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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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verbrannt, und Rom -- 1a vostra xsnUUssima Koma! -- labte sich ein dem
Blut der Gladiatoren u. s. w.

Auf diese Predigt, folgten mehre Kinderpredigten. Gegenüber der Krippe
war an einer Säule ein kleines Bretergerüst aufgeschlagen, und dies bestiegen
Kinder von vier bis zwölf Jahren, meistens Mädchen, eine nach der.andern, und
sagten gegen den heiligen Bambino gewendet ihre auswendig gelernten Predigten,
immer vor zahlreichen Zuhörern besonders aus den untern Ständen her. Dies
geschah zu verschiedenen Tageszeiten, besonders aber gegen Ave Maria, und
dauerte die ganze Woche hindurch, ich glaube sogar bis Epiphanias. Diese Pre¬
digte" sind nicht ebenso abgefaßt, wie man sie allenfalls aus dem Munde von
Kindern zu hören erwarten könnte, sondern ganz gewöhnliche Weihnachtöpredigten,
wie sie von allen Kanzeln gehalten werden. Es. ist lächerlich und widerwärtig
zugleich, wenn solch ein kleines Wesen drittehalb Schuh hoch, herausgeputzt wie
ein Aeffchen mit Pelzchen, kurzem Kleidchen und Höschen anftritt, die gelbbehcmd-
schuhteu Hände faltet, sich lächelnd bekreuzt und anfängt: M vsroum caro danon
est. 8. Kiovanrn nel seconäo. Oder wenn eins die Zuhörer ermahnt, Buße
zu thun: 0 clilsMssimi nun, 1 xiornl nisi vahl.ro pelleArina^xio passsrarmo lostol
Und wenn ihr nicht thut, was ich euch sage -- diomAannaliZvl pure, o siAirori
ulei -- norr IntrabMs rexnum eoelorum. Oder ein drittes weitläufig erzählt,
auf welche Veranlassung Maria col oaslissimo marito uach Bethlehem kam, und
dann die Bewohner dieser Stadt abkanzelt, daß sie einer Mitbürgerin kein Obdach
gegeben haben. Na alte clieo eonLittaäwa? ora sixnora, una paclronal --
Die Geburt Christi ist das Thema all dieser Predigten, und dies wurde immer
von neuem, mit denselben Phrase", Figuren und Floskeln variirt, die sich auch
in der heutigen profanen italienischen Prosa so übermäßig breit machen und
meistens deu Inhalt ersticken. Die Demuth des Himmelskönigs, der in einer
Krippe habe geboren sein wollen, wurde ohne Unterlaß angestaunt und erörtert;
und die missra eavarma, die missra paxlia, die piu xiumsnü u. s. w. kamen
unzählige Mal vor. Ein kleines Mädchen sagte ein Gedicht aus, woraus ich mich
folgender Verse erinnere:


l^ein om giumenl,!,
it ro clslle gemei,
I'uMiilnis L?t>ü!

Ein anderes erklärte: Ich bekenne zur Erde, auf der ich stehe, zum Himmel,
der über mir ist, zur L"se, die mich "zugibt, oK'lo 8on' inamorata äst clivino
pe^l'xoleUo. -- Die kleinen Geschöpfe zeigten übrigens durch die allerverkehrteste'
Betonung, daß sie nicht im entferntesten verstanden, was sie herplapperte", dabei
gesticulirten sie unaufhörlich u"d immer a" unrechten Stellen und verdrehten
Augen. Bei den Zuhörern war auch nicht die Spur eines Mißgefühls über
klägliche Komödie einer so schmählig entweihten Kindheit zu bemerken, höchstens


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verbrannt, und Rom — 1a vostra xsnUUssima Koma! — labte sich ein dem
Blut der Gladiatoren u. s. w.

Auf diese Predigt, folgten mehre Kinderpredigten. Gegenüber der Krippe
war an einer Säule ein kleines Bretergerüst aufgeschlagen, und dies bestiegen
Kinder von vier bis zwölf Jahren, meistens Mädchen, eine nach der.andern, und
sagten gegen den heiligen Bambino gewendet ihre auswendig gelernten Predigten,
immer vor zahlreichen Zuhörern besonders aus den untern Ständen her. Dies
geschah zu verschiedenen Tageszeiten, besonders aber gegen Ave Maria, und
dauerte die ganze Woche hindurch, ich glaube sogar bis Epiphanias. Diese Pre¬
digte» sind nicht ebenso abgefaßt, wie man sie allenfalls aus dem Munde von
Kindern zu hören erwarten könnte, sondern ganz gewöhnliche Weihnachtöpredigten,
wie sie von allen Kanzeln gehalten werden. Es. ist lächerlich und widerwärtig
zugleich, wenn solch ein kleines Wesen drittehalb Schuh hoch, herausgeputzt wie
ein Aeffchen mit Pelzchen, kurzem Kleidchen und Höschen anftritt, die gelbbehcmd-
schuhteu Hände faltet, sich lächelnd bekreuzt und anfängt: M vsroum caro danon
est. 8. Kiovanrn nel seconäo. Oder wenn eins die Zuhörer ermahnt, Buße
zu thun: 0 clilsMssimi nun, 1 xiornl nisi vahl.ro pelleArina^xio passsrarmo lostol
Und wenn ihr nicht thut, was ich euch sage — diomAannaliZvl pure, o siAirori
ulei — norr IntrabMs rexnum eoelorum. Oder ein drittes weitläufig erzählt,
auf welche Veranlassung Maria col oaslissimo marito uach Bethlehem kam, und
dann die Bewohner dieser Stadt abkanzelt, daß sie einer Mitbürgerin kein Obdach
gegeben haben. Na alte clieo eonLittaäwa? ora sixnora, una paclronal —
Die Geburt Christi ist das Thema all dieser Predigten, und dies wurde immer
von neuem, mit denselben Phrase», Figuren und Floskeln variirt, die sich auch
in der heutigen profanen italienischen Prosa so übermäßig breit machen und
meistens deu Inhalt ersticken. Die Demuth des Himmelskönigs, der in einer
Krippe habe geboren sein wollen, wurde ohne Unterlaß angestaunt und erörtert;
und die missra eavarma, die missra paxlia, die piu xiumsnü u. s. w. kamen
unzählige Mal vor. Ein kleines Mädchen sagte ein Gedicht aus, woraus ich mich
folgender Verse erinnere:


