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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Neue Romane.
Ein Staatsgeheimniß. Roman von Levin Schücking, 3. Bd. Leipzig,
Brockhaus. --

Der geschickte Novellist hat in diesem Roman die Geschichte des bekannten
Abenteurers Naundorf behandelt, der -1843 in Holland starb und sich für den
Sohn Ludwigs XVI. ausgab, welcher im Tempel nicht gestorben sei, sondern
an dessen Stelle man einen andern Knaben begraben habe. Der Verfasser
schenkt den Erzählungen dieses Abenteurers vollen Glauben, und die Documente,
welche derselbe für sich anführt, nehmen einen großen Theil des Romans ein.
-- Wir haben bereits früher ein historisches Werk angeführt, in welchem die
Geschichte dieses unglücklichen Prinzen behandelt ist. Louis XVll. La vo,
son axonicz, su mort. OaMvitv alö in lamMe royal an templo. OuvraFv en-
riolü Z'autoxrapliLS) cle Portraits et c>o utans par N. alö övaulllnzsnll.
Wer dieses Werk, welches durchaus auf Originalurkunden begründet ist, auf¬
merksam durchliest, kann an dem wirklichen Tode des unglücklichen Gefangenen
nicht zweifeln. Nun wird es zwar bis zu einer gewissen Grenze dem Novel¬
listen verstattet sein müssen, über die historischen Thatsachen nach Willkür zu
verfügen, wenigstens wenn diese wirklichen Dunkel gehüllt sind. Aber es
bleibt doch immer ein gewagtes Unternehmen, wenn sehr bekannte, uus nahe¬
stehende Persönlichkeiten darin verwickelt sind, und wenn die angeblich historische
Entdeckung alles romantische Interesse in sich concentrirt. Denn was sich nicht
unmittelbar auf diese dunkle Intrigue bezieht, ist sehr oberflächlich behandelt.
Namentlich ist das psychologische Interesse fast gar nicht vertreten. Einzelne
humoristische Genrebilder ans den Sitten jener Zeit sind sehr gelungen. Auch ist
die eigentliche Intrigue nicht ohne Geschick angelegt, obgleich die Pointe fehlt. --


Regina. Eine Novelle von Heinr.ich König. 2. Auflage. Leipzig, Brockhaus.
(Gesammelte Schriften von H. König, -I. Band.) --

Der Dichter beginnt mit dieser neuen Auflage seiner Herzensgeschichte die
Gesammtausgabe seiner Werke. Er sammelt in der Vorrede einige Zeugnisse
für die gute Aufnahme seiner Romane vom Publieum und von der Kritik und
wir wollen diese Thatsache gern constatiren. Wir wollen sie auch nicht im
geringsten dadurch erschüttern, daß wir uns diesem Urtheil nicht anschließen.
Für unsre Person aber müssen wir offen gestehen, daß wir die Regina für ein
sehr schlechtes Buch halten. Der Stil ist schlecht, er ist von der überschweng¬
lichsten Manier, auffallend geziert und dabei doch trivial; die Erzählung ist
schlecht, sie ist undeutlich, verworren, sie verweilt sehr lange und ausführlich
bei Nebensachen, berührt die Hauptpunkte oberflächlich und springt über die


Neue Romane.
Ein Staatsgeheimniß. Roman von Levin Schücking, 3. Bd. Leipzig,
Brockhaus. —

Der geschickte Novellist hat in diesem Roman die Geschichte des bekannten
Abenteurers Naundorf behandelt, der -1843 in Holland starb und sich für den
Sohn Ludwigs XVI. ausgab, welcher im Tempel nicht gestorben sei, sondern
an dessen Stelle man einen andern Knaben begraben habe. Der Verfasser
schenkt den Erzählungen dieses Abenteurers vollen Glauben, und die Documente,
welche derselbe für sich anführt, nehmen einen großen Theil des Romans ein.
— Wir haben bereits früher ein historisches Werk angeführt, in welchem die
Geschichte dieses unglücklichen Prinzen behandelt ist. Louis XVll. La vo,
son axonicz, su mort. OaMvitv alö in lamMe royal an templo. OuvraFv en-
riolü Z'autoxrapliLS) cle Portraits et c>o utans par N. alö övaulllnzsnll.
Wer dieses Werk, welches durchaus auf Originalurkunden begründet ist, auf¬
merksam durchliest, kann an dem wirklichen Tode des unglücklichen Gefangenen
nicht zweifeln. Nun wird es zwar bis zu einer gewissen Grenze dem Novel¬
listen verstattet sein müssen, über die historischen Thatsachen nach Willkür zu
verfügen, wenigstens wenn diese wirklichen Dunkel gehüllt sind. Aber es
bleibt doch immer ein gewagtes Unternehmen, wenn sehr bekannte, uus nahe¬
stehende Persönlichkeiten darin verwickelt sind, und wenn die angeblich historische
Entdeckung alles romantische Interesse in sich concentrirt. Denn was sich nicht
unmittelbar auf diese dunkle Intrigue bezieht, ist sehr oberflächlich behandelt.
Namentlich ist das psychologische Interesse fast gar nicht vertreten. Einzelne
humoristische Genrebilder ans den Sitten jener Zeit sind sehr gelungen. Auch ist
die eigentliche Intrigue nicht ohne Geschick angelegt, obgleich die Pointe fehlt. —


Regina. Eine Novelle von Heinr.ich König. 2. Auflage. Leipzig, Brockhaus.
(Gesammelte Schriften von H. König, -I. Band.) —

Der Dichter beginnt mit dieser neuen Auflage seiner Herzensgeschichte die
Gesammtausgabe seiner Werke. Er sammelt in der Vorrede einige Zeugnisse
für die gute Aufnahme seiner Romane vom Publieum und von der Kritik und
wir wollen diese Thatsache gern constatiren. Wir wollen sie auch nicht im
geringsten dadurch erschüttern, daß wir uns diesem Urtheil nicht anschließen.
Für unsre Person aber müssen wir offen gestehen, daß wir die Regina für ein
sehr schlechtes Buch halten. Der Stil ist schlecht, er ist von der überschweng¬
lichsten Manier, auffallend geziert und dabei doch trivial; die Erzählung ist
schlecht, sie ist undeutlich, verworren, sie verweilt sehr lange und ausführlich
bei Nebensachen, berührt die Hauptpunkte oberflächlich und springt über die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/31>, abgerufen am 22.07.2024.