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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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diesen Bildern vereinigt sich die elendeste Malerei mit den scheußlichsten Gegen¬
ständen, um einen Anblick von seltener Widerwärtigkeit hervorzubringen. In der
vatikanischen Galerie ist ein großes Bild von Poussin: dem heiligen Erasmus
werden die Eingeweide mit einer Haspel aus dem Leibe gewunden -- das man
in Vergleich mit diesen schon und wohlthuend nennen kann. Jedes Bild enthält
ein oder einige Märtyrerthümer in lebensgroßen Figuren im Vordergrunde, wäh¬
rend im Hintergründe die Heiligen mehr massenweise umgebracht werden. Diese
illustrirten crola mirrtz'rum sind mit Inschriften versehen, welche die Namen der
wichtigeren und die Zahlen der unwichtigeren Bekenner enthalten, die nnter den rö¬
mischen Kaisern dnrch einen mehr oder minder schauderhaften Tod sich die ewige
Seligkeit erwarben. Selbst der gute Mark Aurel ist unter den Verfolgern an¬
gegeben. Hier steht man unter audern den heiligen Dionysius, den abgeschla¬
genen Kopf mit der Tiara in der Hand, in bischöflichen Ornat munter dahin-
schreiten, während mehre Personen mit Zeichen große" und in der That gerecht¬
fertigten Erstaunens hinter ihm hergehen. Die heilige Margaretha auf einem
Martergcrüst liegend wird mit einer eisernen Harke bearbeitet. Unter Valerian
werden der heiligen Agathe beide Brüste mit einer Kneipzange abgerissen, und im
Bilde ist der Moment gewählt, wo dieselben bereits blutend am Boden liegen.
Ans dem nächsten Bilde werden der heiligen Apollonia die Zähne ausgezogen.
Ans einem andern sieht man die heilige Martha, der beide Hände abgehauen und
an einer Schnur um den Hals gehängt sind. Ich erwähne nicht verschiedene
Heilige, die in flüssigem Blei, Oel und Harz gesotten werden, sondern nur einen,
der auf der einen Fleischbank liegend, mit tiefen Hieben in viele Stücke zerhauen
ist >-- sein Name ist mir leider entfallen -- und einen andern (Artemiuö), der zwischen
zwei ungeheuren Blöcken zerquetscht wird, so, daß ihm die Eingeweide zum Leibe
herausquellen.

Am 26. December (der als Tag des h. Johannes ein großer Festtng ist)
ging ich nach Ära Coeli, um dort das Presepiv zu sehen. Es ist zwar noch in
andern Kirchen aufgestellt, aber am kunstreichsten in dieser, die ein wunderlhätiges
Bild des Christuökiudes besitzt. Der 8. Lambwo cU ^ra Leu ist ein Windelkind
M Lebensgröße ans Holz geschnitzt, Gesicht und Hände natürlich bemalt, eine
goldene Krone ans dem Kopf, die Windeln mit goldenen Verzierungen und Edel¬
steinen besetzt. Er wird häufig zu Kranken geholt, die sich in Gefahr befinden,
besonders zu Wöchnerinnen. Die Angehörigen schicken ihm dann eine schöne
Kutsche, nach Vermögen ausgerüstet, mit Bedienten, und viele, die ihm ans der
Straße begegnen, werfen sich auf die Knie. In der Revolution schenkte man
ihm den Krönungswagen des Papstes, um ihn so vor dein Vandalismus der Re¬
publikaner zu retten; indessen hat, wie ich höre, der h. Bambino vor dem h.
Vater zu viel Respect gehabt, um sich dieser Kutsche zu bedienen. Für das
Presepio ist eine sehr große und geräumige Kapelle eingerichtet. Pfosten und


Grenzboten, I. >Iijöt. - 29

diesen Bildern vereinigt sich die elendeste Malerei mit den scheußlichsten Gegen¬
ständen, um einen Anblick von seltener Widerwärtigkeit hervorzubringen. In der
vatikanischen Galerie ist ein großes Bild von Poussin: dem heiligen Erasmus
werden die Eingeweide mit einer Haspel aus dem Leibe gewunden — das man
in Vergleich mit diesen schon und wohlthuend nennen kann. Jedes Bild enthält
ein oder einige Märtyrerthümer in lebensgroßen Figuren im Vordergrunde, wäh¬
rend im Hintergründe die Heiligen mehr massenweise umgebracht werden. Diese
illustrirten crola mirrtz'rum sind mit Inschriften versehen, welche die Namen der
wichtigeren und die Zahlen der unwichtigeren Bekenner enthalten, die nnter den rö¬
mischen Kaisern dnrch einen mehr oder minder schauderhaften Tod sich die ewige
Seligkeit erwarben. Selbst der gute Mark Aurel ist unter den Verfolgern an¬
gegeben. Hier steht man unter audern den heiligen Dionysius, den abgeschla¬
genen Kopf mit der Tiara in der Hand, in bischöflichen Ornat munter dahin-
schreiten, während mehre Personen mit Zeichen große» und in der That gerecht¬
fertigten Erstaunens hinter ihm hergehen. Die heilige Margaretha auf einem
Martergcrüst liegend wird mit einer eisernen Harke bearbeitet. Unter Valerian
werden der heiligen Agathe beide Brüste mit einer Kneipzange abgerissen, und im
Bilde ist der Moment gewählt, wo dieselben bereits blutend am Boden liegen.
Ans dem nächsten Bilde werden der heiligen Apollonia die Zähne ausgezogen.
Ans einem andern sieht man die heilige Martha, der beide Hände abgehauen und
an einer Schnur um den Hals gehängt sind. Ich erwähne nicht verschiedene
Heilige, die in flüssigem Blei, Oel und Harz gesotten werden, sondern nur einen,
der auf der einen Fleischbank liegend, mit tiefen Hieben in viele Stücke zerhauen
ist >— sein Name ist mir leider entfallen — und einen andern (Artemiuö), der zwischen
zwei ungeheuren Blöcken zerquetscht wird, so, daß ihm die Eingeweide zum Leibe
herausquellen.

