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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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diesem Meere aussetzen. Gegen Ende August 1849 gelang es den beiden Schiffen,
der Enterprise und dem Jnvestigator, aus dem Levpoldshafen herauszukommen,
und sie gingen immer nach der Nordküste der Barrowstraße nnter Segel, um
den Wellingtonkanal zu untersuchen, und dann nach der Melvilleinsel zu fahren.
Als sie ungefähr noch 12 Meile" von der Küste entferut waren, war nach Westen
zu nichts als ein ununterbrochenes glattes Eisfeld zu erblicken. Am 1. Sept.
waren die Schiffe von schwimmendem Packeis eingeschlossen. Gewaltige Berge von
Scholleneis thürmten sich ringsum empor. Der Thermometer stand ans Null,
und die schwimmenden Schollen froren zu einer einzigen undurchdringlichen Masse
zusammen, welche eine Mauer quer über die ganze Barrowstraße bildete. Schon
hatte sich die gesammte Schiffsmannschaft darauf gefaßt gemacht, in dieser Lage
den ganzen Winter zu verbringen, als der Wind plötzlich von Osten nach Westen
umsprang, und die ganze Eismasse mit einer Schnelligkeit von 8 bis -10 Meilen
täglich nach Osten trieb. So, inmitten eines Eisfeldes von 30 englischen Meilen
im Umkreis, trieben die Schiffe hoffnungslos ihrem Untergange in einer Lage
entgegen, wo Menschenk-ruft und Menschenmuth^ nichts ausrichten konnte. Der
Untergang war so gut wie gewiß: denn alle wußten, daß auf den Untiefen der
Westküste der Basfinsbucht zahlreiche Eisberge auf dem Grunde festsaßen, denen sie
nicht ausweichen konnten. Sie trieben langsam östlich, bis sie Pondsbai gegen¬
über kamen, wo ihnen eine Reihe Eisberge die Weiterfahrt versperrte. Sie
ergaben sich in ihr allem Anschein nach unvermeidliches Schicksal, da zerschellte,
wie auf ein gegebenes Signal, 'plötMH das Eisfeld in lauter Trümmer, und es
gelang der Mannschaft, durch Werptane die Schiffe an der Eismasse vorbeizu¬
bringen, und das offene Wasser zu erreichen. Da jedoch die Jahreszeit schon
zuweit vorgerückt und alle Häfen geschlossen waren, so blieb Sir James Roß
nichts übrig, als nach England zurückzukehren, wo er Ende October 1849
ankam.

Während Roß mit seinen beiden Schiffen im Lancastersnnd auf die Eisberge
lostricb, sah sich der Northstar unter Lieutenant Saunder, den die Admiralität
der Enterprise 1849 nachgeschickt hat, beim Melvillesund im nördlichen Theile der
Baffinsbai fast von demselben Schicksal bedroht. Am 21. Sept. schwamm der
Northstar ebenfalls mit einem Eisfeld dahin, als er einen großen Eisberg gerade
vor sich erblickte. Das Hinderniß, welches das Schiff mit dem Untergang be¬
drohte, wurde seine Rettung. Eine Ecke des Eisfeldes stieß mit dem Eisberge
zusammen; infolge der Erschütterung drehte sich das Feld im Kreise herum, spal¬
tete sich, und das Schiff war frei. Der Northstar überwinterte in Wolstenholm
und traf im August dieses Jahres mit andern unterdeß von England und
den Vereinigten Staaten abgeschickten Entdecknngsexpeditiouen zusammen, und
kehrte im Sept. 18S0 nach England zurück, nachdem er seine Vorräthe in
Navyboardinlet niedergelegt hatte.


diesem Meere aussetzen. Gegen Ende August 1849 gelang es den beiden Schiffen,
der Enterprise und dem Jnvestigator, aus dem Levpoldshafen herauszukommen,
und sie gingen immer nach der Nordküste der Barrowstraße nnter Segel, um
den Wellingtonkanal zu untersuchen, und dann nach der Melvilleinsel zu fahren.
Als sie ungefähr noch 12 Meile» von der Küste entferut waren, war nach Westen
zu nichts als ein ununterbrochenes glattes Eisfeld zu erblicken. Am 1. Sept.
waren die Schiffe von schwimmendem Packeis eingeschlossen. Gewaltige Berge von
Scholleneis thürmten sich ringsum empor. Der Thermometer stand ans Null,
und die schwimmenden Schollen froren zu einer einzigen undurchdringlichen Masse
zusammen, welche eine Mauer quer über die ganze Barrowstraße bildete. Schon
hatte sich die gesammte Schiffsmannschaft darauf gefaßt gemacht, in dieser Lage
den ganzen Winter zu verbringen, als der Wind plötzlich von Osten nach Westen
umsprang, und die ganze Eismasse mit einer Schnelligkeit von 8 bis -10 Meilen
täglich nach Osten trieb. So, inmitten eines Eisfeldes von 30 englischen Meilen
im Umkreis, trieben die Schiffe hoffnungslos ihrem Untergange in einer Lage
entgegen, wo Menschenk-ruft und Menschenmuth^ nichts ausrichten konnte. Der
Untergang war so gut wie gewiß: denn alle wußten, daß auf den Untiefen der
Westküste der Basfinsbucht zahlreiche Eisberge auf dem Grunde festsaßen, denen sie
nicht ausweichen konnten. Sie trieben langsam östlich, bis sie Pondsbai gegen¬
über kamen, wo ihnen eine Reihe Eisberge die Weiterfahrt versperrte. Sie
ergaben sich in ihr allem Anschein nach unvermeidliches Schicksal, da zerschellte,
wie auf ein gegebenes Signal, 'plötMH das Eisfeld in lauter Trümmer, und es
gelang der Mannschaft, durch Werptane die Schiffe an der Eismasse vorbeizu¬
bringen, und das offene Wasser zu erreichen. Da jedoch die Jahreszeit schon
zuweit vorgerückt und alle Häfen geschlossen waren, so blieb Sir James Roß
nichts übrig, als nach England zurückzukehren, wo er Ende October 1849
ankam.

Während Roß mit seinen beiden Schiffen im Lancastersnnd auf die Eisberge
lostricb, sah sich der Northstar unter Lieutenant Saunder, den die Admiralität
der Enterprise 1849 nachgeschickt hat, beim Melvillesund im nördlichen Theile der
Baffinsbai fast von demselben Schicksal bedroht. Am 21. Sept. schwamm der
Northstar ebenfalls mit einem Eisfeld dahin, als er einen großen Eisberg gerade
vor sich erblickte. Das Hinderniß, welches das Schiff mit dem Untergang be¬
drohte, wurde seine Rettung. Eine Ecke des Eisfeldes stieß mit dem Eisberge
zusammen; infolge der Erschütterung drehte sich das Feld im Kreise herum, spal¬
tete sich, und das Schiff war frei. Der Northstar überwinterte in Wolstenholm
und traf im August dieses Jahres mit andern unterdeß von England und
den Vereinigten Staaten abgeschickten Entdecknngsexpeditiouen zusammen, und
kehrte im Sept. 18S0 nach England zurück, nachdem er seine Vorräthe in
Navyboardinlet niedergelegt hatte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/176>, abgerufen am 25.08.2024.