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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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einfache, klare und sachgemäße Darstellung des Thatbestandes ist für Goethe
die beste Apologie. Ueberhaupt wird die Polemik gegen Goethe immer mehr
in den Hintergrund treten, da das, waS man trotz aller Verehrung an ihm
bekämpfen mußte, nicht mehr unmittelbar in die Bestrebungen unsrer Zeit
eingreift. --

Die Schrift über Lessings Nathan ist ein sehr fleißig und sorgfältig ge¬
schriebener Commentar, der einzelne recht feine Bemerkungen enthält und dem
wir nur etwas mehr Präcision gewünscht hätten; indeß die Bestimmung des
Werks, ein Lesebuch für Schulen zu sein, wird durch diese Weitschweifigkeit
nicht beeinträchtigt. Denn der Schüler ist leicht zu flüchtiger Lectüre geneigt,
wo anscheinend die Sache keine Schwierigkeiten bietet, und es ist daher sehr
heilsam, ihn umständlich aus alle die einzelnen Vorzüge aufmerksam zu ma¬
chen, wenn auch der Anschein der Pedanterie nicht ganz vermieden wird, und
zu einem ausführlichen Commentar für Schulen eignet sich wol selten ein
deutsches Werk so sehr, als dieses Meisterstück Lessings, dessen sittlich-religiöser
Inhalt grade in unsren Tagen wieder von neuem aufs lebhafteste eingeschärft
werden sollte. --

Die Shakspcarcausgabe von Delius schreitet rüstig vorwärts. Drei der
bedeutendsten Stücke sind nun dem Publicum bereits vorgelegt, um den gro¬
ßen Dichter, den wir seit der Schlegelschen Uebersetzung fast als einen der
unsrigen betrachten können, auch in seiner ursprünglichen Gestalt bewnnder"
zu lassen. Die Tendenz der Ausgabe haben wir schon bei der frühern An¬
zeige angedeutet. Herr Delius bezweckt ausschließlich eine kritische Ausgabe,
welche den Text, so gut es nach den gegebenen Mitteln möglich ist, sicher¬
stellt und dem modernen Leser die Archaismen, die kühnem poetischen Wen-
dungen und die Beziehungen auf unbekannte Gegenstände erklärt. Einen
ästhetischen Commentar zu geben lag außerhalb seiner Absicht, und wir kön¬
nen damit nur einverstanden sein, denn in Beziehung darauf ist in Deutsch¬
land schon mehr als genug geleistet. Jedes Stück wird eingeleitet durch eine
Feststellung der ursprünglichen Ausgaben und durch eine Angabe der Quellen.
Zum Schluß wird jedes Mal der alte Corrector Colliers beleuchtet. Was den
letztern betrifft, so müssen wir zugestehen, daß die Auseinandersetzungen von
Delius uns überzeugt haben und daß wir von der Ansicht, in jenen Verbes¬
serungen etwas Anderes zu sehen, als Conjecturen, abgehen müssen. Delius
hat nachgewiesen, daß der alte Corrector selbst die vorhandenen Quellen sehr
leichtsinnig benutzt und seiner eignen Ueberzeugung von dem, was schön und
poetisch ist, mehr Raum gegeben hat, als dem wirklichen Studium der Sprache
des Dichters. -- In den Anmerkungen bemüht sich Herr Delius, zu dem
einfachsten Sinn zurückzukehren. Er kommt darin häufig, ohne es auszuspre¬
chen, in Conflict mit Tieck, der seinem unbestreitbaren Scharfsinn häusig die


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einfache, klare und sachgemäße Darstellung des Thatbestandes ist für Goethe
die beste Apologie. Ueberhaupt wird die Polemik gegen Goethe immer mehr
in den Hintergrund treten, da das, waS man trotz aller Verehrung an ihm
bekämpfen mußte, nicht mehr unmittelbar in die Bestrebungen unsrer Zeit
eingreift. —

Die Schrift über Lessings Nathan ist ein sehr fleißig und sorgfältig ge¬
schriebener Commentar, der einzelne recht feine Bemerkungen enthält und dem
wir nur etwas mehr Präcision gewünscht hätten; indeß die Bestimmung des
Werks, ein Lesebuch für Schulen zu sein, wird durch diese Weitschweifigkeit
nicht beeinträchtigt. Denn der Schüler ist leicht zu flüchtiger Lectüre geneigt,
wo anscheinend die Sache keine Schwierigkeiten bietet, und es ist daher sehr
heilsam, ihn umständlich aus alle die einzelnen Vorzüge aufmerksam zu ma¬
chen, wenn auch der Anschein der Pedanterie nicht ganz vermieden wird, und
zu einem ausführlichen Commentar für Schulen eignet sich wol selten ein
deutsches Werk so sehr, als dieses Meisterstück Lessings, dessen sittlich-religiöser
Inhalt grade in unsren Tagen wieder von neuem aufs lebhafteste eingeschärft
werden sollte. —

Die Shakspcarcausgabe von Delius schreitet rüstig vorwärts. Drei der
bedeutendsten Stücke sind nun dem Publicum bereits vorgelegt, um den gro¬
ßen Dichter, den wir seit der Schlegelschen Uebersetzung fast als einen der
unsrigen betrachten können, auch in seiner ursprünglichen Gestalt bewnnder»
zu lassen. Die Tendenz der Ausgabe haben wir schon bei der frühern An¬
zeige angedeutet. Herr Delius bezweckt ausschließlich eine kritische Ausgabe,
welche den Text, so gut es nach den gegebenen Mitteln möglich ist, sicher¬
stellt und dem modernen Leser die Archaismen, die kühnem poetischen Wen-
dungen und die Beziehungen auf unbekannte Gegenstände erklärt. Einen
ästhetischen Commentar zu geben lag außerhalb seiner Absicht, und wir kön¬
nen damit nur einverstanden sein, denn in Beziehung darauf ist in Deutsch¬
land schon mehr als genug geleistet. Jedes Stück wird eingeleitet durch eine
Feststellung der ursprünglichen Ausgaben und durch eine Angabe der Quellen.
Zum Schluß wird jedes Mal der alte Corrector Colliers beleuchtet. Was den
letztern betrifft, so müssen wir zugestehen, daß die Auseinandersetzungen von
Delius uns überzeugt haben und daß wir von der Ansicht, in jenen Verbes¬
serungen etwas Anderes zu sehen, als Conjecturen, abgehen müssen. Delius
hat nachgewiesen, daß der alte Corrector selbst die vorhandenen Quellen sehr
leichtsinnig benutzt und seiner eignen Ueberzeugung von dem, was schön und
poetisch ist, mehr Raum gegeben hat, als dem wirklichen Studium der Sprache
des Dichters. — In den Anmerkungen bemüht sich Herr Delius, zu dem
einfachsten Sinn zurückzukehren. Er kommt darin häufig, ohne es auszuspre¬
chen, in Conflict mit Tieck, der seinem unbestreitbaren Scharfsinn häusig die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/513>, abgerufen am 29.12.2024.