Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Raumes die untergeordneten Bewohner mit ihren Bequemlichkeiten erblicken.
Zwei aufrechte Stangen, von denen die eine dnrch einen sehr einfachen Mecha¬
nismus etwas nach der Seit verschoben werden kann, halten dort die Kuh, wenn
"me solche vorhanden, in einer Art Schraubstock fest, so daß sich ihr Kopf vor,
ihr übriger Körper hinter den Stangen befindet. Man spart so die KettF. Dieselbe
Einrichtung, nur vollkommener, ist mich in den besseren Pächterwohnungen zu finden.
Eine nicht angebundene Kuh in einem und demselben Raume mit Menschen würde auch
nach der Ansicht des Irländers oft störend auf den Comfort wirken können, darum
hält man sie durch zwei Stangen in Ordnung, von allen andern thierischen Hausge¬
nossen besorgt man nichts so Arges und läßt sie frei umhergehen. Ziege, Schwein,
Schaf, Gans, Hund, Katze habe" zum Kochtopfe, zum Bette und allen andern
Winkeln freien Zutritt und thun sich auch gar keinen Zwang an. Man kann sie
oft, in der nngenirtesten Weise kreuz und quer rennend,- spielen und zanken sehen
und nur, wenn sie brutal werden, bringt sie der kräftig angewandte Kochlöffel
oder das heiße Nührholz zur Ordnung zurück. Im Allgemeinen aber sind sie
merkwürdig friedlich und anständig und gewähren denselben Genuß höherer Bildung
und guter Sitten, wie die Thiere von feindseliger Art, die in einem Käfige beisammen
zum Beschauen umhergeführt werden. Sie bilden nebenbei angenehme Gespielen
für die Kinder, die mit ihnen sehr vertraut umgehe"; oft genug beschauen sich
ein junger Jrländer und ein junges Schwein zugleich aus dem Fcnsterloche die Ge¬
gend. -- Um die Beschreibung der innern Hütte zu vollenden, ist noch zu be¬
merken, daß sie keine Decke, keinen Söller oder zweiten Stock hat, sondern daß
der Dachraum mit dem unteren eine Einheit bildet. Das Baumaterial solcher
Wohnungen ist so häusig und nahe, die Bauart ist so einfach und eine Hütte ist
darum mit Hilfe 'einiger Nachbarn, die dazu für ein Glas Whiskey stets bereit
sind, so schnell errichtet, daß der Jrländer, wenn er bei Auswanderung oder Um¬
zug von ihr scheidet, nicht daran denkt, sie zu verkaufen oder abzubrechen, um
etwa das Taugliche zu einem neuen Hanse zu verwenden, er läßt sie stehen, wie
sie war und reißt etwa nur das. Dach herunter, um sich dabei zu guterletzt zu
wärmen, oder ein kleines Freudenfeuer zu macheu. Aus diesem Grunde sind in
einem nicht sehr großen Bezirke Hunderte solcher Ruinen zu sehen, die meist in
den letzten Jahren verlasse" wurden, wo gegen zwei Millionen Jrländer ausge¬
wandert sind. Das traurige und verlassene Ansehen zahlreicher Gegenden hat
dadurch einen wahrhaft schauerlichen Charakter erhalten. -- Diese Wohnungen der
Jrländer liegen fast immer einzeln, selten sind zwei, drei oder mehre beisammen,
Dörfer kennt man in Irland nicht. Ihr äußerst elendes und dürftiges Aussehen
wird dadurch erhöht, daß sie nackt dastehen, selten einen Baum in der Nähe ha¬
ben, oft uicht einmal el" Gebüsch oder eine Hecke. Nur in meilenweiter Entfer¬
nung sieht man einmal ein besseres, wenigstens weißes Pachterhanö oder die


Raumes die untergeordneten Bewohner mit ihren Bequemlichkeiten erblicken.
