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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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nes Lob Englands zu schmeicheln. Uebertroffe" fand ich meine Erwartung, in¬
sofern die Predigten, obwol oft breit, doch nie in jene salbadernde Trivialität
verfielen, die leider bei protestantischen Kanzelrcdnern eine nur allzuhäufige Eigen¬
schaft ist; vor diesen hatte er freilich'den Vortheil, bei seinen Zuhörern eine
höhere Bildung voraussetzen zu dürfen. Die Sprache war blühend und bilder¬
reich, doch im ganzen wol' nicht zu sehr; er verweilte besonders gern bei Schil¬
derungen und Gleichnissen, und diese wußte er oft aus Gebieten zu wählen, > die
für Engländer specielles Interesse haben. In ihrer Ausführung zeigte er Leben¬
digkeit und Farbenreichthum, überschritt zwar oft das Maß, wurde aber äußerst
selten geschmacklos. Ueber den Inhalt möge man nach dem folgenden Bericht
urtheilen, der bei den beiden letzten Predigten ans genauen Aufzeichnungen be¬
ruht, die ich nix gleich nachher gemacht habe.

" Die erste habe ich leider nnr sehr unvollständig gehört. Ihr Gegenstand,
die Größe und Heiligkeit Roms, gab dem Cardinal reichliche Gelegenheit, alle
Vorzüge seiner Beredtsamkeit glänzend zu entfalten. Auch hatte diese Predigt als
Einleitung zu den übrigen ain wenigsten specifisch geistlichen Charakter und glich
am meisten einem ernsten Vortrage, den man an ein gebildetes Publicum richtet.
Er verglich Rom mit den übrigen großen Städten Italiens, die seine Zuhörer
auf ihrer Reise gesehen haben würde", namentlich mit Venedig, Florenz und
Neapel, und jede von ihnen schilderte er lebhaft und glänzend. Aber keine könne
sich mit der ewigen Stadt vergleichen, deren Charakter vor allen übrigen Be¬
ständigkeit und UnVeränderlichkeit sei. Nun verbreitete er sich sehr ausführlich
über die Umwälzungen, die Europa und namentlich Italien in dem letzten Jahr-
zehent erfahren. Wer wie er Rom nach einer zwölfjährigen Abwesenheit wieder¬
sehe, hätte erwarten können, es völlig umgewandelt zu finden. Aber alles sei
wie es gewesen. Er ermahnte nun seiue Zuhörer (in^ dreldreri), sich uicht mit
einer äußerlichen Kenntniß von Rom zu begnügen. Wenn sie alle seine Ruinen
durchwandert, untersucht und gemessen, alles gesehen und sich zu eigen gemacht
was Pinsel und Meisel in alter und neuer Zeit Bewundernswürdiges geschaffen,
dann glaubten sie wol die Bedeutung Roms erkannt zu haben. Sie sollten
nach der Erkenntniß des geistigen Segens streben, den es zu bieten vermöge.
Wie jemand, der eine herrliche Gegend voll wunderbarer, nie gesehener Bäume
beträte, zuerst sich an ihrem Anblick erfreuen würde, dann aber einem andern,
der ihn belehrte, daß diese Bäwne auch Früchte trüge", die stärkende Nahrung
und kräftige Heilmittel enthielten, für diese Belehrung dankbar sein würde: so
würden auch seine Brüder seinen Rath nicht verschmähen.

Die zweite Predigt war die unbedeutendste von allen. An das Fest der
Empfängniß Mariä anknüpfend, das ans einen der nächsten Tage fiel, sprach er
von der Einrichtung der, katholischen Kirche, jeden Tag dem Andenken eines
Heiligen oder Märtyrers zu weihen. In einem viel zu weit ausgeführten Gleich-


nes Lob Englands zu schmeicheln. Uebertroffe» fand ich meine Erwartung, in¬
sofern die Predigten, obwol oft breit, doch nie in jene salbadernde Trivialität
verfielen, die leider bei protestantischen Kanzelrcdnern eine nur allzuhäufige Eigen¬
schaft ist; vor diesen hatte er freilich'den Vortheil, bei seinen Zuhörern eine
höhere Bildung voraussetzen zu dürfen. Die Sprache war blühend und bilder¬
reich, doch im ganzen wol' nicht zu sehr; er verweilte besonders gern bei Schil¬
derungen und Gleichnissen, und diese wußte er oft aus Gebieten zu wählen, > die
für Engländer specielles Interesse haben. In ihrer Ausführung zeigte er Leben¬
digkeit und Farbenreichthum, überschritt zwar oft das Maß, wurde aber äußerst
selten geschmacklos. Ueber den Inhalt möge man nach dem folgenden Bericht
urtheilen, der bei den beiden letzten Predigten ans genauen Aufzeichnungen be¬
ruht, die ich nix gleich nachher gemacht habe.