l^ein om giumenl,!,
it ro clslle gemei,
I'uMiilnis L?t>ü!

Ein anderes erklärte: Ich bekenne zur Erde, auf der ich stehe, zum Himmel,
der über mir ist, zur L»se, die mich »zugibt, oK'lo 8on' inamorata äst clivino
pe^l'xoleUo. — Die kleinen Geschöpfe zeigten übrigens durch die allerverkehrteste'
Betonung, daß sie nicht im entferntesten verstanden, was sie herplapperte», dabei
gesticulirten sie unaufhörlich u»d immer a» unrechten Stellen und verdrehten
Augen. Bei den Zuhörern war auch nicht die Spur eines Mißgefühls über
klägliche Komödie einer so schmählig entweihten Kindheit zu bemerken, höchstens


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[0235] verbrannt, und Rom — 1a vostra xsnUUssima Koma! — labte sich ein dem Blut der Gladiatoren u. s. w. Auf diese Predigt, folgten mehre Kinderpredigten. Gegenüber der Krippe war an einer Säule ein kleines Bretergerüst aufgeschlagen, und dies bestiegen Kinder von vier bis zwölf Jahren, meistens Mädchen, eine nach der.andern, und sagten gegen den heiligen Bambino gewendet ihre auswendig gelernten Predigten, immer vor zahlreichen Zuhörern besonders aus den untern Ständen her. Dies geschah zu verschiedenen Tageszeiten, besonders aber gegen Ave Maria, und dauerte die ganze Woche hindurch, ich glaube sogar bis Epiphanias. Diese Pre¬ digte» sind nicht ebenso abgefaßt, wie man sie allenfalls aus dem Munde von Kindern zu hören erwarten könnte, sondern ganz gewöhnliche Weihnachtöpredigten, wie sie von allen Kanzeln gehalten werden. Es. ist lächerlich und widerwärtig zugleich, wenn solch ein kleines Wesen drittehalb Schuh hoch, herausgeputzt wie ein Aeffchen mit Pelzchen, kurzem Kleidchen und Höschen anftritt, die gelbbehcmd- schuhteu Hände faltet, sich lächelnd bekreuzt und anfängt: M vsroum caro danon est. 8. Kiovanrn nel seconäo. Oder wenn eins die Zuhörer ermahnt, Buße zu thun: 0 clilsMssimi nun, 1 xiornl nisi vahl.ro pelleArina^xio passsrarmo lostol Und wenn ihr nicht thut, was ich euch sage — diomAannaliZvl pure, o siAirori ulei — norr IntrabMs rexnum eoelorum. Oder ein drittes weitläufig erzählt, auf welche Veranlassung Maria col oaslissimo marito uach Bethlehem kam, und dann die Bewohner dieser Stadt abkanzelt, daß sie einer Mitbürgerin kein Obdach gegeben haben. Na alte clieo eonLittaäwa? ora sixnora, una paclronal — Die Geburt Christi ist das Thema all dieser Predigten, und dies wurde immer von neuem, mit denselben Phrase», Figuren und Floskeln variirt, die sich auch in der heutigen profanen italienischen Prosa so übermäßig breit machen und meistens deu Inhalt ersticken. Die Demuth des Himmelskönigs, der in einer Krippe habe geboren sein wollen, wurde ohne Unterlaß angestaunt und erörtert; und die missra eavarma, die missra paxlia, die piu xiumsnü u. s. w. kamen unzählige Mal vor. Ein kleines Mädchen sagte ein Gedicht aus, woraus ich mich folgender Verse erinnere: l^ein om giumenl,!, it ro clslle gemei, I'uMiilnis L?t>ü! Ein anderes erklärte: Ich bekenne zur Erde, auf der ich stehe, zum Himmel, der über mir ist, zur L»se, die mich »zugibt, oK'lo 8on' inamorata äst clivino pe^l'xoleUo. — Die kleinen Geschöpfe zeigten übrigens durch die allerverkehrteste' Betonung, daß sie nicht im entferntesten verstanden, was sie herplapperte», dabei gesticulirten sie unaufhörlich u»d immer a» unrechten Stellen und verdrehten Augen. Bei den Zuhörern war auch nicht die Spur eines Mißgefühls über klägliche Komödie einer so schmählig entweihten Kindheit zu bemerken, höchstens 29*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/235>, abgerufen am 26.06.2024.