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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Ständeversammlung gar nicht vertreten sein können. Dieses scheint über¬
haupt der Zweck der ganzen Verordnung zu sein. Man will versuchen, mit
den Abgeordneten des platten Landes, welche aus 32 Personen bestehen, die
neue Verfassung dem Lande aufzubürden. Denn es bedarf ja nur 33 Ab¬
geordneter, um die zweite Kammer beschlußfähig zumachen, einige Abgeordnete
aus den Städten würden sich wol noch finden. Aber auch hiermit noch nicht
genug. Herr Hassenpflug trifft noch weitere Vorkehrungen zur Durchsetzung sei¬
nes Willens. Er gibt in der Verordnung vom 22. December 1853 ez. 8 die
Vorschrift, daß den zu Gemeindeausschuß- und Gemeinderathsmitgliedern er¬
wählten Personen die Bestätigung (die Gesetzmäßigkeitserklärung) versagt werden
soll, wenn bei ihnen eine feindselige Parteinahme gegen die Staatsordnung
oder gegen die Staatsregierung auf irgendeine Weise vorgetreten sei. Diese
"Gesetzmäßigkeitserklärung" geben Verwaltungsbehörden und in letzter Instanz
das Ministerium ab. Die Negierung kann also für 32 Abgeordnete (Stadt-
und Landgemeinden) sich die Wahlmänner selbst zusammensetzen, beziehungs¬
weise jeden ihr mißliebigen Wahlmann beseitigen. ^

Selbst in dem nicht ganz unwahrscheinlichen Falle, daß Hassenpflug ge¬
nöthigt würde, binnen kurzem die Stände, also die bereits geschlossene Stände-
versammlung wieder einzuberufen, weil die dringenden finanziellen Bedürfnisse
des Landes keinen Aufschub mehr erlauben, sind durch die bereits geschehenen
Gewaltthätigkeiten die Stände kaum noch zum Widerstand fähig. Eine Reihe
von Bürgermeistern, welche Mitglieder der zweiten Kammer sind, sollen unter
allen Umständen auf Grund der Verordnung vom 23. December 1853 aus¬
geschieden werden. Herr Hassenpflug beruft nämlich diese Personen gar nicht
ein, die zweite Kammer bleibt beschlußfähig, aber die bisherige Majorität der
Kammer wird zur Minorität und damit ist dann auch die Einberufung jenes
Deputirten durch die Kammer unmöglich geworden. Herr Hassenpflug wird
dann vielleicht selbst die Wahl in die unvertretenen Wahlbezirke anordnen, aber
bevor diese geschehen kann, hat er in der zweiten Kammer alles durchgesetzt,
was er will. Für beide Fälle, nämlich für den Fall einer Neuwahl oder
für den Fall der Wiedereinberufung der alten Ständeversammlung hat er
Fürsorge getroffen, daß von den größern Grundbesitzern mehre Personen, die
bisher mitwählten, ausgeschieden werden, indem er bei den vorschriftsmäßigen
200 Ackern die Waldungen nicht mit einrechnen will. Nach dieser Inter¬
pretation würden nämlich zwei Deputirte der Opposition ausfallen und die
künstlich hervorgebrachte Minorität hätte kein Mittel, dieser ungesetzlichen Aus¬
scheidung entgegenzutreten. Kann es, fragen wir, die Absicht der Bundes¬
versammlung sein, solchen Zuständen noch ferner ruhig zuzuschauen?

Nach unsrer Ansicht gibt es nur einen Weg für die Bundesversammlung:
dieselbe muß dem Minister befehlen, den Bundesbeschluß vom 27. März 18S2


Ständeversammlung gar nicht vertreten sein können. Dieses scheint über¬
haupt der Zweck der ganzen Verordnung zu sein. Man will versuchen, mit
den Abgeordneten des platten Landes, welche aus 32 Personen bestehen, die
neue Verfassung dem Lande aufzubürden. Denn es bedarf ja nur 33 Ab¬
geordneter, um die zweite Kammer beschlußfähig zumachen, einige Abgeordnete
aus den Städten würden sich wol noch finden. Aber auch hiermit noch nicht
genug. Herr Hassenpflug trifft noch weitere Vorkehrungen zur Durchsetzung sei¬
nes Willens. Er gibt in der Verordnung vom 22. December 1853 ez. 8 die
Vorschrift, daß den zu Gemeindeausschuß- und Gemeinderathsmitgliedern er¬
wählten Personen die Bestätigung (die Gesetzmäßigkeitserklärung) versagt werden
soll, wenn bei ihnen eine feindselige Parteinahme gegen die Staatsordnung
oder gegen die Staatsregierung auf irgendeine Weise vorgetreten sei. Diese
„Gesetzmäßigkeitserklärung" geben Verwaltungsbehörden und in letzter Instanz
das Ministerium ab. Die Negierung kann also für 32 Abgeordnete (Stadt-
und Landgemeinden) sich die Wahlmänner selbst zusammensetzen, beziehungs¬
weise jeden ihr mißliebigen Wahlmann beseitigen. ^

