Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.nicht besser sagen, und es wäre der Niendorfschen Schreibart zu wünschen gewesen, Diese Halle an die ist nicht grade derjenige Bau von Paris, welcher die nicht besser sagen, und es wäre der Niendorfschen Schreibart zu wünschen gewesen, Diese Halle an die ist nicht grade derjenige Bau von Paris, welcher die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98788"/> <p xml:id="ID_1510" prev="#ID_1509"> nicht besser sagen, und es wäre der Niendorfschen Schreibart zu wünschen gewesen,<lb/> sie hätte sich das Recept der Schlichtheit gemerkt. Aber da erinnert sie sich an<lb/> den Vorwurf, den irgendein Franzose den deutschen Romanen und Novellen gemacht:<lb/> „cjuk cela n« mgrelio pus" und sie überstürzt sich, in ihren Epitctcn charakteristisch<lb/> sein wollender Phrasen und Maximen, so daß sie sich häufig bis zur Unverständlich-<lb/> keit, zuweilen zu baarem Unsinn verrennt. Ihr Stil gemahnt mich an eine komische<lb/> Figur in Hoppcs „Doctor Fausts Hauskäppchcn", die sich in ähnlicher Weise aus¬<lb/> drückt. „Hereinkunft des Vaters — Ueberraschung — Furcht — Fußfall — Reue<lb/> — Verzeihung — Heirath — Tableau." Dieser Stil paßt allerdings zu der<lb/> krankhaften Hast, mit der sich die Verfasserin auf alles stürzt, was von ihren Vor¬<lb/> gängern und Vorgängerinnen als sehenswerth bezeichnet wird. Wäre es aber<lb/> nicht besser gewesen, weniger mit mehr Aufmerksamkeit und gründlicher zu sehen,<lb/> als Paris so zu durchbrausen, wie ein Engländer den Louvre durchrast, ohne mehr<lb/> als die Namen der berühmten Maler von den Wänden hcrnnterzulcsen? Diese<lb/> Hast spricht sich fast in allen Abtheilungen aus — die Verfasserin findet selten<lb/> Ruhe bei einem Gegenstande, auch nur bei einem Spaziergange, sie wirft vieles<lb/> durcheinander und wer einen Plan von Paris zur Hand nimmt und ihren Wan¬<lb/> derungen folgt, der kann sich überzeugen, welch unrichtiges Bild er von der Topo¬<lb/> graphie von Paris erhält — wer Paris kennt, wird bei manchen Gelegenheiten<lb/> dieselbe Verwirrung auch in der Anschauung vom geistigen Paris finden. Von<lb/> dem Börsenplätze bis zur Jean Jacques Ronsseaugasse ist lauge nicht der größte<lb/> Sprung, den die flinke Dame gemacht. Was hat das aber sür einen Sinn, welcher<lb/> geistige Zusammenhang ist zwischen dem, was sie über die so ganz ohne Uebergang<lb/> berührten Punkte der Stadt sagt? „Die Halle an M fordert einen Blick mit<lb/> ihren Ausgängen nach vier Seiten...... Hier errichtete König Johann das<lb/> Hütet des Nesle, schenkte es Ludwig IX., welcher es seiner Mutter, der Königin<lb/> Blanche, überließ. Im Besitze des Johann von Luxemburg, Böhmens König,<lb/> hieß es Hotel de Bohvme. Ludwig XII. verwandelte es in ein Kloster der Büßerin¬<lb/> nen, bis es durch päpstliche Bulle von einem Palaste der Katharina von Medicis<lb/> verdrängt, Hotel de la reine, bei deren Ableben an Karl Bourbon, Sohn des Prinzen<lb/> von Conti, verkauft, Hotel de Soissons genannt. Nur eine dorische Säule an der<lb/> Südmaucr blieb übrig. So find die meisten Erinnerungen von Paris nur mehr<lb/> auf dem Papiere. Wie der Landmann seinen Acker, pflügt die Geschichte diesen<lb/> Boden immer von neuem um."</p><lb/> <p xml:id="ID_1511" next="#ID_1512"> Diese Halle an die ist nicht grade derjenige Bau von Paris, welcher die<lb/> merkwürdigsten Schicksale erlebt hat, wenn aber seine Geschichte erzählt wird,<lb/> so verlangten wir doch mindestens eben die Ausführlichkeit, mit welcher uns die<lb/> Reise nach den beiden Wohnungen oder die Speisekarte vom Restaurant du Havre,<lb/> oder der Geisterabend und der elektrische Seecapitän beschrieben wird. Der Leser<lb/> mag selbst urtheilen, ob es fich der Mühe lohnte. Ich weiß nicht, von wem es<lb/> erbaut wurde. Genug, im Jahre 1230 war es im Besitze des Burgherrn von<lb/> Brügge, Johann II., Seigneur de Nesle. Später schenkte er es dem heiligen Ludwig<lb/> und dessen Mutter, der Königin Blanche, welche im Jahre 12S2 daselbst starb.<lb/> 1327 verkaufte Philippe von Valois es an den Lützelburger Johann, der es<lb/> lange Zeit bewohnte und nach ihm hieß es Bvhüme oder Buhaigne. Im vier-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