Zwei aufrechte Stangen, von denen die eine dnrch einen sehr einfachen Mecha¬
nismus etwas nach der Seit verschoben werden kann, halten dort die Kuh, wenn
«me solche vorhanden, in einer Art Schraubstock fest, so daß sich ihr Kopf vor,
ihr übriger Körper hinter den Stangen befindet. Man spart so die KettF. Dieselbe
Einrichtung, nur vollkommener, ist mich in den besseren Pächterwohnungen zu finden.
Eine nicht angebundene Kuh in einem und demselben Raume mit Menschen würde auch
nach der Ansicht des Irländers oft störend auf den Comfort wirken können, darum
hält man sie durch zwei Stangen in Ordnung, von allen andern thierischen Hausge¬
nossen besorgt man nichts so Arges und läßt sie frei umhergehen. Ziege, Schwein,
Schaf, Gans, Hund, Katze habe» zum Kochtopfe, zum Bette und allen andern
Winkeln freien Zutritt und thun sich auch gar keinen Zwang an. Man kann sie
oft, in der nngenirtesten Weise kreuz und quer rennend,- spielen und zanken sehen
und nur, wenn sie brutal werden, bringt sie der kräftig angewandte Kochlöffel
oder das heiße Nührholz zur Ordnung zurück. Im Allgemeinen aber sind sie
merkwürdig friedlich und anständig und gewähren denselben Genuß höherer Bildung
und guter Sitten, wie die Thiere von feindseliger Art, die in einem Käfige beisammen
zum Beschauen umhergeführt werden. Sie bilden nebenbei angenehme Gespielen
für die Kinder, die mit ihnen sehr vertraut umgehe»; oft genug beschauen sich
ein junger Jrländer und ein junges Schwein zugleich aus dem Fcnsterloche die Ge¬
gend. — Um die Beschreibung der innern Hütte zu vollenden, ist noch zu be¬
merken, daß sie keine Decke, keinen Söller oder zweiten Stock hat, sondern daß
der Dachraum mit dem unteren eine Einheit bildet. Das Baumaterial solcher
Wohnungen ist so häusig und nahe, die Bauart ist so einfach und eine Hütte ist
darum mit Hilfe 'einiger Nachbarn, die dazu für ein Glas Whiskey stets bereit
sind, so schnell errichtet, daß der Jrländer, wenn er bei Auswanderung oder Um¬
zug von ihr scheidet, nicht daran denkt, sie zu verkaufen oder abzubrechen, um
etwa das Taugliche zu einem neuen Hanse zu verwenden, er läßt sie stehen, wie
sie war und reißt etwa nur das. Dach herunter, um sich dabei zu guterletzt zu
wärmen, oder ein kleines Freudenfeuer zu macheu. Aus diesem Grunde sind in
einem nicht sehr großen Bezirke Hunderte solcher Ruinen zu sehen, die meist in
den letzten Jahren verlasse» wurden, wo gegen zwei Millionen Jrländer ausge¬
wandert sind. Das traurige und verlassene Ansehen zahlreicher Gegenden hat
dadurch einen wahrhaft schauerlichen Charakter erhalten. — Diese Wohnungen der
Jrländer liegen fast immer einzeln, selten sind zwei, drei oder mehre beisammen,
Dörfer kennt man in Irland nicht. Ihr äußerst elendes und dürftiges Aussehen
wird dadurch erhöht, daß sie nackt dastehen, selten einen Baum in der Nähe ha¬
ben, oft uicht einmal el» Gebüsch oder eine Hecke. Nur in meilenweiter Entfer¬
nung sieht man einmal ein besseres, wenigstens weißes Pachterhanö oder die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97261"/>
            <p xml:id="ID_18" prev="#ID_17" next="#ID_19"> Raumes die untergeordneten Bewohner mit ihren Bequemlichkeiten erblicken.<lb/>
