Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

universelle von Herrn Vicomte dArlincourt. Das soll eine legitimistische
Revue werden, die dem Herrn Vicomte einen Vormund zur Veröffentlichung
seiner abgeschmackten Artikel bieten soll. Ob jedoch eine zweite Nummer dieser
Revue erscheint, ist noch lange nicht ausgemacht.




Eine neue Schrift von Heine.

Die Revue de deur mondes (13, Sept. 1834) enthält unter dem Titel:
I.c-s avoux ä'un poste cle 1a nouvolle ^ULwiignv ein Fragment aus den Lebens¬
erinnerungen dieses Dichters, die, wie uns in einer Anmerkung mitgetheilt ist,
In der nächsten Zeit bei Hoffmann und Campe erscheinen und den ersten Band
der "Vermischten Schriften" ausmachen sollen. Der Herausgeber macht über
die Stellen, die er nicht mittheilt, die Bemerkung, daß Heine seinem Versprechen,
seine Zeitgenossen nicht zu schwarz zu malen, keineswegs treu geblieben ist, was
sich übrigens erwarten ließ.

Zierlich genug ist auch dieses kleine Fragment wieder geschrieben, aber
wenigstens auf uns macht jene neue Schrift Heines einen immer widerwärtigern
Eindruck. Es sind nicht allein die Zoten, die einige Mal sehr stark auftreten,
was uns anstößig erscheint, sondern vor allem die Koketterie mit seiner eignen
Schwäche. Heine hat dafür gesorgt, das deutsche Publicum von den Fort¬
schritten seiner Krankheit regelmäßig in Kenntniß zu setzen, und sämmtliche
deutsche Touristen haben sich beeifert, ihm darin behilflich zu sein. Auch dies
Mal theilt er ein Bulletin aus, und zwar erfahren wir dies Mal mit einiger
Verwunderung, daß es nach der Aussage seiner Aerzte damit nicht so sehr viel
auf sich hat, nur daß es ihn ans Bette fesselt. Nun ist es zwar sehr viel
verständiger und schicklicher über seine Hilflosigkeit zu spötteln als darüber zu
jammern, aber es gehört doch eine eigne Freude am Häßlichen dazu, um
ohne Aufhören seinen guten Freunden seine Blößen aufzudecken^ Am wider¬
wärtigsten ist für uns die Art und Weise, wie er die Religion in diese Kranken¬
geschichte hineinmischt. Er vertheidigt sich in dem vorliegenden Aufsatz gegen
die Behauptung, die Gott weiß wer aufgestellt hat, als ob er jetzt ein pietistischer
Frömmler oder ein Katholik geworden sei. Im Gegentheil: wir glauben, daß jeder
echte Christ über die Art und Weise, wie er jetzt mit seinem lieben Gott umgeht,
viel mehr empört sein wird als über seine frühere Frivolität. Denn den lie¬
ben Gott in feinen eignen Schmuz herabzuziehen und ihn zu behandeln wie
einen Bruder in der Liederlichkeit, ist gewiß noch viel frecher und ruchloser als
ihn zu leugnen oder ihn zu lästern.

Wir glauben nicht, daß Heines Religiosität sich wesentlich geant'ert hät^


g"

universelle von Herrn Vicomte dArlincourt. Das soll eine legitimistische
Revue werden, die dem Herrn Vicomte einen Vormund zur Veröffentlichung
seiner abgeschmackten Artikel bieten soll. Ob jedoch eine zweite Nummer dieser
Revue erscheint, ist noch lange nicht ausgemacht.




Eine neue Schrift von Heine.

Die Revue de deur mondes (13, Sept. 1834) enthält unter dem Titel:
I.c-s avoux ä'un poste cle 1a nouvolle ^ULwiignv ein Fragment aus den Lebens¬
erinnerungen dieses Dichters, die, wie uns in einer Anmerkung mitgetheilt ist,
In der nächsten Zeit bei Hoffmann und Campe erscheinen und den ersten Band
der „Vermischten Schriften" ausmachen sollen. Der Herausgeber macht über
die Stellen, die er nicht mittheilt, die Bemerkung, daß Heine seinem Versprechen,
seine Zeitgenossen nicht zu schwarz zu malen, keineswegs treu geblieben ist, was
sich übrigens erwarten ließ.

