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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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sie ein dem Morgen des Quartalsges früh um sieben auf ihrem- Esel ein, um
ihren Kauf in Sicherheit zu bringen. Dergleichen sind nicht Kleinigkeiten. Die
Energie und Gewissenhaftigkeit, welche durch solche Erziehung hervorgebracht
werden, sind ein Segen für ein ganzes Volk; und eine Menge ihrer älteren
Unterthanen fühlen heute' noch eine Art freudiger Ueberraschung, wenn jedes
Jahr vorübergeht ohne irgend eine Entrüstung über königliche Verschwendung --
ohne daß man sich über vou der Souveränin gemachte Darlehen zuflüstert --
ohne traurige Erzählungen von zu Grunde gerichteten Handelsleuten und erbitter¬
ten Gläubigern. Zunächst war die Königin sehr reich; -- manche meinten, viel
zu reich, für eine jungfräuliche Königin, deren Ansprüche bis jetzt nicht groß sein
konnten. Aber im ersten Jahre bezahlte sie ihres Vaters schwere Schulden,
Schulden^ die schon vor ihrer Geburt gemacht waren. Demnächst bezahlte sie
die Schulden ihrer Mutter; -- Schulden, von denen sie wußte, daß sie um
ihretwillen gemacht waren. Wir haben gesehen, was sie für die Familie deö
vorigen Königs that. Ferner verheirathete sie sich'; nud eigenthümlich genng, von
irgend einer Vermehrung ihres Einkommens wurde nicht gesprochen. Jetzt hat
sie ein großes Haus von Kindern und solche Ansprüche und Verbindlichkeiten, wie
in einer zwölfjährigen Regierung erwachsen; und immer hören wir nichts von
königlichen Verlegenheiten oder Schulden. ' Sie lebt von ihrem Einkommen und
bezahlt alles sofort; und vielleicht kann sie niemals erfahren, wieviel Achtung
und Liebe ihrer Unterthanen sie durch eine Klugheit und Gewissenhaftigkeit
gewinnt, die bei der königlichen Würde so ungewöhnlich, aber da ebenso schön
ist, wie bei jeder anderen Stellung.

Was die häusliche AchtungSwürdigkeit in wichtigeren Beziehungen, welcher man
jetzt entgegensehen durfte, betrifft -- so war dieselbe in der That für' das Herz und
den Geist der Nation erquickend. Eine neue Generation war jetzt ans dem Thron;
und es gab noch kein Aergerniß bis jetzt, und keinen Grund anzunehmen, daß
dergleichen jemals vorkommen könnte. Es war kein Verderbniß, erzeugt durch
das königliche Heirathsgcsetz -- nichts Unerlaubtes -- nichts Verdächtiges; sondern
statt dessen ein junges Mädchen, in Gesundheit und Einfachheit erzogen, von
welchem mau hoffen durfte, daß es bald heirathen würde---nud selbst eine Wahl
träfe, fr, daß alle Hoffnung war, sie würde ihren Gatten lieben und ein gutes
und glückliches Weib sein. Soweit war alles, recht und vernünftig; und der
Erfolg IM es so gezeigt. Der unrechte und unvernünftige Theil der Volksfreude
und Erwartung war es, wofür sie in keiner Weise verantwortlich war, und wegen
der desfälligen Ungerechtigkeit gegen sie waren ihre treuesten Unterthanen am
meisten bekümmert. Sie wurde nicht allein für fähiger und klüger gehalten als
sie war, sondern auch für klüger und fähiger als von irgend einer Person in
ihren Jahren nur immer zu erwarten war; --- nicht allein für mächtiger als sie
war,- sondern/auch für mächtiger als irgend ein englischer Souverän unter


sie ein dem Morgen des Quartalsges früh um sieben auf ihrem- Esel ein, um
ihren Kauf in Sicherheit zu bringen. Dergleichen sind nicht Kleinigkeiten. Die
Energie und Gewissenhaftigkeit, welche durch solche Erziehung hervorgebracht
werden, sind ein Segen für ein ganzes Volk; und eine Menge ihrer älteren
Unterthanen fühlen heute' noch eine Art freudiger Ueberraschung, wenn jedes
Jahr vorübergeht ohne irgend eine Entrüstung über königliche Verschwendung —
ohne daß man sich über vou der Souveränin gemachte Darlehen zuflüstert —
ohne traurige Erzählungen von zu Grunde gerichteten Handelsleuten und erbitter¬
ten Gläubigern. Zunächst war die Königin sehr reich; — manche meinten, viel
zu reich, für eine jungfräuliche Königin, deren Ansprüche bis jetzt nicht groß sein
konnten. Aber im ersten Jahre bezahlte sie ihres Vaters schwere Schulden,
Schulden^ die schon vor ihrer Geburt gemacht waren. Demnächst bezahlte sie
die Schulden ihrer Mutter; — Schulden, von denen sie wußte, daß sie um
ihretwillen gemacht waren. Wir haben gesehen, was sie für die Familie deö
vorigen Königs that. Ferner verheirathete sie sich'; nud eigenthümlich genng, von
irgend einer Vermehrung ihres Einkommens wurde nicht gesprochen. Jetzt hat
sie ein großes Haus von Kindern und solche Ansprüche und Verbindlichkeiten, wie
in einer zwölfjährigen Regierung erwachsen; und immer hören wir nichts von
königlichen Verlegenheiten oder Schulden. ' Sie lebt von ihrem Einkommen und
bezahlt alles sofort; und vielleicht kann sie niemals erfahren, wieviel Achtung
und Liebe ihrer Unterthanen sie durch eine Klugheit und Gewissenhaftigkeit
gewinnt, die bei der königlichen Würde so ungewöhnlich, aber da ebenso schön
ist, wie bei jeder anderen Stellung.

Was die häusliche AchtungSwürdigkeit in wichtigeren Beziehungen, welcher man
jetzt entgegensehen durfte, betrifft — so war dieselbe in der That für' das Herz und
den Geist der Nation erquickend. Eine neue Generation war jetzt ans dem Thron;
und es gab noch kein Aergerniß bis jetzt, und keinen Grund anzunehmen, daß
dergleichen jemals vorkommen könnte. Es war kein Verderbniß, erzeugt durch
das königliche Heirathsgcsetz — nichts Unerlaubtes — nichts Verdächtiges; sondern
statt dessen ein junges Mädchen, in Gesundheit und Einfachheit erzogen, von
welchem mau hoffen durfte, daß es bald heirathen würde-—nud selbst eine Wahl
träfe, fr, daß alle Hoffnung war, sie würde ihren Gatten lieben und ein gutes
und glückliches Weib sein. Soweit war alles, recht und vernünftig; und der
Erfolg IM es so gezeigt. Der unrechte und unvernünftige Theil der Volksfreude
und Erwartung war es, wofür sie in keiner Weise verantwortlich war, und wegen
der desfälligen Ungerechtigkeit gegen sie waren ihre treuesten Unterthanen am
meisten bekümmert. Sie wurde nicht allein für fähiger und klüger gehalten als
sie war, sondern auch für klüger und fähiger als von irgend einer Person in
ihren Jahren nur immer zu erwarten war; —- nicht allein für mächtiger als sie
war,- sondern/auch für mächtiger als irgend ein englischer Souverän unter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/31>, abgerufen am 02.07.2024.