» Die erste habe ich leider nnr sehr unvollständig gehört. Ihr Gegenstand,
die Größe und Heiligkeit Roms, gab dem Cardinal reichliche Gelegenheit, alle
Vorzüge seiner Beredtsamkeit glänzend zu entfalten. Auch hatte diese Predigt als
Einleitung zu den übrigen ain wenigsten specifisch geistlichen Charakter und glich
am meisten einem ernsten Vortrage, den man an ein gebildetes Publicum richtet.
Er verglich Rom mit den übrigen großen Städten Italiens, die seine Zuhörer
auf ihrer Reise gesehen haben würde», namentlich mit Venedig, Florenz und
Neapel, und jede von ihnen schilderte er lebhaft und glänzend. Aber keine könne
sich mit der ewigen Stadt vergleichen, deren Charakter vor allen übrigen Be¬
ständigkeit und UnVeränderlichkeit sei. Nun verbreitete er sich sehr ausführlich
über die Umwälzungen, die Europa und namentlich Italien in dem letzten Jahr-
zehent erfahren. Wer wie er Rom nach einer zwölfjährigen Abwesenheit wieder¬
sehe, hätte erwarten können, es völlig umgewandelt zu finden. Aber alles sei
wie es gewesen. Er ermahnte nun seiue Zuhörer (in^ dreldreri), sich uicht mit
einer äußerlichen Kenntniß von Rom zu begnügen. Wenn sie alle seine Ruinen
durchwandert, untersucht und gemessen, alles gesehen und sich zu eigen gemacht
was Pinsel und Meisel in alter und neuer Zeit Bewundernswürdiges geschaffen,
dann glaubten sie wol die Bedeutung Roms erkannt zu haben. Sie sollten
nach der Erkenntniß des geistigen Segens streben, den es zu bieten vermöge.
Wie jemand, der eine herrliche Gegend voll wunderbarer, nie gesehener Bäume
beträte, zuerst sich an ihrem Anblick erfreuen würde, dann aber einem andern,
der ihn belehrte, daß diese Bäwne auch Früchte trüge», die stärkende Nahrung
und kräftige Heilmittel enthielten, für diese Belehrung dankbar sein würde: so
würden auch seine Brüder seinen Rath nicht verschmähen.

Die zweite Predigt war die unbedeutendste von allen. An das Fest der
Empfängniß Mariä anknüpfend, das ans einen der nächsten Tage fiel, sprach er
von der Einrichtung der, katholischen Kirche, jeden Tag dem Andenken eines
Heiligen oder Märtyrers zu weihen. In einem viel zu weit ausgeführten Gleich-


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[0148] nes Lob Englands zu schmeicheln. Uebertroffe» fand ich meine Erwartung, in¬ sofern die Predigten, obwol oft breit, doch nie in jene salbadernde Trivialität verfielen, die leider bei protestantischen Kanzelrcdnern eine nur allzuhäufige Eigen¬ schaft ist; vor diesen hatte er freilich'den Vortheil, bei seinen Zuhörern eine höhere Bildung voraussetzen zu dürfen. Die Sprache war blühend und bilder¬ reich, doch im ganzen wol' nicht zu sehr; er verweilte besonders gern bei Schil¬ derungen und Gleichnissen, und diese wußte er oft aus Gebieten zu wählen, > die für Engländer specielles Interesse haben. In ihrer Ausführung zeigte er Leben¬ digkeit und Farbenreichthum, überschritt zwar oft das Maß, wurde aber äußerst selten geschmacklos. Ueber den Inhalt möge man nach dem folgenden Bericht urtheilen, der bei den beiden letzten Predigten ans genauen Aufzeichnungen be¬ ruht, die ich nix gleich nachher gemacht habe. » Die erste habe ich leider nnr sehr unvollständig gehört. Ihr Gegenstand, die Größe und Heiligkeit Roms, gab dem Cardinal reichliche Gelegenheit, alle Vorzüge seiner Beredtsamkeit glänzend zu entfalten. Auch hatte diese Predigt als Einleitung zu den übrigen ain wenigsten specifisch geistlichen Charakter und glich am meisten einem ernsten Vortrage, den man an ein gebildetes Publicum richtet. Er verglich Rom mit den übrigen großen Städten Italiens, die seine Zuhörer auf ihrer Reise gesehen haben würde», namentlich mit Venedig, Florenz und Neapel, und jede von ihnen schilderte er lebhaft und glänzend. Aber keine könne sich mit der ewigen Stadt vergleichen, deren Charakter vor allen übrigen Be¬ ständigkeit und UnVeränderlichkeit sei. Nun verbreitete er sich sehr ausführlich über die Umwälzungen, die Europa und namentlich Italien in dem letzten Jahr- zehent erfahren. Wer wie er Rom nach einer zwölfjährigen Abwesenheit wieder¬ sehe, hätte erwarten können, es völlig umgewandelt zu finden. Aber alles sei wie es gewesen. Er ermahnte nun seiue Zuhörer (in^ dreldreri), sich uicht mit einer äußerlichen Kenntniß von Rom zu begnügen. Wenn sie alle seine Ruinen durchwandert, untersucht und gemessen, alles gesehen und sich zu eigen gemacht was Pinsel und Meisel in alter und neuer Zeit Bewundernswürdiges geschaffen, dann glaubten sie wol die Bedeutung Roms erkannt zu haben. Sie sollten nach der Erkenntniß des geistigen Segens streben, den es zu bieten vermöge. Wie jemand, der eine herrliche Gegend voll wunderbarer, nie gesehener Bäume beträte, zuerst sich an ihrem Anblick erfreuen würde, dann aber einem andern, der ihn belehrte, daß diese Bäwne auch Früchte trüge», die stärkende Nahrung und kräftige Heilmittel enthielten, für diese Belehrung dankbar sein würde: so würden auch seine Brüder seinen Rath nicht verschmähen. Die zweite Predigt war die unbedeutendste von allen. An das Fest der Empfängniß Mariä anknüpfend, das ans einen der nächsten Tage fiel, sprach er von der Einrichtung der, katholischen Kirche, jeden Tag dem Andenken eines Heiligen oder Märtyrers zu weihen. In einem viel zu weit ausgeführten Gleich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/148>, abgerufen am 22.07.2024.