Zierlich genug ist auch dieses kleine Fragment wieder geschrieben, aber
wenigstens auf uns macht jene neue Schrift Heines einen immer widerwärtigern
Eindruck. Es sind nicht allein die Zoten, die einige Mal sehr stark auftreten,
was uns anstößig erscheint, sondern vor allem die Koketterie mit seiner eignen
Schwäche. Heine hat dafür gesorgt, das deutsche Publicum von den Fort¬
schritten seiner Krankheit regelmäßig in Kenntniß zu setzen, und sämmtliche
deutsche Touristen haben sich beeifert, ihm darin behilflich zu sein. Auch dies
Mal theilt er ein Bulletin aus, und zwar erfahren wir dies Mal mit einiger
Verwunderung, daß es nach der Aussage seiner Aerzte damit nicht so sehr viel
auf sich hat, nur daß es ihn ans Bette fesselt. Nun ist es zwar sehr viel
verständiger und schicklicher über seine Hilflosigkeit zu spötteln als darüber zu
jammern, aber es gehört doch eine eigne Freude am Häßlichen dazu, um
ohne Aufhören seinen guten Freunden seine Blößen aufzudecken^ Am wider¬
wärtigsten ist für uns die Art und Weise, wie er die Religion in diese Kranken¬
geschichte hineinmischt. Er vertheidigt sich in dem vorliegenden Aufsatz gegen
die Behauptung, die Gott weiß wer aufgestellt hat, als ob er jetzt ein pietistischer
Frömmler oder ein Katholik geworden sei. Im Gegentheil: wir glauben, daß jeder
echte Christ über die Art und Weise, wie er jetzt mit seinem lieben Gott umgeht,
viel mehr empört sein wird als über seine frühere Frivolität. Denn den lie¬
ben Gott in feinen eignen Schmuz herabzuziehen und ihn zu behandeln wie
einen Bruder in der Liederlichkeit, ist gewiß noch viel frecher und ruchloser als
ihn zu leugnen oder ihn zu lästern.

