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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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daß die französischen Chasseurs dAfrique und die Beduinen aus Algier in
dieser Kunst ercelliren. Diese letzteren befinden sich in der Regel um die Person
des Höchstcommandircnden geschart. Auf ein Zeichen sieht man sie, wenn
der Chef zum Recognosciren vorgeritten ist, nach allen Windrichtungen strah¬
lenförmig auseinanderjagen. Sie reiten eine englische Meile und weiter. Am
Horizont erkennt man die einzelnen, wie sie Völker sprengen, bis sie nach
kurzer Abwesenheit zurückkehren und ihren Rapport über das Gesehene in
größter Ordnung abgeben, dergestalt, daß der Oberbefehlshaber sich eine klare
Vorstellung von dem bilden kann, was innerhalb eines bedeckten Terrains
auf einer Fläche von mehren Meilen Durchmesser sich zuträgt.

Die Kosacken scheinen nach einem complicirteren Kundschaftssysteme zu agiren.
Man sieht ihrer immer zwei zugleich auf den verschiedenen Hängen erscheinen.
Sie kommen vorsichtig, den Kopf nach allen Richtungen ausreckend heran,
aber ziemlich nahe, und ohne sehr die weittragenden Miniibüchsen zu fürchten.
In den Thälern schreiten etwas rückwärts haltend ähnliche Posten vor. Sind
sie auf den rechten Punkt gelangt, von dem aus sie die erwünschte Uebersicht
haben, so machen sie halt, blicken genau nach allen Seiten aus, geben Zeichen
mit ihren Lanzen, schwingen die Mützen und conespondiren so nach rückwärts
wie ein Telegraph. Endlich werfen sie ihre Pferde herum und sind verschwunden,
bevor man es ahnet.

Die englische Cavalerie ist zu diesem Dienst, wie bemerkt, nicht zu ver¬
wenden, und, seltsam zu sagen, hat Lord Raglan zum Ersatz sich damit begnügt,
einen einzigen Offizier in seinem Gefolge zu haben, der, begleitet von einigen
Tartaren und bis an die Zähne bewaffnet, in vorkommenden Fällen auf
Kundschaft ausgesendet wird.

Allenthalben wo die Cavalerie zurücktritt, hat die Artillerie eine um so
größere Aufgabe zu erfüllen; im besondern hier, wo sie in der doppelten Ge¬
stalt als Belagcrungs- und Feldartillcrie auftritt.

Man kann die Zahl der gegenwärtig in der Krim verwendeten bespannten
Feldgeschütze auf 200 Stück annehmen, wovon -110 allein auf die französische
Armee kommen. Ich will hier von der englischen Artillerie zuerst sprechen.
Sie hat etwa sechzig Stück zur Stelle.und zwar lassen dieselben, was Ma¬
terial und Bedienung angeht, nichts zu wünschen übrig. In Hinsicht auf
die Ausbildung kommt es der Waffe in England sehr zu Statten, daß sie in
Woolwich einen Centralort besitzt, der nicht nur Mittelpunkt für das Geschütz-
Wesen der Landarmee, sondern auch sür das der Flotte ist. Dadurch werden
alle Verbesserungen erleichtert, der Dienst erhält gleichsam ein centrales Leben
und es wird Möglich, denselben mit allgemeinen Maßregeln zu umfassen.

Diesen glücklichen Verhältnissen entspricht die taktische Ausbildung der
britischen Artillerie. Sie steht in dieser Hinsicht auf einer hohen Stufe und


daß die französischen Chasseurs dAfrique und die Beduinen aus Algier in
dieser Kunst ercelliren. Diese letzteren befinden sich in der Regel um die Person
des Höchstcommandircnden geschart. Auf ein Zeichen sieht man sie, wenn
der Chef zum Recognosciren vorgeritten ist, nach allen Windrichtungen strah¬
lenförmig auseinanderjagen. Sie reiten eine englische Meile und weiter. Am
Horizont erkennt man die einzelnen, wie sie Völker sprengen, bis sie nach
kurzer Abwesenheit zurückkehren und ihren Rapport über das Gesehene in
größter Ordnung abgeben, dergestalt, daß der Oberbefehlshaber sich eine klare
Vorstellung von dem bilden kann, was innerhalb eines bedeckten Terrains
auf einer Fläche von mehren Meilen Durchmesser sich zuträgt.

Die Kosacken scheinen nach einem complicirteren Kundschaftssysteme zu agiren.
Man sieht ihrer immer zwei zugleich auf den verschiedenen Hängen erscheinen.
Sie kommen vorsichtig, den Kopf nach allen Richtungen ausreckend heran,
aber ziemlich nahe, und ohne sehr die weittragenden Miniibüchsen zu fürchten.
In den Thälern schreiten etwas rückwärts haltend ähnliche Posten vor. Sind
sie auf den rechten Punkt gelangt, von dem aus sie die erwünschte Uebersicht
haben, so machen sie halt, blicken genau nach allen Seiten aus, geben Zeichen
mit ihren Lanzen, schwingen die Mützen und conespondiren so nach rückwärts
wie ein Telegraph. Endlich werfen sie ihre Pferde herum und sind verschwunden,
bevor man es ahnet.

Die englische Cavalerie ist zu diesem Dienst, wie bemerkt, nicht zu ver¬
wenden, und, seltsam zu sagen, hat Lord Raglan zum Ersatz sich damit begnügt,
einen einzigen Offizier in seinem Gefolge zu haben, der, begleitet von einigen
Tartaren und bis an die Zähne bewaffnet, in vorkommenden Fällen auf
Kundschaft ausgesendet wird.

Allenthalben wo die Cavalerie zurücktritt, hat die Artillerie eine um so
größere Aufgabe zu erfüllen; im besondern hier, wo sie in der doppelten Ge¬
stalt als Belagcrungs- und Feldartillcrie auftritt.

Man kann die Zahl der gegenwärtig in der Krim verwendeten bespannten
Feldgeschütze auf 200 Stück annehmen, wovon -110 allein auf die französische
Armee kommen. Ich will hier von der englischen Artillerie zuerst sprechen.
Sie hat etwa sechzig Stück zur Stelle.und zwar lassen dieselben, was Ma¬
terial und Bedienung angeht, nichts zu wünschen übrig. In Hinsicht auf
die Ausbildung kommt es der Waffe in England sehr zu Statten, daß sie in
Woolwich einen Centralort besitzt, der nicht nur Mittelpunkt für das Geschütz-
Wesen der Landarmee, sondern auch sür das der Flotte ist. Dadurch werden
alle Verbesserungen erleichtert, der Dienst erhält gleichsam ein centrales Leben
und es wird Möglich, denselben mit allgemeinen Maßregeln zu umfassen.

Diesen glücklichen Verhältnissen entspricht die taktische Ausbildung der
britischen Artillerie. Sie steht in dieser Hinsicht auf einer hohen Stufe und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/375>, abgerufen am 25.08.2024.