Zwei aufrechte Stangen, von denen die eine dnrch einen sehr einfachen Mecha¬<lb/>
nismus etwas nach der Seit verschoben werden kann, halten dort die Kuh, wenn<lb/>
«me solche vorhanden, in einer Art Schraubstock fest, so daß sich ihr Kopf vor,<lb/>
ihr übriger Körper hinter den Stangen befindet. Man spart so die KettF. Dieselbe<lb/>
Einrichtung, nur vollkommener, ist mich in den besseren Pächterwohnungen zu finden.<lb/>
Eine nicht angebundene Kuh in einem und demselben Raume mit Menschen würde auch<lb/>
nach der Ansicht des Irländers oft störend auf den Comfort wirken können, darum<lb/>
hält man sie durch zwei Stangen in Ordnung, von allen andern thierischen Hausge¬<lb/>
nossen besorgt man nichts so Arges und läßt sie frei umhergehen. Ziege, Schwein,<lb/>
Schaf, Gans, Hund, Katze habe» zum Kochtopfe, zum Bette und allen andern<lb/>
Winkeln freien Zutritt und thun sich auch gar keinen Zwang an. Man kann sie<lb/>
oft, in der nngenirtesten Weise kreuz und quer rennend,- spielen und zanken sehen<lb/>
und nur, wenn sie brutal werden, bringt sie der kräftig angewandte Kochlöffel<lb/>
oder das heiße Nührholz zur Ordnung zurück. Im Allgemeinen aber sind sie<lb/>
merkwürdig friedlich und anständig und gewähren denselben Genuß höherer Bildung<lb/>
und guter Sitten, wie die Thiere von feindseliger Art, die in einem Käfige beisammen<lb/>
zum Beschauen umhergeführt werden. Sie bilden nebenbei angenehme Gespielen<lb/>
für die Kinder, die mit ihnen sehr vertraut umgehe»; oft genug beschauen sich<lb/>
ein junger Jrländer und ein junges Schwein zugleich aus dem Fcnsterloche die Ge¬<lb/>
gend. &#x2014; Um die Beschreibung der innern Hütte zu vollenden, ist noch zu be¬<lb/>
merken, daß sie keine Decke, keinen Söller oder zweiten Stock hat, sondern daß<lb/>
der Dachraum mit dem unteren eine Einheit bildet. Das Baumaterial solcher<lb/>
Wohnungen ist so häusig und nahe, die Bauart ist so einfach und eine Hütte ist<lb/>
darum mit Hilfe 'einiger Nachbarn, die dazu für ein Glas Whiskey stets bereit<lb/>
sind, so schnell errichtet, daß der Jrländer, wenn er bei Auswanderung oder Um¬<lb/>
zug von ihr scheidet, nicht daran denkt, sie zu verkaufen oder abzubrechen, um<lb/>
etwa das Taugliche zu einem neuen Hanse zu verwenden, er läßt sie stehen, wie<lb/>
sie war und reißt etwa nur das. Dach herunter, um sich dabei zu guterletzt zu<lb/>
wärmen, oder ein kleines Freudenfeuer zu macheu. Aus diesem Grunde sind in<lb/>
einem nicht sehr großen Bezirke Hunderte solcher Ruinen zu sehen, die meist in<lb/>
den letzten Jahren verlasse» wurden, wo gegen zwei Millionen Jrländer ausge¬<lb/>
wandert sind. Das traurige und verlassene Ansehen zahlreicher Gegenden hat<lb/>
dadurch einen wahrhaft schauerlichen Charakter erhalten. &#x2014; Diese Wohnungen der<lb/>
Jrländer liegen fast immer einzeln, selten sind zwei, drei oder mehre beisammen,<lb/>
Dörfer kennt man in Irland nicht. Ihr äußerst elendes und dürftiges Aussehen<lb/>
wird dadurch erhöht, daß sie nackt dastehen, selten einen Baum in der Nähe ha¬<lb/>
ben, oft uicht einmal el» Gebüsch oder eine Hecke. Nur in meilenweiter Entfer¬<lb/>