Wir glauben nicht, daß Heines Religiosität sich wesentlich geant'ert hät^


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0075" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98389"/>
          <p xml:id="ID_199" prev="#ID_198"> universelle von Herrn Vicomte dArlincourt. Das soll eine legitimistische<lb/>
Revue werden, die dem Herrn Vicomte einen Vormund zur Veröffentlichung<lb/>
seiner abgeschmackten Artikel bieten soll. Ob jedoch eine zweite Nummer dieser<lb/>
Revue erscheint, ist noch lange nicht ausgemacht.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Eine neue Schrift von Heine.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_200"> Die Revue de deur mondes (13, Sept. 1834) enthält unter dem Titel:<lb/>
I.c-s avoux ä'un poste cle 1a nouvolle ^ULwiignv ein Fragment aus den Lebens¬<lb/>
erinnerungen dieses Dichters, die, wie uns in einer Anmerkung mitgetheilt ist,<lb/>
In der nächsten Zeit bei Hoffmann und Campe erscheinen und den ersten Band<lb/>
der &#x201E;Vermischten Schriften" ausmachen sollen. Der Herausgeber macht über<lb/>
die Stellen, die er nicht mittheilt, die Bemerkung, daß Heine seinem Versprechen,<lb/>
seine Zeitgenossen nicht zu schwarz zu malen, keineswegs treu geblieben ist, was<lb/>
sich übrigens erwarten ließ.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_201"> Zierlich genug ist auch dieses kleine Fragment wieder geschrieben, aber<lb/>
wenigstens auf uns macht jene neue Schrift Heines einen immer widerwärtigern<lb/>
Eindruck. Es sind nicht allein die Zoten, die einige Mal sehr stark auftreten,<lb/>
was uns anstößig erscheint, sondern vor allem die Koketterie mit seiner eignen<lb/>
Schwäche. Heine hat dafür gesorgt, das deutsche Publicum von den Fort¬<lb/>
schritten seiner Krankheit regelmäßig in Kenntniß zu setzen, und sämmtliche<lb/>
deutsche Touristen haben sich beeifert, ihm darin behilflich zu sein. Auch dies<lb/>
Mal theilt er ein Bulletin aus, und zwar erfahren wir dies Mal mit einiger<lb/>
Verwunderung, daß es nach der Aussage seiner Aerzte damit nicht so sehr viel<lb/>
auf sich hat, nur daß es ihn ans Bette fesselt. Nun ist es zwar sehr viel<lb/>
verständiger und schicklicher über seine Hilflosigkeit zu spötteln als darüber zu<lb/>
jammern, aber es gehört doch eine eigne Freude am Häßlichen dazu, um<lb/>
ohne Aufhören seinen guten Freunden seine Blößen aufzudecken^ Am wider¬<lb/>
wärtigsten ist für uns die Art und Weise, wie er die Religion in diese Kranken¬<lb/>
geschichte hineinmischt. Er vertheidigt sich in dem vorliegenden Aufsatz gegen<lb/>
die Behauptung, die Gott weiß wer aufgestellt hat, als ob er jetzt ein pietistischer<lb/>
Frömmler oder ein Katholik geworden sei. Im Gegentheil: wir glauben, daß jeder<lb/>
echte Christ über die Art und Weise, wie er jetzt mit seinem lieben Gott umgeht,<lb/>
viel mehr empört sein wird als über seine frühere Frivolität. Denn den lie¬<lb/>
ben Gott in feinen eignen Schmuz herabzuziehen und ihn zu behandeln wie<lb/>
einen Bruder in der Liederlichkeit, ist gewiß noch viel frecher und ruchloser als<lb/>
ihn zu leugnen oder ihn zu lästern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_202" next="#ID_203"> Wir glauben nicht, daß Heines Religiosität sich wesentlich geant'ert hät^</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"></fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0075] universelle von Herrn Vicomte dArlincourt. Das soll eine legitimistische Revue werden, die dem Herrn Vicomte einen Vormund zur Veröffentlichung seiner abgeschmackten Artikel bieten soll. Ob jedoch eine zweite Nummer dieser Revue erscheint, ist noch lange nicht ausgemacht. Eine neue Schrift von Heine. Die Revue de deur mondes (13, Sept. 1834) enthält unter dem Titel: I.c-s avoux ä'un poste cle 1a nouvolle ^ULwiignv ein Fragment aus den Lebens¬ erinnerungen dieses Dichters, die, wie uns in einer Anmerkung mitgetheilt ist, In der nächsten Zeit bei Hoffmann und Campe erscheinen und den ersten Band der „Vermischten Schriften" ausmachen sollen. Der Herausgeber macht über die Stellen, die er nicht mittheilt, die Bemerkung, daß Heine seinem Versprechen, seine Zeitgenossen nicht zu schwarz zu malen, keineswegs treu geblieben ist, was sich übrigens erwarten ließ. Zierlich genug ist auch dieses kleine Fragment wieder geschrieben, aber wenigstens auf uns macht jene neue Schrift Heines einen immer widerwärtigern Eindruck. Es sind nicht allein die Zoten, die einige Mal sehr stark auftreten, was uns anstößig erscheint, sondern vor allem die Koketterie mit seiner eignen Schwäche. Heine hat dafür gesorgt, das deutsche Publicum von den Fort¬ schritten seiner Krankheit regelmäßig in Kenntniß zu setzen, und sämmtliche deutsche Touristen haben sich beeifert, ihm darin behilflich zu sein. Auch dies Mal theilt er ein Bulletin aus, und zwar erfahren wir dies Mal mit einiger Verwunderung, daß es nach der Aussage seiner Aerzte damit nicht so sehr viel auf sich hat, nur daß es ihn ans Bette fesselt. Nun ist es zwar sehr viel verständiger und schicklicher über seine Hilflosigkeit zu spötteln als darüber zu jammern, aber es gehört doch eine eigne Freude am Häßlichen dazu, um ohne Aufhören seinen guten Freunden seine Blößen aufzudecken^ Am wider¬ wärtigsten ist für uns die Art und Weise, wie er die Religion in diese Kranken¬ geschichte hineinmischt. Er vertheidigt sich in dem vorliegenden Aufsatz gegen die Behauptung, die Gott weiß wer aufgestellt hat, als ob er jetzt ein pietistischer Frömmler oder ein Katholik geworden sei. Im Gegentheil: wir glauben, daß jeder echte Christ über die Art und Weise, wie er jetzt mit seinem lieben Gott umgeht, viel mehr empört sein wird als über seine frühere Frivolität. Denn den lie¬ ben Gott in feinen eignen Schmuz herabzuziehen und ihn zu behandeln wie einen Bruder in der Liederlichkeit, ist gewiß noch viel frecher und ruchloser als ihn zu leugnen oder ihn zu lästern. Wir glauben nicht, daß Heines Religiosität sich wesentlich geant'ert hät^ g»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/75
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/75>, abgerufen am 22.07.2024.