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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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stattliche Wohnung eines reichen Landbesitzers, Erquickungen für das Auge. Diese
bessern Häuser sind denn auch wohl, wenn es die Lage gestattet, mit Pflanzungen
und Wäldchen umgeben.




Das romantische Epos.

Carlo Zeno, eine Dichtung von Rudolph Gottschall. Breslau, Trewendt u.
Graner. --

Wir haben von dem früheren Versuch dieses Dichters "die Göttin" im
Jahrgang -I8S2, i. S. 121 eine ausführliche Kritik gegeben; wir benutzen das
gegenwärtige Werk, die Gesetze der GattPig, der es angehört und auf die wir
schon häufig haben eingehen müssen, da sich die Vorliebe für das romantische
Epos immer mehr verbreitet"), ausführlich und im Zusammenhang zu entwickeln.
Wir gebrauchen absichtlich den Ausdruck Gesetze statt des gewöhnlichen Ausdrucks
Regeln, da der letztere etwas Gemachtes, Willkürliches und Conventionelles
andeutet, während das Gesetz sich aus der innern Natur der Gattung mit Noth¬
wendigkeit ergibt. Weil mau in der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit einiger
Mühe die Fesseln der traditionellen Regel, gebrochen hatte, die aus Frankreich
überkommen war, so war man sehr bald geneigt, den Begriff der Regel und des
Gesetzes ans der Poesie überhaupt zu verbannen, und mit Ausnahme von Goethe
und Schiller, die auch bei ihren poetische" Schöpfungen immer ein strenges Gesetz
vor Angen hielten, haben die deutschen Dichter sich beeifert, nach Belieben zu
improvisire", ganz überzeugt, durch ihren Jnstinct immer auf das Richtige geleitet
zu werde". Nun ist es allerdings das Kennzeichen des echten Genius, ohne
weitere Ueberlegung, so zu handeln und zu schaffen, wie es zweckmäßig ist, und der
Irrthum lag nur darin, daß unsere Dichter sich ohne alle Ursache das Prädicat
des Genius beilegte". Ja, wir gehen noch weiter. Auch die geniale Kraft reicht
zu classischen Schöpfungen nnr nnter besonders glücklichen Umständen aus, d. h.
n"r i" einer Zeit, die selber classisch ist und die angemessenen Stoffe und Formen
sowol in reicher Fülle als in einheitlichem Zusammenhang dem Künstler darbietet.
Eine solche Zeit war weder die von Goethe und Schiller, noch viel weniger die
unsrige. Jene Dichter mußte" die Basis ihrer Dichtung, die in einem classischen
'Zeitalter die Natur hervorbringt, mit schwerer Anstrengung sich selber schaffen, sie



Im vorigen Jahr haben wir n, a> besprochen: Julian, von Eichendorff (2. S.
420); die Maikonigin, von W> Müller; Alma, von Stiebritz; Noscneggcr Romanzen,
von v. d. Traum; der Hort der Dichtung; die Lilie vom See, von M. Horn (2. S. 3ö7.);
Dolorcs; Giovanna, von A. Lohn (3. S. 133); die Uebersetzung Firdnsis, von Schack (3.
S, 180); Fischer Martin, von Mörike (3, S. 2K7); Habana, von Böttger; Werdenberg,
von Bornhauser (3, S. 2S7); Ada, von Bodenstedt (i. S. 3KY.'

stattliche Wohnung eines reichen Landbesitzers, Erquickungen für das Auge. Diese
bessern Häuser sind denn auch wohl, wenn es die Lage gestattet, mit Pflanzungen
und Wäldchen umgeben.




Das romantische Epos.

Carlo Zeno, eine Dichtung von Rudolph Gottschall. Breslau, Trewendt u.
Graner. —

Wir haben von dem früheren Versuch dieses Dichters „die Göttin" im
Jahrgang -I8S2, i. S. 121 eine ausführliche Kritik gegeben; wir benutzen das
gegenwärtige Werk, die Gesetze der GattPig, der es angehört und auf die wir
schon häufig haben eingehen müssen, da sich die Vorliebe für das romantische
Epos immer mehr verbreitet"), ausführlich und im Zusammenhang zu entwickeln.
Wir gebrauchen absichtlich den Ausdruck Gesetze statt des gewöhnlichen Ausdrucks
Regeln, da der letztere etwas Gemachtes, Willkürliches und Conventionelles
andeutet, während das Gesetz sich aus der innern Natur der Gattung mit Noth¬
wendigkeit ergibt. Weil mau in der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit einiger
Mühe die Fesseln der traditionellen Regel, gebrochen hatte, die aus Frankreich
überkommen war, so war man sehr bald geneigt, den Begriff der Regel und des
Gesetzes ans der Poesie überhaupt zu verbannen, und mit Ausnahme von Goethe
und Schiller, die auch bei ihren poetische» Schöpfungen immer ein strenges Gesetz
vor Angen hielten, haben die deutschen Dichter sich beeifert, nach Belieben zu
improvisire», ganz überzeugt, durch ihren Jnstinct immer auf das Richtige geleitet
zu werde». Nun ist es allerdings das Kennzeichen des echten Genius, ohne
weitere Ueberlegung, so zu handeln und zu schaffen, wie es zweckmäßig ist, und der
Irrthum lag nur darin, daß unsere Dichter sich ohne alle Ursache das Prädicat
des Genius beilegte». Ja, wir gehen noch weiter. Auch die geniale Kraft reicht
zu classischen Schöpfungen nnr nnter besonders glücklichen Umständen aus, d. h.
n»r i» einer Zeit, die selber classisch ist und die angemessenen Stoffe und Formen
sowol in reicher Fülle als in einheitlichem Zusammenhang dem Künstler darbietet.
Eine solche Zeit war weder die von Goethe und Schiller, noch viel weniger die
unsrige. Jene Dichter mußte» die Basis ihrer Dichtung, die in einem classischen
'Zeitalter die Natur hervorbringt, mit schwerer Anstrengung sich selber schaffen, sie



Im vorigen Jahr haben wir n, a> besprochen: Julian, von Eichendorff (2. S.
420); die Maikonigin, von W> Müller; Alma, von Stiebritz; Noscneggcr Romanzen,
von v. d. Traum; der Hort der Dichtung; die Lilie vom See, von M. Horn (2. S. 3ö7.);
Dolorcs; Giovanna, von A. Lohn (3. S. 133); die Uebersetzung Firdnsis, von Schack (3.
S, 180); Fischer Martin, von Mörike (3, S. 2K7); Habana, von Böttger; Werdenberg,
von Bornhauser (3, S. 2S7); Ada, von Bodenstedt (i. S. 3KY.'
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/16>, abgerufen am 22.07.2024.