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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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beten. Es wäre in anderer Hinsicht schade, wenn wir ihn verlören, denn er
genießt den Ruf eines tüchtigen Strategen.

Das hat viel Mühe und nicht geringen Verdruß gekostet,
bis die Rangverhältnisse unter uns Generalstabsoffizieren festgesetzt waren.
Hätte nicht die liebenswürdige Persönlichkeit unseres Oberanführers vieles wieder
ausgeglichen, diese Feststellung wäre noch gar nicht erfolgt. Dennoch haben
schon 2 Offiziere von uns ihren resp. Regierungen Gesuche um Abberufung
geschickt. Es ist aber auch nicht recht, daß einige Regierungen noch zuletzt den
Offizieren, die sie zu unserem gemeinsamen Generalstab commandirtcn, einen
höheren Grad verliehen, damit diese, darauf gestützt, anch bei uns einen höhern
Rang einnehmen sollten. So hat der fürstlich Z.ahnde Hof einen ganz jungen
Mann, der früher mir bei dem Hofmarschallamt des Fürsten Dienste that, mit
dem Hauptmannsgrad hierhergeschickt, und dieser verlangt nnn über den alten
verdienten Artillerielieutenant, der von B. zu uns commandirt ist, gesetzt zu
werden. Ueberhaupt kaun man mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, daß,
je kleiner das Contingent ist, desto vornehmere Titel die Offiziere desselben
führen und desto buntere und glänzendere Uniformen sie tragen. So haben die
S. ein Bataillon, das kaum 700 Mann zählt, zu unserem Armeecorps gestellt
und dabei ist ein Oberst, ein wirklicher nud ein aggregirter Major, die alle drei
zusammen soviel Silber- und Goldwerk und eine solche Menge kleiner Haus¬
orden ans ihrem Leibe tragen, daß man sie für Feldmarschälle halten sollte.
"So etwas müsse imponiren", hat man in S. gesagt, "und den S. Truppen
ein erhöhtes Ansehen geben." Dabei führen dieselben Truppen aber noch äußerst
schlechte Gewehre, die ein Kaliber haben, wie es in nnserm ganzen Corps nicht
wieder vorkommt, und sie tirailliren so ungeschickt, daß man Darüber herzlich
lachen könnte, wenn man sich nur nicht so sehr schämen müßte.

Unser Dienstgang stockt fortwährend und nichts will recht in
Zug kommen und doch stehen die Feinde nur einige Tagemarsche von uns entfernt.
So hat unser neuer Generalstabschef auch die Dienstordnung bei uns einge¬
führt, die er von seinem heimatlichen Contingent her gewöhnt war. Diese
aber ist ganz abweichend von derjenigen, welche die meisten andern Offiziere von
ihren Contingenten her kennen, und wir sollen uns nun plötzlich über Hals und
Kopf in die ganz neuen Reglements hineinarbeiten. Das geht aber nicht so schnell,
wie man es wol möchte, zumal wir sonst mit Geschäften aller Art überhäuft sind.
Denn täglich treffen neue Truppen von den verschiedensten Contingenten bei
unsrem Corps ein. So will bei uns nichts recht zusammengehen. Viele von
uns Offizieren arbeiten noch nach der Vorschrift, die sie von daheim her gewohnt
sind, und Confusion und Unordnung herrscht daher schon jetzt überall. Unser
guter Obergeneral hat darin schon den Kopf verloren, er selbst sieht am besten
ein, daß er sich bei seinen 60 Jahren unmöglich mehr in alle die neuen Ver-


beten. Es wäre in anderer Hinsicht schade, wenn wir ihn verlören, denn er
genießt den Ruf eines tüchtigen Strategen.

Das hat viel Mühe und nicht geringen Verdruß gekostet,
bis die Rangverhältnisse unter uns Generalstabsoffizieren festgesetzt waren.
Hätte nicht die liebenswürdige Persönlichkeit unseres Oberanführers vieles wieder
ausgeglichen, diese Feststellung wäre noch gar nicht erfolgt. Dennoch haben
schon 2 Offiziere von uns ihren resp. Regierungen Gesuche um Abberufung
geschickt. Es ist aber auch nicht recht, daß einige Regierungen noch zuletzt den
Offizieren, die sie zu unserem gemeinsamen Generalstab commandirtcn, einen
höheren Grad verliehen, damit diese, darauf gestützt, anch bei uns einen höhern
Rang einnehmen sollten. So hat der fürstlich Z.ahnde Hof einen ganz jungen
Mann, der früher mir bei dem Hofmarschallamt des Fürsten Dienste that, mit
dem Hauptmannsgrad hierhergeschickt, und dieser verlangt nnn über den alten
verdienten Artillerielieutenant, der von B. zu uns commandirt ist, gesetzt zu
werden. Ueberhaupt kaun man mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, daß,
je kleiner das Contingent ist, desto vornehmere Titel die Offiziere desselben
führen und desto buntere und glänzendere Uniformen sie tragen. So haben die
S. ein Bataillon, das kaum 700 Mann zählt, zu unserem Armeecorps gestellt
und dabei ist ein Oberst, ein wirklicher nud ein aggregirter Major, die alle drei
zusammen soviel Silber- und Goldwerk und eine solche Menge kleiner Haus¬
orden ans ihrem Leibe tragen, daß man sie für Feldmarschälle halten sollte.
„So etwas müsse imponiren", hat man in S. gesagt, „und den S. Truppen
ein erhöhtes Ansehen geben." Dabei führen dieselben Truppen aber noch äußerst
schlechte Gewehre, die ein Kaliber haben, wie es in nnserm ganzen Corps nicht
wieder vorkommt, und sie tirailliren so ungeschickt, daß man Darüber herzlich
lachen könnte, wenn man sich nur nicht so sehr schämen müßte.

Unser Dienstgang stockt fortwährend und nichts will recht in
Zug kommen und doch stehen die Feinde nur einige Tagemarsche von uns entfernt.
So hat unser neuer Generalstabschef auch die Dienstordnung bei uns einge¬
führt, die er von seinem heimatlichen Contingent her gewöhnt war. Diese
aber ist ganz abweichend von derjenigen, welche die meisten andern Offiziere von
ihren Contingenten her kennen, und wir sollen uns nun plötzlich über Hals und
Kopf in die ganz neuen Reglements hineinarbeiten. Das geht aber nicht so schnell,
wie man es wol möchte, zumal wir sonst mit Geschäften aller Art überhäuft sind.
Denn täglich treffen neue Truppen von den verschiedensten Contingenten bei
unsrem Corps ein. So will bei uns nichts recht zusammengehen. Viele von
uns Offizieren arbeiten noch nach der Vorschrift, die sie von daheim her gewohnt
sind, und Confusion und Unordnung herrscht daher schon jetzt überall. Unser
guter Obergeneral hat darin schon den Kopf verloren, er selbst sieht am besten
ein, daß er sich bei seinen 60 Jahren unmöglich mehr in alle die neuen Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/214>, abgerufen am 22.07.2024.