Am 26. December (der als Tag des h. Johannes ein großer Festtng ist)
ging ich nach Ära Coeli, um dort das Presepiv zu sehen. Es ist zwar noch in
andern Kirchen aufgestellt, aber am kunstreichsten in dieser, die ein wunderlhätiges
Bild des Christuökiudes besitzt. Der 8. Lambwo cU ^ra Leu ist ein Windelkind
M Lebensgröße ans Holz geschnitzt, Gesicht und Hände natürlich bemalt, eine
goldene Krone ans dem Kopf, die Windeln mit goldenen Verzierungen und Edel¬
steinen besetzt. Er wird häufig zu Kranken geholt, die sich in Gefahr befinden,
besonders zu Wöchnerinnen. Die Angehörigen schicken ihm dann eine schöne
Kutsche, nach Vermögen ausgerüstet, mit Bedienten, und viele, die ihm ans der
Straße begegnen, werfen sich auf die Knie. In der Revolution schenkte man
ihm den Krönungswagen des Papstes, um ihn so vor dein Vandalismus der Re¬
publikaner zu retten; indessen hat, wie ich höre, der h. Bambino vor dem h.
Vater zu viel Respect gehabt, um sich dieser Kutsche zu bedienen. Für das
Presepio ist eine sehr große und geräumige Kapelle eingerichtet. Pfosten und


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[0233] diesen Bildern vereinigt sich die elendeste Malerei mit den scheußlichsten Gegen¬ ständen, um einen Anblick von seltener Widerwärtigkeit hervorzubringen. In der vatikanischen Galerie ist ein großes Bild von Poussin: dem heiligen Erasmus werden die Eingeweide mit einer Haspel aus dem Leibe gewunden — das man in Vergleich mit diesen schon und wohlthuend nennen kann. Jedes Bild enthält ein oder einige Märtyrerthümer in lebensgroßen Figuren im Vordergrunde, wäh¬ rend im Hintergründe die Heiligen mehr massenweise umgebracht werden. Diese illustrirten crola mirrtz'rum sind mit Inschriften versehen, welche die Namen der wichtigeren und die Zahlen der unwichtigeren Bekenner enthalten, die nnter den rö¬ mischen Kaisern dnrch einen mehr oder minder schauderhaften Tod sich die ewige Seligkeit erwarben. Selbst der gute Mark Aurel ist unter den Verfolgern an¬ gegeben. Hier steht man unter audern den heiligen Dionysius, den abgeschla¬ genen Kopf mit der Tiara in der Hand, in bischöflichen Ornat munter dahin- schreiten, während mehre Personen mit Zeichen große» und in der That gerecht¬ fertigten Erstaunens hinter ihm hergehen. Die heilige Margaretha auf einem Martergcrüst liegend wird mit einer eisernen Harke bearbeitet. Unter Valerian werden der heiligen Agathe beide Brüste mit einer Kneipzange abgerissen, und im Bilde ist der Moment gewählt, wo dieselben bereits blutend am Boden liegen. Ans dem nächsten Bilde werden der heiligen Apollonia die Zähne ausgezogen. Ans einem andern sieht man die heilige Martha, der beide Hände abgehauen und an einer Schnur um den Hals gehängt sind. Ich erwähne nicht verschiedene Heilige, die in flüssigem Blei, Oel und Harz gesotten werden, sondern nur einen, der auf der einen Fleischbank liegend, mit tiefen Hieben in viele Stücke zerhauen ist >— sein Name ist mir leider entfallen — und einen andern (Artemiuö), der zwischen zwei ungeheuren Blöcken zerquetscht wird, so, daß ihm die Eingeweide zum Leibe herausquellen. Am 26. December (der als Tag des h. Johannes ein großer Festtng ist) ging ich nach Ära Coeli, um dort das Presepiv zu sehen. Es ist zwar noch in andern Kirchen aufgestellt, aber am kunstreichsten in dieser, die ein wunderlhätiges Bild des Christuökiudes besitzt. Der 8. Lambwo cU ^ra Leu ist ein Windelkind M Lebensgröße ans Holz geschnitzt, Gesicht und Hände natürlich bemalt, eine goldene Krone ans dem Kopf, die Windeln mit goldenen Verzierungen und Edel¬ steinen besetzt. Er wird häufig zu Kranken geholt, die sich in Gefahr befinden, besonders zu Wöchnerinnen. Die Angehörigen schicken ihm dann eine schöne Kutsche, nach Vermögen ausgerüstet, mit Bedienten, und viele, die ihm ans der Straße begegnen, werfen sich auf die Knie. In der Revolution schenkte man ihm den Krönungswagen des Papstes, um ihn so vor dein Vandalismus der Re¬ publikaner zu retten; indessen hat, wie ich höre, der h. Bambino vor dem h. Vater zu viel Respect gehabt, um sich dieser Kutsche zu bedienen. Für das Presepio ist eine sehr große und geräumige Kapelle eingerichtet. Pfosten und Grenzboten, I. >Iijöt. - 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/233>, abgerufen am 01.07.2024.