Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gleichmäßige Behandlung der Zollübertretuugeu. Das Zollwesen ist bekanntlich
Bundessache. Wenn um" in eine": Canto" diese Gesetzgebung bei Deftaudationen
in Anwendung kommt, im andern jene, so ist dies der schreiendste Widerspruch
gegen das ganze Organisationsprincip. Cantonale Gegnerschaft gegen den Ent¬
wurf würde nnr dazu. beitragen können, die Rechtsprechung im Bereiche der Geg¬
ner in Mißcrcdit zu bringen; wahrhaft cantonale Interessen können von dem
Entwürfe in keiner Weise schmerzlich berührt werden.

Schwieriger ist dagegen der Stand des dritten Entwurfs. Er betrifft die
Gründung einer eidgenössischen Hochschule i" Verbindung mit einem Polytechninm.

Diese Frage führt die cantonaleu, nationalen, confessionellen Interessen gegen-
einander ins Feld und dahinter lauern noch überdies die specifischen Gegner der
Bundeserstarknng im ultramontanen, wie im radikalen Heerlager. Jene fürchte", daß
ihren Einflüssen die reifende Jugend mehr und mehr entzogen werde, während
diese von der Bildung einer "bureaukratischen Kaste" sittlich entrüstet sind. Die
Altconservativen endlich, deren Geschlechtern in deu vorgeschrittenen Cantonen
die neue Bundesverfassung das Stellenmonvpol bereits ziemlich aus deu Händen
wand, sehen von der eidgeuöfischen Universität die Zukunft der Patriziersöhne
vollends bedroht. Trotz alledem und alledem hat eine große Mehrheit der
bmidesräthlichen Commission sich für den Gesetzentwurf erklärt, während eine
Minderheit von blos zwei Mitgliedern dessen Vertagung auf unbestimmte Zeit
begutachtete. Gleichzeitig hat die weitverzweigte Gemeinnützige Gesellschaft (-- sie
besteht aus Repräsentanten aller Cantone, Stände, der drei Nationalitäten und
beider Confesstoncn --) in einer einstimmig angcnommencnj Petition sowol die
finanziellen, als die confessionellen, als die auf die drei Sprachen der Schweiz
begründeten Bedenken widerlegt. Ferner findet das seit Jahren von der Presse
erörterte Unternehmen den weiteste" Anklang in der ganzen deutsche" Schweiz
-- blos die Universitätsstädte Bern und Basel a"sge"omnem. --

In gewisser Art mag man es diesen Städten nicht verargen. Sie sehen
voraus, daß nach dem Stand der schweizer Hochschulen schwerlich ihnen, sondern
Zürich der Ehrenräng als eidgenössische Universität zu Theil werden würde. Sie
müssen sogar eingestehen, daß Zürich die größten Ansprüche besitzt, weil es schon
bis jetzt die größten Opfer für seine Universität brachte, weil es überhaupt unter
allen schweizer Städten von jeher für Kunst und Wissenschaft unvergleichlich ^ am
meisten geleistet hat. Aber mag mans beiden so hart anrechne", wenn sie trotz¬
dem" ihres akademischen Schmuckes sich nicht entkleiden wollen, wenn namentlich
Basel nebenbei geltend macht, daß ihm eine Entschädigung für die Einbuße an
seinen uralten Universttätsfvnds z" Theil werden müsse, nachdem die revolutionäre
Abtrennung Basellands diese allerdings in einer Weise beraubt hat, welche sich
rechtlich in keiner Weise motiviren läßt? Auch werde" sich diese Gegnerschaften
>>"d Ansprüche wol endlich irgendwie vermitteln, ausgleichen, beseitigen lassen.


28"-

gleichmäßige Behandlung der Zollübertretuugeu. Das Zollwesen ist bekanntlich
Bundessache. Wenn um» in eine»: Canto» diese Gesetzgebung bei Deftaudationen
in Anwendung kommt, im andern jene, so ist dies der schreiendste Widerspruch
gegen das ganze Organisationsprincip. Cantonale Gegnerschaft gegen den Ent¬
wurf würde nnr dazu. beitragen können, die Rechtsprechung im Bereiche der Geg¬
ner in Mißcrcdit zu bringen; wahrhaft cantonale Interessen können von dem
Entwürfe in keiner Weise schmerzlich berührt werden.

Schwieriger ist dagegen der Stand des dritten Entwurfs. Er betrifft die
Gründung einer eidgenössischen Hochschule i» Verbindung mit einem Polytechninm.

