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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Cabinets Platz machen und bei einer Revolution findet fast ein vollständiger
Beamtenwechsel statt.

Vorderhand hat das Ministerium seiner dringendsten Verlegenheit durch
eine Vorausnahme der Grund-, Gewerbs- und Handelssteuern des nächsten
halben Jahres abgeholfen; was aber alsdann werden soll, ist nicht abzusehen,
wenn nicht der verzweifelte Schritt eines Verkaufs Cubas die Staatskasse füllt,
und durch Reduction der Armee und der Marine eine erhebliche Verminderung
der Ausgaben möglich macht.




Bildende Kunst.

Kritische Blätter, besonders über das neuere Bauwesen.. Von Ernst
Kopp. Zweites und drittes Hest. Weimar, Bostan. --

Die gegenwärtigen Hefte enthalten die Beurtheilung der architektonischen
Werke von Schinkel und von Leo von Klenze. Die einzelnen Werke werden
mit sorgfältigem Eingehen sowol auf die technische als auf die rein ästhetische
Seite erörtert und dann der Versuch gemacht, ein Gesammtresultat daraus zu
gewinnen. Was Schinkel betrifft, so wird ihm vorgeworfen, daß er sich keinen
eigenthümlichen, aus nähere Grundsätze, Formen oder Verhältnisse basirten und
consequent durchgeführten Stil gebildet, daß er überhaupt nicht darnach gestrebt
hat. Sein tiefes Studium des griechischen Stils wird nach Gebühr gewürdigt;
seine Nachbildung desselben aber ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen der
Oertlichkeit als eine höchst bedenkliche Richtung der neueren Kunst beklagt.
"Schinkel war bei seinem Streben, den griechischen Stil zur Geltung zu brin¬
gen, zu dem Versuch genöthigt, das Unpassende desselben'sür unsre baulichen
Verhältnisse durch Abänderung oder Weiterbildung zu beseitigen. Zu diesem
Versuch war er bei seinen tiefen Studien und bei seinem ausgezeichneten Talent
vor allen andern befähigt. In seinen Entwürfen ergibt sich sowol in der
Formbildung der Glieder als in ihrer Zusammenstellung und Verzierung ein
Reichthum, der nicht allein die schönsten griechischen Vorbilder enthält, sondern
auch durch Musterbilder, die in echt griechischem Geist geschaffen sind, vermehrt
worden ist." Dagegen wird ihm eine organische Weiterbildung des Stils ab¬
gesprochen. "Am wenigsten dürften dazu jene Formbildungen zu rechnen sein,
wie z. B. die Einschachtelung von Pilasterstellungen in größere, bereits or¬
ganisch sür sich abgeschlossene Theile, wie unter andern an den Fenstern der
Hauptwache in Dresden; die Vereinigung von Karyatidensäulen mit jonischen
Säulen, die theilweise Einmauerung von jonischen Säulen an den Fenstervor¬
sprüngen, die unorganische Anlage von Gebälkearchitektur, die Verbindung


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Cabinets Platz machen und bei einer Revolution findet fast ein vollständiger
Beamtenwechsel statt.

Vorderhand hat das Ministerium seiner dringendsten Verlegenheit durch
eine Vorausnahme der Grund-, Gewerbs- und Handelssteuern des nächsten
halben Jahres abgeholfen; was aber alsdann werden soll, ist nicht abzusehen,
wenn nicht der verzweifelte Schritt eines Verkaufs Cubas die Staatskasse füllt,
und durch Reduction der Armee und der Marine eine erhebliche Verminderung
der Ausgaben möglich macht.




Bildende Kunst.

Kritische Blätter, besonders über das neuere Bauwesen.. Von Ernst
Kopp. Zweites und drittes Hest. Weimar, Bostan. —

