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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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lungsweise eher den Vorsatz annehmen, die Beschwerdeführer zu ermüden und
zu erschöpfen, als dem Rechte genugzuthun. Unter diesem Gesichtspunkte
würde jdie Vorbereitung von Gesetzgebungsacten, deren Inhalt den Verfasser
überzeugt, daß die Beschädigtem sich ihnen nicht fügen können, nur das Stre¬
ben nach Zeitgewinn verrathen und das System des Hinhaltens als eine
Spekulation auf die trostlose (so!) Lage der Betheiligten und aus die Hoff¬
nungslosigkeit aller zu betrachten sein, die am Ende ihre Ergebung bewir¬
ken soll." Natürlich fügt der schlaue Sachwalter bei: "Meinem durchl. Voll¬
machtgeber, gleich mir, liegt eine solche Auffassung fern." Doch einzig und
allein "die der Negierung schuldige Ehrfurcht tritt ihr entgegen und leitet
darauf hin, den betretenen Weg nur als einen Irrweg zu betrachten." Trotz¬
dem tritt jene Ehrfurcht dem Antrage nicht entgegen, daß Würtembergs innere
GesetzgcbungstlMgkeit unter die Präventivcensur des Bundestags gestellt
werden müsse. "Eine jahrelange traurige Erfahrung belehrt, daß ohne ener¬
gisches Einschreiten der hohen Bundesversammlung an Wiederherstellung des
Rechtes nicht zu denken ist."

Damit nun aber nicht der leiseste Zweifel bleibe, in welcher Art diese
Energie des bundestäglichen Einschreitens gedacht wird, schließt Hr. ValMmpf
seine Eingabe: "Ich trage daher gehorsamst daraus an, die k. würtemberg.
Regierung zu bewegen, die Projecte zu Gesetzen, womit sie die Beschwerden
der Standesherrn beschwichtigen will, vor der Verabschiedung mit den Stän¬
den zur Prüfung hoher Bundesversammlung zu bringen, und stelle anheim,
ob mir Gelegenheit geboten werden soll, die Interessen meines durchl. Man¬
danten zu wahren und hohe Bundesversammlung über den Einklang der Pro¬
jecte mit dem Rechte aufzuklären."

Also der souveräne würtembergsche Staat wird nach Hrn. Vahlkampss An¬
trag in seinem Gesetzesleben unter Vormundschaft des Bundestags gestellt; doch
nicht einmal dieser entscheidet selbstständig, sondern Hr. ValMmpf, Bevoll¬
mächtigter des Fürsten von Thurn und Tarif, in dessen PostVerwaltung als
juristischer Beistand angestellt, wird die Bundesversammlung über den Einklang
der würtembergschen Gesetzentwürfe mit dem Rechte aufklären; Hr. Vahlkampf
steht intellectuell über Würtemberg und dem deutschen Bundesorgan als ober¬
ster Gesetzredacteur oder Gesetzgebunscensor.

Sind naivere Wünsche der "Vertreter konservativer Interessen" zu er.
denken?




Grenzboten. IV.

lungsweise eher den Vorsatz annehmen, die Beschwerdeführer zu ermüden und
zu erschöpfen, als dem Rechte genugzuthun. Unter diesem Gesichtspunkte
würde jdie Vorbereitung von Gesetzgebungsacten, deren Inhalt den Verfasser
überzeugt, daß die Beschädigtem sich ihnen nicht fügen können, nur das Stre¬
ben nach Zeitgewinn verrathen und das System des Hinhaltens als eine
Spekulation auf die trostlose (so!) Lage der Betheiligten und aus die Hoff¬
nungslosigkeit aller zu betrachten sein, die am Ende ihre Ergebung bewir¬
ken soll." Natürlich fügt der schlaue Sachwalter bei: „Meinem durchl. Voll¬
machtgeber, gleich mir, liegt eine solche Auffassung fern." Doch einzig und
allein „die der Negierung schuldige Ehrfurcht tritt ihr entgegen und leitet
darauf hin, den betretenen Weg nur als einen Irrweg zu betrachten." Trotz¬
dem tritt jene Ehrfurcht dem Antrage nicht entgegen, daß Würtembergs innere
GesetzgcbungstlMgkeit unter die Präventivcensur des Bundestags gestellt
werden müsse. „Eine jahrelange traurige Erfahrung belehrt, daß ohne ener¬
gisches Einschreiten der hohen Bundesversammlung an Wiederherstellung des
Rechtes nicht zu denken ist."

Damit nun aber nicht der leiseste Zweifel bleibe, in welcher Art diese
Energie des bundestäglichen Einschreitens gedacht wird, schließt Hr. ValMmpf
seine Eingabe: „Ich trage daher gehorsamst daraus an, die k. würtemberg.
Regierung zu bewegen, die Projecte zu Gesetzen, womit sie die Beschwerden
der Standesherrn beschwichtigen will, vor der Verabschiedung mit den Stän¬
den zur Prüfung hoher Bundesversammlung zu bringen, und stelle anheim,
ob mir Gelegenheit geboten werden soll, die Interessen meines durchl. Man¬
danten zu wahren und hohe Bundesversammlung über den Einklang der Pro¬
jecte mit dem Rechte aufzuklären."

Also der souveräne würtembergsche Staat wird nach Hrn. Vahlkampss An¬
trag in seinem Gesetzesleben unter Vormundschaft des Bundestags gestellt; doch
nicht einmal dieser entscheidet selbstständig, sondern Hr. ValMmpf, Bevoll¬
mächtigter des Fürsten von Thurn und Tarif, in dessen PostVerwaltung als
juristischer Beistand angestellt, wird die Bundesversammlung über den Einklang
der würtembergschen Gesetzentwürfe mit dem Rechte aufklären; Hr. Vahlkampf
steht intellectuell über Würtemberg und dem deutschen Bundesorgan als ober¬
ster Gesetzredacteur oder Gesetzgebunscensor.

Sind naivere Wünsche der „Vertreter konservativer Interessen" zu er.
denken?




Grenzboten. IV.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/465>, abgerufen am 22.07.2024.