Diese Frage führt die cantonaleu, nationalen, confessionellen Interessen gegen-
einander ins Feld und dahinter lauern noch überdies die specifischen Gegner der
Bundeserstarknng im ultramontanen, wie im radikalen Heerlager. Jene fürchte», daß
ihren Einflüssen die reifende Jugend mehr und mehr entzogen werde, während
diese von der Bildung einer „bureaukratischen Kaste" sittlich entrüstet sind. Die
Altconservativen endlich, deren Geschlechtern in deu vorgeschrittenen Cantonen
die neue Bundesverfassung das Stellenmonvpol bereits ziemlich aus deu Händen
wand, sehen von der eidgeuöfischen Universität die Zukunft der Patriziersöhne
vollends bedroht. Trotz alledem und alledem hat eine große Mehrheit der
bmidesräthlichen Commission sich für den Gesetzentwurf erklärt, während eine
Minderheit von blos zwei Mitgliedern dessen Vertagung auf unbestimmte Zeit
begutachtete. Gleichzeitig hat die weitverzweigte Gemeinnützige Gesellschaft (— sie
besteht aus Repräsentanten aller Cantone, Stände, der drei Nationalitäten und
beider Confesstoncn —) in einer einstimmig angcnommencnj Petition sowol die
finanziellen, als die confessionellen, als die auf die drei Sprachen der Schweiz
begründeten Bedenken widerlegt. Ferner findet das seit Jahren von der Presse
erörterte Unternehmen den weiteste» Anklang in der ganzen deutsche» Schweiz
— blos die Universitätsstädte Bern und Basel a»sge»omnem. —

In gewisser Art mag man es diesen Städten nicht verargen. Sie sehen
voraus, daß nach dem Stand der schweizer Hochschulen schwerlich ihnen, sondern
Zürich der Ehrenräng als eidgenössische Universität zu Theil werden würde. Sie
müssen sogar eingestehen, daß Zürich die größten Ansprüche besitzt, weil es schon
bis jetzt die größten Opfer für seine Universität brachte, weil es überhaupt unter
allen schweizer Städten von jeher für Kunst und Wissenschaft unvergleichlich ^ am
meisten geleistet hat. Aber mag mans beiden so hart anrechne», wenn sie trotz¬
dem" ihres akademischen Schmuckes sich nicht entkleiden wollen, wenn namentlich
Basel nebenbei geltend macht, daß ihm eine Entschädigung für die Einbuße an
seinen uralten Universttätsfvnds z» Theil werden müsse, nachdem die revolutionäre
Abtrennung Basellands diese allerdings in einer Weise beraubt hat, welche sich
rechtlich in keiner Weise motiviren läßt? Auch werde» sich diese Gegnerschaften
>>"d Ansprüche wol endlich irgendwie vermitteln, ausgleichen, beseitigen lassen.


