Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.dem schönen Geschlecht zu thun. Zuerst werden in einer Sammlung die sämmt¬ Wir glaubten hier schließen zu können, aber es drängen sich immer mehr dem schönen Geschlecht zu thun. Zuerst werden in einer Sammlung die sämmt¬ Wir glaubten hier schließen zu können, aber es drängen sich immer mehr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98825"/> <p xml:id="ID_1631" prev="#ID_1630"> dem schönen Geschlecht zu thun. Zuerst werden in einer Sammlung die sämmt¬<lb/> lichen Damen der Weltgeschichte besungen, von Semiramis und Zenobia bis<lb/> zu Louise Brachmann und Frau Silberlind, und wir sehen mit Vergnügen, daß<lb/> über die schönere Hälfte der Menschheit seit geraumer Zeit sehr viel Artiges<lb/> gesagt worden ist. Wir wollen daher diesen guten Eindruck auch nicht stören,<lb/> wir wollen über den eigenthümlichen Stil der Madame Edwygrau jede respect¬<lb/> widrige Bemerkung unterdrücken, wir wollen bei der dritten Auflage der Frau<lb/> von Mühlenfels ebensowenig auf das Gegentheil hinweisen, daß nämlich nicht<lb/> übertrieben viel Eigenthümliches darin zu finden ist, und wir wollen nur noch<lb/> mit lebhafter Theilnahme auf die sehr zarten und duftigen Waldmärchen hin¬<lb/> weisen, deren Stimmung uns erfrischt und erfreut hat. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1632" next="#ID_1633"> Wir glaubten hier schließen zu können, aber es drängen sich immer mehr<lb/> neue Erscheinungen zusammen. — Die neue Ausgabe von Strachwitz ist vor¬<lb/> trefflich ausgestattet, über den Dichter selbst haben wir uns schon ausgesprochen.<lb/> — Die lyrischen Kleinigkeiten verdienen, auch abgesehen von dem wohlthätigen<lb/> Zweck, den Beifall des Publicums; sie sind bescheiden und gemüthlich. — Mehr<lb/> Ansprüche machen die Gedichte von Verend. Sie sind vom modernsten Stil,<lb/> voller Zorn und Weltschmerz, aber ohne bedeutenden Gehalt. — Das Gedicht<lb/> über Christus ist gut gemeint und ungefähr in der Weise von Witschels Mor¬<lb/> gen- und Abendopfern ausgeführt. — Eine gute Gesinnung spricht sich in dem<lb/> vaterländischen Gedicht über Preußen aus. Ein eigentlich plastisches Talent besitzt<lb/> der Verfasser nicht. — Von den beiden letztgenannten Gedichten, dem Rosenmärchen<lb/> und der Liande, könnten wir weiter nichts sagen, als daß sie in der beliebten Blu¬<lb/> men- und Elfenmanier recht artig und sauber ausgeführt sind, wenn wir nicht<lb/> noch ein paar Worte über den Verfasser sagen müßten. Herr Julius Schanz<lb/> kam, wenn wir nicht irren, kurz vor Ausbruch der Revolution nach Leipzig und<lb/> trat als Dichter zuerst im Charivari von Oettinger auf, mit Epigrammen, in<lb/> denen unter andern der Redacteur jener Zeitschrift als ein sehr seiner und<lb/> scharfsinniger Kopf gerühmt wurde. Nebenbei stand er an der Spitze einer<lb/> Burschenschaft und schwärmte für die rothe Republik und die Guillotine. Im<lb/> weiteren Verlauf der Begebenheiten betheiligte er sich an der Empörung in<lb/> Dresden und wurde infolge dessen gefänglich eingezogen. Nach einiger Zeit<lb/> erschien von ihm ein Gedicht an den König von Sachsen, den er anflehte, ihn<lb/> wegen seiner Jugend zu schonen. Kurze Zeit darauf verbreitete sich das Ge¬<lb/> rücht, daß der Dichter sich dieser Schonung durch Denunciationen gegen seine<lb/> früheren Verbündeten würdig zu machen suche, und sehr bald erschienen auch<lb/> diese Denunciationen in der Freimüthigen Sachsenzeitung ungefähr im Stil<lb/> des Herrn Ohm in Berlin; ja es kommen Dinge darin vor, die zu erfinden<lb/> selbst die Phantasie eines E. Sue nicht ausreichend gewesen wäre. — Daß ein<lb/> Verschwörer sich bekehrt, ist ein wünschenswerthes Factum; daß er seine Reue</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0511]