nicht besser sagen, und es wäre der Niendorfschen Schreibart zu wünschen gewesen,
sie hätte sich das Recept der Schlichtheit gemerkt. Aber da erinnert sie sich an
den Vorwurf, den irgendein Franzose den deutschen Romanen und Novellen gemacht:
„cjuk cela n« mgrelio pus" und sie überstürzt sich, in ihren Epitctcn charakteristisch
sein wollender Phrasen und Maximen, so daß sie sich häufig bis zur Unverständlich-
keit, zuweilen zu baarem Unsinn verrennt. Ihr Stil gemahnt mich an eine komische
Figur in Hoppcs „Doctor Fausts Hauskäppchcn", die sich in ähnlicher Weise aus¬
drückt. „Hereinkunft des Vaters — Ueberraschung — Furcht — Fußfall — Reue
— Verzeihung — Heirath — Tableau." Dieser Stil paßt allerdings zu der
krankhaften Hast, mit der sich die Verfasserin auf alles stürzt, was von ihren Vor¬
gängern und Vorgängerinnen als sehenswerth bezeichnet wird. Wäre es aber
nicht besser gewesen, weniger mit mehr Aufmerksamkeit und gründlicher zu sehen,
als Paris so zu durchbrausen, wie ein Engländer den Louvre durchrast, ohne mehr
als die Namen der berühmten Maler von den Wänden hcrnnterzulcsen? Diese
Hast spricht sich fast in allen Abtheilungen aus — die Verfasserin findet selten
Ruhe bei einem Gegenstande, auch nur bei einem Spaziergange, sie wirft vieles
durcheinander und wer einen Plan von Paris zur Hand nimmt und ihren Wan¬
derungen folgt, der kann sich überzeugen, welch unrichtiges Bild er von der Topo¬
graphie von Paris erhält — wer Paris kennt, wird bei manchen Gelegenheiten
dieselbe Verwirrung auch in der Anschauung vom geistigen Paris finden. Von
dem Börsenplätze bis zur Jean Jacques Ronsseaugasse ist lauge nicht der größte
Sprung, den die flinke Dame gemacht. Was hat das aber sür einen Sinn, welcher
geistige Zusammenhang ist zwischen dem, was sie über die so ganz ohne Uebergang
berührten Punkte der Stadt sagt? „Die Halle an M fordert einen Blick mit
ihren Ausgängen nach vier Seiten...... Hier errichtete König Johann das
Hütet des Nesle, schenkte es Ludwig IX., welcher es seiner Mutter, der Königin
Blanche, überließ. Im Besitze des Johann von Luxemburg, Böhmens König,
hieß es Hotel de Bohvme. Ludwig XII. verwandelte es in ein Kloster der Büßerin¬
nen, bis es durch päpstliche Bulle von einem Palaste der Katharina von Medicis
verdrängt, Hotel de la reine, bei deren Ableben an Karl Bourbon, Sohn des Prinzen
von Conti, verkauft, Hotel de Soissons genannt. Nur eine dorische Säule an der
Südmaucr blieb übrig. So find die meisten Erinnerungen von Paris nur mehr
auf dem Papiere. Wie der Landmann seinen Acker, pflügt die Geschichte diesen
Boden immer von neuem um."
Diese Halle an die ist nicht grade derjenige Bau von Paris, welcher die
merkwürdigsten Schicksale erlebt hat, wenn aber seine Geschichte erzählt wird,
so verlangten wir doch mindestens eben die Ausführlichkeit, mit welcher uns die
Reise nach den beiden Wohnungen oder die Speisekarte vom Restaurant du Havre,
oder der Geisterabend und der elektrische Seecapitän beschrieben wird. Der Leser
mag selbst urtheilen, ob es fich der Mühe lohnte. Ich weiß nicht, von wem es
erbaut wurde. Genug, im Jahre 1230 war es im Besitze des Burgherrn von
Brügge, Johann II., Seigneur de Nesle. Später schenkte er es dem heiligen Ludwig
und dessen Mutter, der Königin Blanche, welche im Jahre 12S2 daselbst starb.
1327 verkaufte Philippe von Valois es an den Lützelburger Johann, der es
lange Zeit bewohnte und nach ihm hieß es Bvhüme oder Buhaigne. Im vier-
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