Die gegenwärtigen Hefte enthalten die Beurtheilung der architektonischen
Werke von Schinkel und von Leo von Klenze. Die einzelnen Werke werden
mit sorgfältigem Eingehen sowol auf die technische als auf die rein ästhetische
Seite erörtert und dann der Versuch gemacht, ein Gesammtresultat daraus zu
gewinnen. Was Schinkel betrifft, so wird ihm vorgeworfen, daß er sich keinen
eigenthümlichen, aus nähere Grundsätze, Formen oder Verhältnisse basirten und
consequent durchgeführten Stil gebildet, daß er überhaupt nicht darnach gestrebt
hat. Sein tiefes Studium des griechischen Stils wird nach Gebühr gewürdigt;
seine Nachbildung desselben aber ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen der
Oertlichkeit als eine höchst bedenkliche Richtung der neueren Kunst beklagt.
„Schinkel war bei seinem Streben, den griechischen Stil zur Geltung zu brin¬
gen, zu dem Versuch genöthigt, das Unpassende desselben'sür unsre baulichen
Verhältnisse durch Abänderung oder Weiterbildung zu beseitigen. Zu diesem
Versuch war er bei seinen tiefen Studien und bei seinem ausgezeichneten Talent
vor allen andern befähigt. In seinen Entwürfen ergibt sich sowol in der
Formbildung der Glieder als in ihrer Zusammenstellung und Verzierung ein
Reichthum, der nicht allein die schönsten griechischen Vorbilder enthält, sondern
auch durch Musterbilder, die in echt griechischem Geist geschaffen sind, vermehrt
worden ist." Dagegen wird ihm eine organische Weiterbildung des Stils ab¬
gesprochen. „Am wenigsten dürften dazu jene Formbildungen zu rechnen sein,
wie z. B. die Einschachtelung von Pilasterstellungen in größere, bereits or¬
ganisch sür sich abgeschlossene Theile, wie unter andern an den Fenstern der
Hauptwache in Dresden; die Vereinigung von Karyatidensäulen mit jonischen
Säulen, die theilweise Einmauerung von jonischen Säulen an den Fenstervor¬
sprüngen, die unorganische Anlage von Gebälkearchitektur, die Verbindung


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[0355] Cabinets Platz machen und bei einer Revolution findet fast ein vollständiger Beamtenwechsel statt. Vorderhand hat das Ministerium seiner dringendsten Verlegenheit durch eine Vorausnahme der Grund-, Gewerbs- und Handelssteuern des nächsten halben Jahres abgeholfen; was aber alsdann werden soll, ist nicht abzusehen, wenn nicht der verzweifelte Schritt eines Verkaufs Cubas die Staatskasse füllt, und durch Reduction der Armee und der Marine eine erhebliche Verminderung der Ausgaben möglich macht. Bildende Kunst. Kritische Blätter, besonders über das neuere Bauwesen.. Von Ernst Kopp. Zweites und drittes Hest. Weimar, Bostan. — Die gegenwärtigen Hefte enthalten die Beurtheilung der architektonischen Werke von Schinkel und von Leo von Klenze. Die einzelnen Werke werden mit sorgfältigem Eingehen sowol auf die technische als auf die rein ästhetische Seite erörtert und dann der Versuch gemacht, ein Gesammtresultat daraus zu gewinnen. Was Schinkel betrifft, so wird ihm vorgeworfen, daß er sich keinen eigenthümlichen, aus nähere Grundsätze, Formen oder Verhältnisse basirten und consequent durchgeführten Stil gebildet, daß er überhaupt nicht darnach gestrebt hat. Sein tiefes Studium des griechischen Stils wird nach Gebühr gewürdigt; seine Nachbildung desselben aber ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen der Oertlichkeit als eine höchst bedenkliche Richtung der neueren Kunst beklagt. „Schinkel war bei seinem Streben, den griechischen Stil zur Geltung zu brin¬ gen, zu dem Versuch genöthigt, das Unpassende desselben'sür unsre baulichen Verhältnisse durch Abänderung oder Weiterbildung zu beseitigen. Zu diesem Versuch war er bei seinen tiefen Studien und bei seinem ausgezeichneten Talent vor allen andern befähigt. In seinen Entwürfen ergibt sich sowol in der Formbildung der Glieder als in ihrer Zusammenstellung und Verzierung ein Reichthum, der nicht allein die schönsten griechischen Vorbilder enthält, sondern auch durch Musterbilder, die in echt griechischem Geist geschaffen sind, vermehrt worden ist." Dagegen wird ihm eine organische Weiterbildung des Stils ab¬ gesprochen. „Am wenigsten dürften dazu jene Formbildungen zu rechnen sein, wie z. B. die Einschachtelung von Pilasterstellungen in größere, bereits or¬ ganisch sür sich abgeschlossene Theile, wie unter andern an den Fenstern der Hauptwache in Dresden; die Vereinigung von Karyatidensäulen mit jonischen Säulen, die theilweise Einmauerung von jonischen Säulen an den Fenstervor¬ sprüngen, die unorganische Anlage von Gebälkearchitektur, die Verbindung 44*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/355>, abgerufen am 26.06.2024.