nung sieht man einmal ein besseres, wenigstens weißes Pachterhanö oder die</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] Raumes die untergeordneten Bewohner mit ihren Bequemlichkeiten erblicken. Zwei aufrechte Stangen, von denen die eine dnrch einen sehr einfachen Mecha¬ nismus etwas nach der Seit verschoben werden kann, halten dort die Kuh, wenn «me solche vorhanden, in einer Art Schraubstock fest, so daß sich ihr Kopf vor, ihr übriger Körper hinter den Stangen befindet. Man spart so die KettF. Dieselbe Einrichtung, nur vollkommener, ist mich in den besseren Pächterwohnungen zu finden. Eine nicht angebundene Kuh in einem und demselben Raume mit Menschen würde auch nach der Ansicht des Irländers oft störend auf den Comfort wirken können, darum hält man sie durch zwei Stangen in Ordnung, von allen andern thierischen Hausge¬ nossen besorgt man nichts so Arges und läßt sie frei umhergehen. Ziege, Schwein, Schaf, Gans, Hund, Katze habe» zum Kochtopfe, zum Bette und allen andern Winkeln freien Zutritt und thun sich auch gar keinen Zwang an. Man kann sie oft, in der nngenirtesten Weise kreuz und quer rennend,- spielen und zanken sehen und nur, wenn sie brutal werden, bringt sie der kräftig angewandte Kochlöffel oder das heiße Nührholz zur Ordnung zurück. Im Allgemeinen aber sind sie merkwürdig friedlich und anständig und gewähren denselben Genuß höherer Bildung und guter Sitten, wie die Thiere von feindseliger Art, die in einem Käfige beisammen zum Beschauen umhergeführt werden. Sie bilden nebenbei angenehme Gespielen für die Kinder, die mit ihnen sehr vertraut umgehe»; oft genug beschauen sich ein junger Jrländer und ein junges Schwein zugleich aus dem Fcnsterloche die Ge¬ gend. — Um die Beschreibung der innern Hütte zu vollenden, ist noch zu be¬ merken, daß sie keine Decke, keinen Söller oder zweiten Stock hat, sondern daß der Dachraum mit dem unteren eine Einheit bildet. Das Baumaterial solcher Wohnungen ist so häusig und nahe, die Bauart ist so einfach und eine Hütte ist darum mit Hilfe 'einiger Nachbarn, die dazu für ein Glas Whiskey stets bereit sind, so schnell errichtet, daß der Jrländer, wenn er bei Auswanderung oder Um¬ zug von ihr scheidet, nicht daran denkt, sie zu verkaufen oder abzubrechen, um etwa das Taugliche zu einem neuen Hanse zu verwenden, er läßt sie stehen, wie sie war und reißt etwa nur das. Dach herunter, um sich dabei zu guterletzt zu wärmen, oder ein kleines Freudenfeuer zu macheu. Aus diesem Grunde sind in einem nicht sehr großen Bezirke Hunderte solcher Ruinen zu sehen, die meist in den letzten Jahren verlasse» wurden, wo gegen zwei Millionen Jrländer ausge¬ wandert sind. Das traurige und verlassene Ansehen zahlreicher Gegenden hat dadurch einen wahrhaft schauerlichen Charakter erhalten. — Diese Wohnungen der Jrländer liegen fast immer einzeln, selten sind zwei, drei oder mehre beisammen, Dörfer kennt man in Irland nicht. Ihr äußerst elendes und dürftiges Aussehen wird dadurch erhöht, daß sie nackt dastehen, selten einen Baum in der Nähe ha¬ ben, oft uicht einmal el» Gebüsch oder eine Hecke. Nur in meilenweiter Entfer¬ nung sieht man einmal ein besseres, wenigstens weißes Pachterhanö oder die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/15
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/15>, abgerufen am 22.07.2024.