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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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trotz ihrer Schwachheit Lohengrin liebt, so ist das, da es ohne Wirkung auf
die Handlung bleibt, eine leere Demonstration ohne dramatische Bedeutung.

Lohengrin befiehlt, die Leiche Telramunds vor den König zu bringen, auch
Elsa soll ihn dort erwarten. Der König hat den Heerbann um sich versammelt
und alle harren Lohengrins, er erscheint, um ihnen zu erklären, daß er sie
nicht ins Feld führen werde; er rechtfertigt Telramunds Tödtung, klagt Elsa
des gebrochenen Gelübdes an und verspricht ihre Frage zu beantworten. In
langer Rede setzt er auseinander, was es mit dem Gral für eine Bewandtniß
habe, daß Parzival der König des Gral und er sein Sohn Lohengrin sei.
Alle erstaunen und sind sie je "in selig süßem Grauen" gerührt gewesen, so
"entbrennt jetzt ihr Aug' in heil'gen Wonnezähren". Man hätte nun wol
Grund zu fragen, was diese lange Auseinandersetzung im Drama -- nicht für
den Zuschauer -- für eine Bedeutung habe, denn König Heinrich und seine
Leute bedurften doch über den Gral keiner Unterweisung; indessen freuen wir
uns schweigend der empfangenen Belehrung. Vergeblich suchen ihn alle zurück¬
zuhalten, dem Rufe des Gral darf er nicht ungehorsam sein, aber er prophezeit
König Heinrich Sieg. Und als nun der Schwan kommt ihn zu holen, da
erklärt er Elsa, daß in Jahresfrist der todtgewähnte Bruder wiederkommen
werde, für den er ihr Horn und Ring über-gibt; was ziemlich ungeschickt aus
der Sage herübergenommen ist, wo Lohengrin sie seinen Kindern als Angedenken
hinterläßt. Da tritt unerwartet Ortrud, auf und thut das ebenso unerwartete
Geständnis; -- man sieht nicht ein warum, aber es ist. gut, daß sie es noch
zu rechter Zeit thut -- der Schwan sei der von ihr verzauberte Bruder Elsas,
Gottfried, den Lohengrin erlöst haben würde, wenn er geblieben wäre; was
wieder sehr an die Confessionen Eglantinens in der Euryanthe erinnert. Als
Lohengrin das hört, betet er inbrünstig, eine weiße Taube senkt sich nieder,
freudig löst er dem Schwan die Kette; der taucht unter und statt seiner kommt
Gottfried von Brabant herauf, der seine Schwester freudig begrüßt. Elsa
aber, als sie Lohengrin im Nachen sich entfernen sieht, sinkt entseelt zu Boden,
Ortrud ist schon vorher mit einem Schrei zu Boden gestürzt, so bleibt nur der
gute König Heinrich mit dem gerührten Chor zurück.

Die Einmischung Gottfrieds, die schon im Eingange störend ist, wird es
noch vielmehr am Schluß, der anstatt eine Lösung oder Sühne des tra¬
gischen Conflicts zu bringen, unser Interesse auf einen Gegenstand richtet, welcher
der eigentlichen Handlung fremd ist. Was geht den Zuschauer, welchen Elsa
und Lohengrin beschäftigen, die Succession in Brabant an? Und nun gar der
ganze Zauber- und Verwandlungsapparat, wie aus der laterng, maKwa, wie
widerwärtig kindisch schließt er ein Drama, das die Prätension macht poetische
Aufgaben poetisch zu lösen!

Wir haben bereits gesehen, daß weder Telramund, noch Ortrud, noch


trotz ihrer Schwachheit Lohengrin liebt, so ist das, da es ohne Wirkung auf
die Handlung bleibt, eine leere Demonstration ohne dramatische Bedeutung.

Lohengrin befiehlt, die Leiche Telramunds vor den König zu bringen, auch
Elsa soll ihn dort erwarten. Der König hat den Heerbann um sich versammelt
und alle harren Lohengrins, er erscheint, um ihnen zu erklären, daß er sie
nicht ins Feld führen werde; er rechtfertigt Telramunds Tödtung, klagt Elsa
des gebrochenen Gelübdes an und verspricht ihre Frage zu beantworten. In
langer Rede setzt er auseinander, was es mit dem Gral für eine Bewandtniß
habe, daß Parzival der König des Gral und er sein Sohn Lohengrin sei.
Alle erstaunen und sind sie je „in selig süßem Grauen" gerührt gewesen, so
„entbrennt jetzt ihr Aug' in heil'gen Wonnezähren". Man hätte nun wol
Grund zu fragen, was diese lange Auseinandersetzung im Drama — nicht für
den Zuschauer — für eine Bedeutung habe, denn König Heinrich und seine
Leute bedurften doch über den Gral keiner Unterweisung; indessen freuen wir
uns schweigend der empfangenen Belehrung. Vergeblich suchen ihn alle zurück¬
zuhalten, dem Rufe des Gral darf er nicht ungehorsam sein, aber er prophezeit
König Heinrich Sieg. Und als nun der Schwan kommt ihn zu holen, da
erklärt er Elsa, daß in Jahresfrist der todtgewähnte Bruder wiederkommen
werde, für den er ihr Horn und Ring über-gibt; was ziemlich ungeschickt aus
der Sage herübergenommen ist, wo Lohengrin sie seinen Kindern als Angedenken
hinterläßt. Da tritt unerwartet Ortrud, auf und thut das ebenso unerwartete
Geständnis; — man sieht nicht ein warum, aber es ist. gut, daß sie es noch
zu rechter Zeit thut — der Schwan sei der von ihr verzauberte Bruder Elsas,
Gottfried, den Lohengrin erlöst haben würde, wenn er geblieben wäre; was
wieder sehr an die Confessionen Eglantinens in der Euryanthe erinnert. Als
Lohengrin das hört, betet er inbrünstig, eine weiße Taube senkt sich nieder,
freudig löst er dem Schwan die Kette; der taucht unter und statt seiner kommt
Gottfried von Brabant herauf, der seine Schwester freudig begrüßt. Elsa
aber, als sie Lohengrin im Nachen sich entfernen sieht, sinkt entseelt zu Boden,
Ortrud ist schon vorher mit einem Schrei zu Boden gestürzt, so bleibt nur der
gute König Heinrich mit dem gerührten Chor zurück.