dem schönen Geschlecht zu thun. Zuerst werden in einer Sammlung die sämmt¬
lichen Damen der Weltgeschichte besungen, von Semiramis und Zenobia bis
zu Louise Brachmann und Frau Silberlind, und wir sehen mit Vergnügen, daß
über die schönere Hälfte der Menschheit seit geraumer Zeit sehr viel Artiges
gesagt worden ist. Wir wollen daher diesen guten Eindruck auch nicht stören,
wir wollen über den eigenthümlichen Stil der Madame Edwygrau jede respect¬
widrige Bemerkung unterdrücken, wir wollen bei der dritten Auflage der Frau
von Mühlenfels ebensowenig auf das Gegentheil hinweisen, daß nämlich nicht
übertrieben viel Eigenthümliches darin zu finden ist, und wir wollen nur noch
mit lebhafter Theilnahme auf die sehr zarten und duftigen Waldmärchen hin¬
weisen, deren Stimmung uns erfrischt und erfreut hat. —
Wir glaubten hier schließen zu können, aber es drängen sich immer mehr
neue Erscheinungen zusammen. — Die neue Ausgabe von Strachwitz ist vor¬
trefflich ausgestattet, über den Dichter selbst haben wir uns schon ausgesprochen.
— Die lyrischen Kleinigkeiten verdienen, auch abgesehen von dem wohlthätigen
Zweck, den Beifall des Publicums; sie sind bescheiden und gemüthlich. — Mehr
Ansprüche machen die Gedichte von Verend. Sie sind vom modernsten Stil,
voller Zorn und Weltschmerz, aber ohne bedeutenden Gehalt. — Das Gedicht
über Christus ist gut gemeint und ungefähr in der Weise von Witschels Mor¬
gen- und Abendopfern ausgeführt. — Eine gute Gesinnung spricht sich in dem
vaterländischen Gedicht über Preußen aus. Ein eigentlich plastisches Talent besitzt
der Verfasser nicht. — Von den beiden letztgenannten Gedichten, dem Rosenmärchen
und der Liande, könnten wir weiter nichts sagen, als daß sie in der beliebten Blu¬
men- und Elfenmanier recht artig und sauber ausgeführt sind, wenn wir nicht
noch ein paar Worte über den Verfasser sagen müßten. Herr Julius Schanz
kam, wenn wir nicht irren, kurz vor Ausbruch der Revolution nach Leipzig und
trat als Dichter zuerst im Charivari von Oettinger auf, mit Epigrammen, in
denen unter andern der Redacteur jener Zeitschrift als ein sehr seiner und
scharfsinniger Kopf gerühmt wurde. Nebenbei stand er an der Spitze einer
Burschenschaft und schwärmte für die rothe Republik und die Guillotine. Im
weiteren Verlauf der Begebenheiten betheiligte er sich an der Empörung in
Dresden und wurde infolge dessen gefänglich eingezogen. Nach einiger Zeit
erschien von ihm ein Gedicht an den König von Sachsen, den er anflehte, ihn
wegen seiner Jugend zu schonen. Kurze Zeit darauf verbreitete sich das Ge¬
rücht, daß der Dichter sich dieser Schonung durch Denunciationen gegen seine
früheren Verbündeten würdig zu machen suche, und sehr bald erschienen auch
diese Denunciationen in der Freimüthigen Sachsenzeitung ungefähr im Stil
des Herrn Ohm in Berlin; ja es kommen Dinge darin vor, die zu erfinden
selbst die Phantasie eines E. Sue nicht ausreichend gewesen wäre. — Daß ein
Verschwörer sich bekehrt, ist ein wünschenswerthes Factum; daß er seine Reue
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