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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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vorsichtige Fr. Postzeitung behauptet "dem kais. Cabinet von Se. Petersburg in
einer Denkschrift eine Apologie oder Rechtfertigung des Verfahrens seiner
Negierung gegen ihre Standesherrn unaufgefordert halte überreichen lassen."

Wäre es geschehen, so würde damit jene Stellung einer deutschen Ne¬
gierung zum Zaren freiwillig angenommen sein, welche ihr die Standesherrn
im Verhältniß zu sich octroyiren wollen, nämlich die. der vollkommenen Abhän¬
gigkeit von ihrem de>n plaisir.

Daß dies Ziel und Konsequenz der Standesherrlichen Ansprüche, wurde bereits
oben angedeutet. Aber es liegen" für diese Absicht noch deutlichere Beweise,
als in den Beschwerden des Fürsten von Oettingen-Wallerstein vor. Nämlich
in einer acccssorischen Klage des Fürsten v. Thurn u. Tarif, beim Bundes¬
tage angebracht durch dessen Bevollmächtigten, Herrn Vahlkampf zu Frankfurt.

Schon am 21. Juni 1864 hatte nämlich dieser auch als Publicist wohlbekannte
Sachwalter der sürstl. Thurn u. Tarisschm Interessen im Namen seines Man-
datgcbers eine Declaration gegen dessen angebliche Beeinträchtigung in seinen
Standesherrlichen Rechten durch die würtembergsche Gesetzgebung beim Bundestage
eingereicht. neuestens folgte eine abermalige Beschwerde gegen jenen Gesetz¬
entwurf, welcher auf Abänderung des Gesetzes vom 16. Juni 1849 aus¬
geht und betitelt ist: "Geh. betreffend die Ausdehnung des Amts- und Ge¬
meindeverbandes auf sämmtliche Theile des Staatsgebiets."

!, Der Geist, in welchem die Beschwerde sich im allgemeinen entwickelt, be¬
darf nach den bisherigen Auseinandersetzungen der Standesherrlichen Klagen
keiner besondern Bezeichnung. Interessant ist es dagegen, die Haltung und
Form kennen zu lernen, in welcher die Vertreter "konservativer Interessen"
sich gegen Regierungen bewegen, wenn sie ihre Sonderinteressen von deren
rechts- und verfassungsgemäßem Verfahren unsanft berührt wähnen. Indem
wir hier zu dem Ende einige charakteristische Sätze der Vahlkampfschen Be¬
schwerdeschrift folgen lassen, müssen wir es sogar dem redaktionellen Ermessen
überlassen, ob es dieselben unter den heutigen bundespreßgesetzlichen Zu¬
ständen wörtlich abzudrucken wagt.

Zunächst wird der würtembergschen Negierung mit dürren Worten jeder
Wille zur Erfüllung auch nur des Möglichen für die Befriedigung der Stan¬
desherrlichen Ansprüche kurzweg abgesprochen. "Vielmehr, -- heißt es -- ist
die Vermuthung begründet, daß die k/Negierung den Kern der Grundrechtöge-
setze beibehalten, nur die Form ändern, und indem sie die Sache unter den
Schirm einer neuen Legislatur stellt, ihre Grundsätze gegen den Vorwurf und
dessen rechtliche Folgen sichern will, daß sie den Grundrechten entflossen und
daher nach Maßgabe des Bundesbeschlusseö vom 23. Aug. 1861 umzubilden
seien." Weiter lautet dann die Anklage: "Schlosse nicht die der Negierung
schuldige Ehrerbietung ein solches Mißtrauen aus, so ließe die bisherige Hand-


vorsichtige Fr. Postzeitung behauptet „dem kais. Cabinet von Se. Petersburg in
einer Denkschrift eine Apologie oder Rechtfertigung des Verfahrens seiner
Negierung gegen ihre Standesherrn unaufgefordert halte überreichen lassen."

Wäre es geschehen, so würde damit jene Stellung einer deutschen Ne¬
gierung zum Zaren freiwillig angenommen sein, welche ihr die Standesherrn
im Verhältniß zu sich octroyiren wollen, nämlich die. der vollkommenen Abhän¬
gigkeit von ihrem de>n plaisir.

Daß dies Ziel und Konsequenz der Standesherrlichen Ansprüche, wurde bereits
oben angedeutet. Aber es liegen" für diese Absicht noch deutlichere Beweise,
als in den Beschwerden des Fürsten von Oettingen-Wallerstein vor. Nämlich
in einer acccssorischen Klage des Fürsten v. Thurn u. Tarif, beim Bundes¬
tage angebracht durch dessen Bevollmächtigten, Herrn Vahlkampf zu Frankfurt.

Schon am 21. Juni 1864 hatte nämlich dieser auch als Publicist wohlbekannte
Sachwalter der sürstl. Thurn u. Tarisschm Interessen im Namen seines Man-
datgcbers eine Declaration gegen dessen angebliche Beeinträchtigung in seinen
Standesherrlichen Rechten durch die würtembergsche Gesetzgebung beim Bundestage
eingereicht. neuestens folgte eine abermalige Beschwerde gegen jenen Gesetz¬
entwurf, welcher auf Abänderung des Gesetzes vom 16. Juni 1849 aus¬
geht und betitelt ist: „Geh. betreffend die Ausdehnung des Amts- und Ge¬
meindeverbandes auf sämmtliche Theile des Staatsgebiets."

!, Der Geist, in welchem die Beschwerde sich im allgemeinen entwickelt, be¬
darf nach den bisherigen Auseinandersetzungen der Standesherrlichen Klagen
keiner besondern Bezeichnung. Interessant ist es dagegen, die Haltung und
Form kennen zu lernen, in welcher die Vertreter „konservativer Interessen"
sich gegen Regierungen bewegen, wenn sie ihre Sonderinteressen von deren
rechts- und verfassungsgemäßem Verfahren unsanft berührt wähnen. Indem
wir hier zu dem Ende einige charakteristische Sätze der Vahlkampfschen Be¬
schwerdeschrift folgen lassen, müssen wir es sogar dem redaktionellen Ermessen
überlassen, ob es dieselben unter den heutigen bundespreßgesetzlichen Zu¬
ständen wörtlich abzudrucken wagt.

Zunächst wird der würtembergschen Negierung mit dürren Worten jeder
Wille zur Erfüllung auch nur des Möglichen für die Befriedigung der Stan¬
desherrlichen Ansprüche kurzweg abgesprochen. „Vielmehr, — heißt es — ist
die Vermuthung begründet, daß die k/Negierung den Kern der Grundrechtöge-
setze beibehalten, nur die Form ändern, und indem sie die Sache unter den
Schirm einer neuen Legislatur stellt, ihre Grundsätze gegen den Vorwurf und
dessen rechtliche Folgen sichern will, daß sie den Grundrechten entflossen und
daher nach Maßgabe des Bundesbeschlusseö vom 23. Aug. 1861 umzubilden
seien." Weiter lautet dann die Anklage: „Schlosse nicht die der Negierung
schuldige Ehrerbietung ein solches Mißtrauen aus, so ließe die bisherige Hand-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/464>, abgerufen am 22.07.2024.