeutet; es bestehen Eisenhämmer zu Stazimaidan, Kamengrad, Klissnra, Agripalanka. In den serbischen Gebirgen findet man überall Syenit-Prophyr und Serpentin und an vier verschiedenen Stellen Kohlenlager, die für die Dampfschiffahrt vortheilhaft sein können. Bei dein Kloster Studeritza hat man eine Art weißen Marmors entdeckt, der dem parischen gleich geschätzt wird. Am Pet hat man zu Saidschar und an andern Orten Goldwäschen angelegt. Die beiden Hanptbergwerke Serbiens sind zu Maidan- Pek unter dem Stol und zu Rubrik, wo man Silber, Blei und Eisen findet. Wenden wir uus von den Naturerzeugnissen zu denen des Gewerbfleißes, gerathen wir aus dem üppigsten Reichthum in die äußerste Dürftigkeit. Kaum finden sich noch Spuren von jenem alte» byzantinischen und arabischen Luxus, der die Bewunderung der Kreuzfahrer erregte. Die Gewerbe werden in alter- Grenzbotcn, I. -I8si. 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/313>, abgerufen am 22.07.2024.