Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.die zu viel gelebt haben und^die kein irdisches Gefühl mehr elektrisirt." Nach In der Einkleidung dieser Gedanken wird manches paradox erscheinen, Dieselbe Nummer der französischen Zeitschrift enthält außerdem eine auch In der Politik fährt das Journal fort, Deutschland so roh und plump, die zu viel gelebt haben und^die kein irdisches Gefühl mehr elektrisirt." Nach In der Einkleidung dieser Gedanken wird manches paradox erscheinen, Dieselbe Nummer der französischen Zeitschrift enthält außerdem eine auch In der Politik fährt das Journal fort, Deutschland so roh und plump, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98738"/> <p xml:id="ID_1361" prev="#ID_1360"> die zu viel gelebt haben und^die kein irdisches Gefühl mehr elektrisirt." Nach<lb/> einigen weitern Auseinandersetzungen fährt er fort: „Eine andere merkwürdige<lb/> Erscheinung des Katholicismus ist die folgende. Der katholische Pöbel ist so<lb/> verdorben als möglich, aber er hat den Vorzug einer großen Anhänglichkeit an<lb/> seine Religion. Diese Anhänglichkeit hat gewiß nichts sittliches und nichts<lb/> Erhabenes; sie ist augenscheinlich ein rein physischer Jnstinct, ähnlich dem<lb/> Jnstinct der Bestie; aber genug, sie eristirt. Der Katholik kann ein Schurke<lb/> sein und darum nicht minder fromm; der Italiener kann stehlen, der Spanier<lb/> morden, der Jrländer sich vom Morgen bis zum Abend betrinken und sich im<lb/> unflätigsten Schmuz wälzen, ohne daß er darüber vergißt, sein Kreuz zu<lb/> schlagen, vor der Mutter Gottes das Knie zu beugen und in der Kapelle sein<lb/> Gebet herzusagen. Das Gegentheil.findet im Protestantismus statt. Sobald<lb/> ein Protestant dem Laster verfällt, hört er auf Protestant zu sein; seine ganze<lb/> innerliche und sittliche Religion eristirt nicht mehr für ihn, und das Leben, das<lb/> er frei gewählt, ist nicht dazu gemacht, sie ihm wieder in Erinnerung zu rufen.<lb/> Die Gewohnheiten eines Diebes z. B. und die damit zusammenhängenden<lb/> innern Gedanken haben mit dem sittlichen Glauben an das Evangelium und<lb/> an Jesus Christus nichts gemein. Die protestantische Religion ist in England<lb/> bis zu den untersten Schichten des wirklichen Volks vorgedrungen; aber im<lb/> Gegensatz zum Katholicismus hört sie da auf, wo die Gewohnheit des Lasters<lb/> und des Verbrechens anfängt. Der Wilde der Civilisation gehört in pro¬<lb/> testantischen Ländern, nicht mehr dem Christenthum an." —</p><lb/> <p xml:id="ID_1362"> In der Einkleidung dieser Gedanken wird manches paradox erscheinen,<lb/> aber das Wesen des Glaubens, nicht wie er im Katechismus steht, sondern wie<lb/> er in der Geschichte sich entfaltet hat, ist damit auf das treffendste charakterisirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1363"> Dieselbe Nummer der französischen Zeitschrift enthält außerdem eine auch<lb/> für uns interessante Abhandlung von Alfred Maury über die Wahngebilde der<lb/> christlichen Mystik, namentlich über die Stigmatisation. Wir wünschten, daß<lb/> unsre Neugläubigen einmal diese Seite des Gegenstandes ernsthaft ins Auge<lb/> fassen möchten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1364"> In der Politik fährt das Journal fort, Deutschland so roh und plump,<lb/> als es nur in der Napoleonischen Zeit möglich war, zu beleidigen, und verräth<lb/> dadurch aufs deutlichste, daß trotz der Interessen, welche die so-genannte gute<lb/> Gesellschaft in Frankreich an der deutschen romantischen Literatur genommen hat,<lb/> im wesentlichen noch die alten sinnlosen Vorurtheile herrschen. Eine Ab¬<lb/> handlung des nämlichen Hefts über die dänische Frage sucht an Unwissenheit<lb/> und Unverschämtheit ihresgleichen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0424]
die zu viel gelebt haben und^die kein irdisches Gefühl mehr elektrisirt." Nach
einigen weitern Auseinandersetzungen fährt er fort: „Eine andere merkwürdige
Erscheinung des Katholicismus ist die folgende. Der katholische Pöbel ist so
verdorben als möglich, aber er hat den Vorzug einer großen Anhänglichkeit an
seine Religion. Diese Anhänglichkeit hat gewiß nichts sittliches und nichts
Erhabenes; sie ist augenscheinlich ein rein physischer Jnstinct, ähnlich dem
Jnstinct der Bestie; aber genug, sie eristirt. Der Katholik kann ein Schurke
sein und darum nicht minder fromm; der Italiener kann stehlen, der Spanier
morden, der Jrländer sich vom Morgen bis zum Abend betrinken und sich im
unflätigsten Schmuz wälzen, ohne daß er darüber vergißt, sein Kreuz zu
schlagen, vor der Mutter Gottes das Knie zu beugen und in der Kapelle sein
Gebet herzusagen. Das Gegentheil.findet im Protestantismus statt. Sobald
ein Protestant dem Laster verfällt, hört er auf Protestant zu sein; seine ganze
innerliche und sittliche Religion eristirt nicht mehr für ihn, und das Leben, das
er frei gewählt, ist nicht dazu gemacht, sie ihm wieder in Erinnerung zu rufen.
Die Gewohnheiten eines Diebes z. B. und die damit zusammenhängenden
innern Gedanken haben mit dem sittlichen Glauben an das Evangelium und
an Jesus Christus nichts gemein. Die protestantische Religion ist in England
bis zu den untersten Schichten des wirklichen Volks vorgedrungen; aber im
Gegensatz zum Katholicismus hört sie da auf, wo die Gewohnheit des Lasters
und des Verbrechens anfängt. Der Wilde der Civilisation gehört in pro¬
testantischen Ländern, nicht mehr dem Christenthum an." —
In der Einkleidung dieser Gedanken wird manches paradox erscheinen,
aber das Wesen des Glaubens, nicht wie er im Katechismus steht, sondern wie
er in der Geschichte sich entfaltet hat, ist damit auf das treffendste charakterisirt.
Dieselbe Nummer der französischen Zeitschrift enthält außerdem eine auch
für uns interessante Abhandlung von Alfred Maury über die Wahngebilde der
christlichen Mystik, namentlich über die Stigmatisation. Wir wünschten, daß
unsre Neugläubigen einmal diese Seite des Gegenstandes ernsthaft ins Auge
fassen möchten.
In der Politik fährt das Journal fort, Deutschland so roh und plump,
als es nur in der Napoleonischen Zeit möglich war, zu beleidigen, und verräth
dadurch aufs deutlichste, daß trotz der Interessen, welche die so-genannte gute
Gesellschaft in Frankreich an der deutschen romantischen Literatur genommen hat,
im wesentlichen noch die alten sinnlosen Vorurtheile herrschen. Eine Ab¬
handlung des nämlichen Hefts über die dänische Frage sucht an Unwissenheit
und Unverschämtheit ihresgleichen.
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