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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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fen ober solche, deren parlamentarischer Behandlung man sich freiwillig und
eigenmächtig überhob.

Trotzdem reichte Fürst Karl von Oettingen-Wallerstein Namens seiner 22
Mandanten jene wunderbare Beschwerde vom 2. Febr. 18SL beim Bundes¬
tag ein.

Der Bundestag beschloß unterm -16. Juni 1864 die würtenbergische Ne¬
gierung zu näheren Erläuterungen aufzufordern. Diese erfolgten unterm 2.
November in einer sehr ausführlichen Auseinandersetzung des würtembergischen
Bundestagsgesandter Hrn. v. Reinhardt.

Der erste Theil der Schrift wiederholt die Anerkennung, daß allerdings
die persönlichen Rechte mancher Standesherrn durch die Gesetzgebung von
1848/9 einige Einbuße erlitten. Sie entwickelt zugleich die Geneigtheit der Re¬
gierung, die Folgen dieser Gesetzgebung, soweit es irgend mit dem lebendig
gewordenen Nechtsbestande vereinbar, auf gesetzlichem Wege zu vermitteln. Da¬
bei erfährt man aber zugleich, was davon bereits durch die directen Verhand¬
lungen zwischen der Negierung und dem Fürsten Karl Oettingen-Wallerstein
festgestellt wurde.

Ueber die Wiederherstellung der politischen und besonders persönlichen
Rechte der Standesherrn erzielte man nämlich ein beinahe vollständiges Ein-
verständniß. Dafür gestanden die Standesherrn zu, daß anstatt einer vollen
Aufhebung der Ablösungsgesetze vom 14. Apr. 48, vom 17, und vom 18. Juni
49 (s. o. 1, 2, S) nur eine Abänderung der die Standesherrn beschwerenden
Bestimmungen eintreten solle. -- Wo es also politische Principien galt, ge¬
lang eine Verständigung, wenigstens scheinbar. Dagegen gestalteten die
Standesherrn ihre pecuniären Entschädigungssorderungen so exorbitant, daß
hier die Regierung nur mit dem materiellen Ruin des Landes den Ansprüchen
zu genügen vermocht haben würde. Sie forderten nämlich als Ablösung den
zwanzig fachen Werthbetrag nach der Abschätzung der letzten fünfzig Jahre,
serner eine 4V2procentige Verzinsung und überdies die Uebernahme dieser Schuld
durch den Staat. Und nun kam auch die politisch principielle Differenz. Die
Standesherrn hielten nämlich den Grundsatz sest, daß zwischen ihnen und der
Regierung allen hierher bezüglichen legislativen Maßnahmen stets eine be¬
stimmte Vereinbarung vorausgehen müsse, ehe die Gesetze dem Landtag vorge¬
legt würden. Die Regierung' dagegen konnte natürlich die Durchführung der
legislatorischen Vorlagen nur im Wege der Vereinbarung mit dem Landtage
zusichern.

So mißlang also einerseits die exorbitante finanzielle Speculation, ande¬
rerseits die versuchte Cludirung des Landtags, die angestrebte Octroyirung der
Gesetze, die offen geforderte Mediatisirung des Staates zu Gunsten der Allein¬
macht einer bevorzugten Kaste. Und grade diese Niederlagen scheint der Bun-


fen ober solche, deren parlamentarischer Behandlung man sich freiwillig und
eigenmächtig überhob.

Trotzdem reichte Fürst Karl von Oettingen-Wallerstein Namens seiner 22
Mandanten jene wunderbare Beschwerde vom 2. Febr. 18SL beim Bundes¬
tag ein.

Der Bundestag beschloß unterm -16. Juni 1864 die würtenbergische Ne¬
gierung zu näheren Erläuterungen aufzufordern. Diese erfolgten unterm 2.
November in einer sehr ausführlichen Auseinandersetzung des würtembergischen
Bundestagsgesandter Hrn. v. Reinhardt.

Der erste Theil der Schrift wiederholt die Anerkennung, daß allerdings
die persönlichen Rechte mancher Standesherrn durch die Gesetzgebung von
1848/9 einige Einbuße erlitten. Sie entwickelt zugleich die Geneigtheit der Re¬
gierung, die Folgen dieser Gesetzgebung, soweit es irgend mit dem lebendig
gewordenen Nechtsbestande vereinbar, auf gesetzlichem Wege zu vermitteln. Da¬
bei erfährt man aber zugleich, was davon bereits durch die directen Verhand¬
lungen zwischen der Negierung und dem Fürsten Karl Oettingen-Wallerstein
festgestellt wurde.

Ueber die Wiederherstellung der politischen und besonders persönlichen
Rechte der Standesherrn erzielte man nämlich ein beinahe vollständiges Ein-
verständniß. Dafür gestanden die Standesherrn zu, daß anstatt einer vollen
Aufhebung der Ablösungsgesetze vom 14. Apr. 48, vom 17, und vom 18. Juni
49 (s. o. 1, 2, S) nur eine Abänderung der die Standesherrn beschwerenden
Bestimmungen eintreten solle. — Wo es also politische Principien galt, ge¬
lang eine Verständigung, wenigstens scheinbar. Dagegen gestalteten die
Standesherrn ihre pecuniären Entschädigungssorderungen so exorbitant, daß
hier die Regierung nur mit dem materiellen Ruin des Landes den Ansprüchen
zu genügen vermocht haben würde. Sie forderten nämlich als Ablösung den
zwanzig fachen Werthbetrag nach der Abschätzung der letzten fünfzig Jahre,
serner eine 4V2procentige Verzinsung und überdies die Uebernahme dieser Schuld
durch den Staat. Und nun kam auch die politisch principielle Differenz. Die
Standesherrn hielten nämlich den Grundsatz sest, daß zwischen ihnen und der
Regierung allen hierher bezüglichen legislativen Maßnahmen stets eine be¬
stimmte Vereinbarung vorausgehen müsse, ehe die Gesetze dem Landtag vorge¬
legt würden. Die Regierung' dagegen konnte natürlich die Durchführung der
legislatorischen Vorlagen nur im Wege der Vereinbarung mit dem Landtage
zusichern.

So mißlang also einerseits die exorbitante finanzielle Speculation, ande¬
rerseits die versuchte Cludirung des Landtags, die angestrebte Octroyirung der
Gesetze, die offen geforderte Mediatisirung des Staates zu Gunsten der Allein¬
macht einer bevorzugten Kaste. Und grade diese Niederlagen scheint der Bun-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/462>, abgerufen am 22.07.2024.