Selbst in dem nicht ganz unwahrscheinlichen Falle, daß Hassenpflug ge¬
nöthigt würde, binnen kurzem die Stände, also die bereits geschlossene Stände-
versammlung wieder einzuberufen, weil die dringenden finanziellen Bedürfnisse
des Landes keinen Aufschub mehr erlauben, sind durch die bereits geschehenen
Gewaltthätigkeiten die Stände kaum noch zum Widerstand fähig. Eine Reihe
von Bürgermeistern, welche Mitglieder der zweiten Kammer sind, sollen unter
allen Umständen auf Grund der Verordnung vom 23. December 1853 aus¬
geschieden werden. Herr Hassenpflug beruft nämlich diese Personen gar nicht
ein, die zweite Kammer bleibt beschlußfähig, aber die bisherige Majorität der
Kammer wird zur Minorität und damit ist dann auch die Einberufung jenes
Deputirten durch die Kammer unmöglich geworden. Herr Hassenpflug wird
dann vielleicht selbst die Wahl in die unvertretenen Wahlbezirke anordnen, aber
bevor diese geschehen kann, hat er in der zweiten Kammer alles durchgesetzt,
was er will. Für beide Fälle, nämlich für den Fall einer Neuwahl oder
für den Fall der Wiedereinberufung der alten Ständeversammlung hat er
Fürsorge getroffen, daß von den größern Grundbesitzern mehre Personen, die
bisher mitwählten, ausgeschieden werden, indem er bei den vorschriftsmäßigen
200 Ackern die Waldungen nicht mit einrechnen will. Nach dieser Inter¬
pretation würden nämlich zwei Deputirte der Opposition ausfallen und die
künstlich hervorgebrachte Minorität hätte kein Mittel, dieser ungesetzlichen Aus¬
scheidung entgegenzutreten. Kann es, fragen wir, die Absicht der Bundes¬
versammlung sein, solchen Zuständen noch ferner ruhig zuzuschauen?

Nach unsrer Ansicht gibt es nur einen Weg für die Bundesversammlung:
dieselbe muß dem Minister befehlen, den Bundesbeschluß vom 27. März 18S2


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[0343] Ständeversammlung gar nicht vertreten sein können. Dieses scheint über¬ haupt der Zweck der ganzen Verordnung zu sein. Man will versuchen, mit den Abgeordneten des platten Landes, welche aus 32 Personen bestehen, die neue Verfassung dem Lande aufzubürden. Denn es bedarf ja nur 33 Ab¬ geordneter, um die zweite Kammer beschlußfähig zumachen, einige Abgeordnete aus den Städten würden sich wol noch finden. Aber auch hiermit noch nicht genug. Herr Hassenpflug trifft noch weitere Vorkehrungen zur Durchsetzung sei¬ nes Willens. Er gibt in der Verordnung vom 22. December 1853 ez. 8 die Vorschrift, daß den zu Gemeindeausschuß- und Gemeinderathsmitgliedern er¬ wählten Personen die Bestätigung (die Gesetzmäßigkeitserklärung) versagt werden soll, wenn bei ihnen eine feindselige Parteinahme gegen die Staatsordnung oder gegen die Staatsregierung auf irgendeine Weise vorgetreten sei. Diese „Gesetzmäßigkeitserklärung" geben Verwaltungsbehörden und in letzter Instanz das Ministerium ab. Die Negierung kann also für 32 Abgeordnete (Stadt- und Landgemeinden) sich die Wahlmänner selbst zusammensetzen, beziehungs¬ weise jeden ihr mißliebigen Wahlmann beseitigen. ^ Selbst in dem nicht ganz unwahrscheinlichen Falle, daß Hassenpflug ge¬ nöthigt würde, binnen kurzem die Stände, also die bereits geschlossene Stände- versammlung wieder einzuberufen, weil die dringenden finanziellen Bedürfnisse des Landes keinen Aufschub mehr erlauben, sind durch die bereits geschehenen Gewaltthätigkeiten die Stände kaum noch zum Widerstand fähig. Eine Reihe von Bürgermeistern, welche Mitglieder der zweiten Kammer sind, sollen unter allen Umständen auf Grund der Verordnung vom 23. December 1853 aus¬ geschieden werden. Herr Hassenpflug beruft nämlich diese Personen gar nicht ein, die zweite Kammer bleibt beschlußfähig, aber die bisherige Majorität der Kammer wird zur Minorität und damit ist dann auch die Einberufung jenes Deputirten durch die Kammer unmöglich geworden. Herr Hassenpflug wird dann vielleicht selbst die Wahl in die unvertretenen Wahlbezirke anordnen, aber bevor diese geschehen kann, hat er in der zweiten Kammer alles durchgesetzt, was er will. Für beide Fälle, nämlich für den Fall einer Neuwahl oder für den Fall der Wiedereinberufung der alten Ständeversammlung hat er Fürsorge getroffen, daß von den größern Grundbesitzern mehre Personen, die bisher mitwählten, ausgeschieden werden, indem er bei den vorschriftsmäßigen 200 Ackern die Waldungen nicht mit einrechnen will. Nach dieser Inter¬ pretation würden nämlich zwei Deputirte der Opposition ausfallen und die künstlich hervorgebrachte Minorität hätte kein Mittel, dieser ungesetzlichen Aus¬ scheidung entgegenzutreten. Kann es, fragen wir, die Absicht der Bundes¬ versammlung sein, solchen Zuständen noch ferner ruhig zuzuschauen? Nach unsrer Ansicht gibt es nur einen Weg für die Bundesversammlung: dieselbe muß dem Minister befehlen, den Bundesbeschluß vom 27. März 18S2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/343>, abgerufen am 22.07.2024.