28"-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97473"/>
          <p xml:id="ID_587" prev="#ID_586"> gleichmäßige Behandlung der Zollübertretuugeu. Das Zollwesen ist bekanntlich<lb/>
Bundessache. Wenn um» in eine»: Canto» diese Gesetzgebung bei Deftaudationen<lb/>
in Anwendung kommt, im andern jene, so ist dies der schreiendste Widerspruch<lb/>
gegen das ganze Organisationsprincip. Cantonale Gegnerschaft gegen den Ent¬<lb/>
wurf würde nnr dazu. beitragen können, die Rechtsprechung im Bereiche der Geg¬<lb/>
ner in Mißcrcdit zu bringen; wahrhaft cantonale Interessen können von dem<lb/>
Entwürfe in keiner Weise schmerzlich berührt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_588"> Schwieriger ist dagegen der Stand des dritten Entwurfs. Er betrifft die<lb/>
Gründung einer eidgenössischen Hochschule i» Verbindung mit einem Polytechninm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_589"> Diese Frage führt die cantonaleu, nationalen, confessionellen Interessen gegen-<lb/>
einander ins Feld und dahinter lauern noch überdies die specifischen Gegner der<lb/>
Bundeserstarknng im ultramontanen, wie im radikalen Heerlager. Jene fürchte», daß<lb/>
ihren Einflüssen die reifende Jugend mehr und mehr entzogen werde, während<lb/>
diese von der Bildung einer &#x201E;bureaukratischen Kaste" sittlich entrüstet sind. Die<lb/>
Altconservativen endlich, deren Geschlechtern in deu vorgeschrittenen Cantonen<lb/>
die neue Bundesverfassung das Stellenmonvpol bereits ziemlich aus deu Händen<lb/>
wand, sehen von der eidgeuöfischen Universität die Zukunft der Patriziersöhne<lb/>
vollends bedroht. Trotz alledem und alledem hat eine große Mehrheit der<lb/>
bmidesräthlichen Commission sich für den Gesetzentwurf erklärt, während eine<lb/>
Minderheit von blos zwei Mitgliedern dessen Vertagung auf unbestimmte Zeit<lb/>
begutachtete. Gleichzeitig hat die weitverzweigte Gemeinnützige Gesellschaft (&#x2014; sie<lb/>
besteht aus Repräsentanten aller Cantone, Stände, der drei Nationalitäten und<lb/>
beider Confesstoncn &#x2014;) in einer einstimmig angcnommencnj Petition sowol die<lb/>
finanziellen, als die confessionellen, als die auf die drei Sprachen der Schweiz<lb/>
begründeten Bedenken widerlegt. Ferner findet das seit Jahren von der Presse<lb/>
erörterte Unternehmen den weiteste» Anklang in der ganzen deutsche» Schweiz<lb/>
&#x2014; blos die Universitätsstädte Bern und Basel a»sge»omnem. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_590" next="#ID_591"> In gewisser Art mag man es diesen Städten nicht verargen. Sie sehen<lb/>
voraus, daß nach dem Stand der schweizer Hochschulen schwerlich ihnen, sondern<lb/>
Zürich der Ehrenräng als eidgenössische Universität zu Theil werden würde. Sie<lb/>
müssen sogar eingestehen, daß Zürich die größten Ansprüche besitzt, weil es schon<lb/>
bis jetzt die größten Opfer für seine Universität brachte, weil es überhaupt unter<lb/>
allen schweizer Städten von jeher für Kunst und Wissenschaft unvergleichlich ^ am<lb/>
meisten geleistet hat. Aber mag mans beiden so hart anrechne», wenn sie trotz¬<lb/>
dem" ihres akademischen Schmuckes sich nicht entkleiden wollen, wenn namentlich<lb/>
Basel nebenbei geltend macht, daß ihm eine Entschädigung für die Einbuße an<lb/>
seinen uralten Universttätsfvnds z» Theil werden müsse, nachdem die revolutionäre<lb/>
Abtrennung Basellands diese allerdings in einer Weise beraubt hat, welche sich<lb/>
rechtlich in keiner Weise motiviren läßt? Auch werde» sich diese Gegnerschaften<lb/>
&gt;&gt;"d Ansprüche wol endlich irgendwie vermitteln, ausgleichen, beseitigen lassen.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 28"-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0227] gleichmäßige Behandlung der Zollübertretuugeu. Das Zollwesen ist bekanntlich Bundessache. Wenn um» in eine»: Canto» diese Gesetzgebung bei Deftaudationen in Anwendung kommt, im andern jene, so ist dies der schreiendste Widerspruch gegen das ganze Organisationsprincip. Cantonale Gegnerschaft gegen den Ent¬ wurf würde nnr dazu. beitragen können, die Rechtsprechung im Bereiche der Geg¬ ner in Mißcrcdit zu bringen; wahrhaft cantonale Interessen können von dem Entwürfe in keiner Weise schmerzlich berührt werden. Schwieriger ist dagegen der Stand des dritten Entwurfs. Er betrifft die Gründung einer eidgenössischen Hochschule i» Verbindung mit einem Polytechninm. Diese Frage führt die cantonaleu, nationalen, confessionellen Interessen gegen- einander ins Feld und dahinter lauern noch überdies die specifischen Gegner der Bundeserstarknng im ultramontanen, wie im radikalen Heerlager. Jene fürchte», daß ihren Einflüssen die reifende Jugend mehr und mehr entzogen werde, während diese von der Bildung einer „bureaukratischen Kaste" sittlich entrüstet sind. Die Altconservativen endlich, deren Geschlechtern in deu vorgeschrittenen Cantonen die neue Bundesverfassung das Stellenmonvpol bereits ziemlich aus deu Händen wand, sehen von der eidgeuöfischen Universität die Zukunft der Patriziersöhne vollends bedroht. Trotz alledem und alledem hat eine große Mehrheit der bmidesräthlichen Commission sich für den Gesetzentwurf erklärt, während eine Minderheit von blos zwei Mitgliedern dessen Vertagung auf unbestimmte Zeit begutachtete. Gleichzeitig hat die weitverzweigte Gemeinnützige Gesellschaft (— sie besteht aus Repräsentanten aller Cantone, Stände, der drei Nationalitäten und beider Confesstoncn —) in einer einstimmig angcnommencnj Petition sowol die finanziellen, als die confessionellen, als die auf die drei Sprachen der Schweiz begründeten Bedenken widerlegt. Ferner findet das seit Jahren von der Presse erörterte Unternehmen den weiteste» Anklang in der ganzen deutsche» Schweiz — blos die Universitätsstädte Bern und Basel a»sge»omnem. — In gewisser Art mag man es diesen Städten nicht verargen. Sie sehen voraus, daß nach dem Stand der schweizer Hochschulen schwerlich ihnen, sondern Zürich der Ehrenräng als eidgenössische Universität zu Theil werden würde. Sie müssen sogar eingestehen, daß Zürich die größten Ansprüche besitzt, weil es schon bis jetzt die größten Opfer für seine Universität brachte, weil es überhaupt unter allen schweizer Städten von jeher für Kunst und Wissenschaft unvergleichlich ^ am meisten geleistet hat. Aber mag mans beiden so hart anrechne», wenn sie trotz¬ dem" ihres akademischen Schmuckes sich nicht entkleiden wollen, wenn namentlich Basel nebenbei geltend macht, daß ihm eine Entschädigung für die Einbuße an seinen uralten Universttätsfvnds z» Theil werden müsse, nachdem die revolutionäre Abtrennung Basellands diese allerdings in einer Weise beraubt hat, welche sich rechtlich in keiner Weise motiviren läßt? Auch werde» sich diese Gegnerschaften >>"d Ansprüche wol endlich irgendwie vermitteln, ausgleichen, beseitigen lassen. 28"-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/227
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/227>, abgerufen am 22.07.2024.