Die Einmischung Gottfrieds, die schon im Eingange störend ist, wird es
noch vielmehr am Schluß, der anstatt eine Lösung oder Sühne des tra¬
gischen Conflicts zu bringen, unser Interesse auf einen Gegenstand richtet, welcher
der eigentlichen Handlung fremd ist. Was geht den Zuschauer, welchen Elsa
und Lohengrin beschäftigen, die Succession in Brabant an? Und nun gar der
ganze Zauber- und Verwandlungsapparat, wie aus der laterng, maKwa, wie
widerwärtig kindisch schließt er ein Drama, das die Prätension macht poetische
Aufgaben poetisch zu lösen!

Wir haben bereits gesehen, daß weder Telramund, noch Ortrud, noch


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[0104] trotz ihrer Schwachheit Lohengrin liebt, so ist das, da es ohne Wirkung auf die Handlung bleibt, eine leere Demonstration ohne dramatische Bedeutung. Lohengrin befiehlt, die Leiche Telramunds vor den König zu bringen, auch Elsa soll ihn dort erwarten. Der König hat den Heerbann um sich versammelt und alle harren Lohengrins, er erscheint, um ihnen zu erklären, daß er sie nicht ins Feld führen werde; er rechtfertigt Telramunds Tödtung, klagt Elsa des gebrochenen Gelübdes an und verspricht ihre Frage zu beantworten. In langer Rede setzt er auseinander, was es mit dem Gral für eine Bewandtniß habe, daß Parzival der König des Gral und er sein Sohn Lohengrin sei. Alle erstaunen und sind sie je „in selig süßem Grauen" gerührt gewesen, so „entbrennt jetzt ihr Aug' in heil'gen Wonnezähren". Man hätte nun wol Grund zu fragen, was diese lange Auseinandersetzung im Drama — nicht für den Zuschauer — für eine Bedeutung habe, denn König Heinrich und seine Leute bedurften doch über den Gral keiner Unterweisung; indessen freuen wir uns schweigend der empfangenen Belehrung. Vergeblich suchen ihn alle zurück¬ zuhalten, dem Rufe des Gral darf er nicht ungehorsam sein, aber er prophezeit König Heinrich Sieg. Und als nun der Schwan kommt ihn zu holen, da erklärt er Elsa, daß in Jahresfrist der todtgewähnte Bruder wiederkommen werde, für den er ihr Horn und Ring über-gibt; was ziemlich ungeschickt aus der Sage herübergenommen ist, wo Lohengrin sie seinen Kindern als Angedenken hinterläßt. Da tritt unerwartet Ortrud, auf und thut das ebenso unerwartete Geständnis; — man sieht nicht ein warum, aber es ist. gut, daß sie es noch zu rechter Zeit thut — der Schwan sei der von ihr verzauberte Bruder Elsas, Gottfried, den Lohengrin erlöst haben würde, wenn er geblieben wäre; was wieder sehr an die Confessionen Eglantinens in der Euryanthe erinnert. Als Lohengrin das hört, betet er inbrünstig, eine weiße Taube senkt sich nieder, freudig löst er dem Schwan die Kette; der taucht unter und statt seiner kommt Gottfried von Brabant herauf, der seine Schwester freudig begrüßt. Elsa aber, als sie Lohengrin im Nachen sich entfernen sieht, sinkt entseelt zu Boden, Ortrud ist schon vorher mit einem Schrei zu Boden gestürzt, so bleibt nur der gute König Heinrich mit dem gerührten Chor zurück. Die Einmischung Gottfrieds, die schon im Eingange störend ist, wird es noch vielmehr am Schluß, der anstatt eine Lösung oder Sühne des tra¬ gischen Conflicts zu bringen, unser Interesse auf einen Gegenstand richtet, welcher der eigentlichen Handlung fremd ist. Was geht den Zuschauer, welchen Elsa und Lohengrin beschäftigen, die Succession in Brabant an? Und nun gar der ganze Zauber- und Verwandlungsapparat, wie aus der laterng, maKwa, wie widerwärtig kindisch schließt er ein Drama, das die Prätension macht poetische Aufgaben poetisch zu lösen! Wir haben bereits gesehen, daß weder Telramund, noch Ortrud, noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/104>, abgerufen am 22.07.2024.