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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Demokratie nur der kleinere Theil, der war für ein östreichisch-deutsches Kaiser-
thum. Man wählte einen östreichischen Prinzen zum Reichsverweser, man
schickte von Frankfurt aus Decrete an das preußische Militär, kurz man behan¬
delte Preußen.so ziemlich als eroberte Provinz, bis plötzlich die öffentliche Mei¬
nung in das Gegentheil umschlug.

Der Grund davon war, daß bei der allmäligen Beruhigung der Gemüther
die Enthusiasten den sogenannten Dvclrinärs weichen mußten, daß man sich
mehr und mehr von der Unmöglichkeit überzeugte, den preußischen Staat durch
Decrete von Frankfurt aus in Bewegung zu setzen, daß man sich 'wieder daran
erinnerte, wie seit 1813 unter Metternichs Leitung die östreichische Hegemonie
das mächtigste Hinderniß für die freie deutsche Entwicklung gewesen sei, wäh¬
rend sich in Preußen trotz aller einzelnen Schlechtigkeiten doch das wirklich
deutsche Leben krhstallisirte. Es kam hinzu, daß der vermeintliche Untergang
der preußischen Monarchie sich nicht bestätigte, während die östreichische Ne¬
gierung in immer größere Noth geriet!). So hoffte man nun mit Preußens
Hilfe Oestreich zu unterdrücken und auf diese Weise die Einheit Deutschlands
herzustellen.

Wenn man die vielen Widersprüche in der endlich in Frankfurt beschlossenen
Verfassung einigermaßen erklären will, so'muß man sich daran erinnern, daß
der Schlußstein dieser Verfassung ein ganz andrer war, als den man ursprünglich
beabsichtigt hatte. Es lag in der Idee der Nationalversammlung, auf demokra¬
tisch constitutioneller Grundlage zu Frankfurt ein neues Kaiserthum zu errichten,
welches die bestehenden Staaten zertrümmern oder sie wenigstens zu der Ab¬
hängigkeit von Provinzen herabdrücken sollte. Die Demokraten hätten gern
dieses Geschäft einem der ihrigen übertragen, die Politiker des Centrums aber
sahen ein, daß man es nur mit der Hilfe von Bajonetten durchsetzen könne,
daß also die Kaiserwahl nur dann einen Sinn habe, wenn sie jemand träfe,
der Bajonette zu seiner Verfügung hätte. Aus diesem Grunde wählten sie den
König von Preußen, indem sie dabei aber dieselbe Vorstellung hatten, wie die
Demokraten. Der vom Parlament gewählte Kaiser sollte demselben die preu¬
ßischen Staatskräfte zur Verfügung stellen und mit ihrer Hilfe auch Oestreich
erobern.

Dies Project wurde durch das Gagernsche Programm ganz und gar ver¬
ändert. Die Politiker des rechten Centrums begriffen das Unheilvolle eines
Bürgerkrieges, sie begriffen auch die Nothwendigkeit des östreichischen Gesammt-
staates für Deutschland und für die Civilisation im allgemeinen; sie faßten
daher die Idee einer Trennung Deutschlands von Oestreich unter preußischer
Hegemonie. Aber diese Idee, die an sich fruchtbar hätte sein können, wurde.da¬
durch verkümmert, daß man sie auf einer ganz falschen Basis aufführen mußte.
Dem Plan der ganzen Reichsverfassung lag einerseits die Volkssouveränetät,


Demokratie nur der kleinere Theil, der war für ein östreichisch-deutsches Kaiser-
thum. Man wählte einen östreichischen Prinzen zum Reichsverweser, man
schickte von Frankfurt aus Decrete an das preußische Militär, kurz man behan¬
delte Preußen.so ziemlich als eroberte Provinz, bis plötzlich die öffentliche Mei¬
nung in das Gegentheil umschlug.

Der Grund davon war, daß bei der allmäligen Beruhigung der Gemüther
die Enthusiasten den sogenannten Dvclrinärs weichen mußten, daß man sich
mehr und mehr von der Unmöglichkeit überzeugte, den preußischen Staat durch
Decrete von Frankfurt aus in Bewegung zu setzen, daß man sich 'wieder daran
erinnerte, wie seit 1813 unter Metternichs Leitung die östreichische Hegemonie
das mächtigste Hinderniß für die freie deutsche Entwicklung gewesen sei, wäh¬
rend sich in Preußen trotz aller einzelnen Schlechtigkeiten doch das wirklich
deutsche Leben krhstallisirte. Es kam hinzu, daß der vermeintliche Untergang
der preußischen Monarchie sich nicht bestätigte, während die östreichische Ne¬
gierung in immer größere Noth geriet!). So hoffte man nun mit Preußens
Hilfe Oestreich zu unterdrücken und auf diese Weise die Einheit Deutschlands
herzustellen.

Wenn man die vielen Widersprüche in der endlich in Frankfurt beschlossenen
Verfassung einigermaßen erklären will, so'muß man sich daran erinnern, daß
der Schlußstein dieser Verfassung ein ganz andrer war, als den man ursprünglich
beabsichtigt hatte. Es lag in der Idee der Nationalversammlung, auf demokra¬
tisch constitutioneller Grundlage zu Frankfurt ein neues Kaiserthum zu errichten,
welches die bestehenden Staaten zertrümmern oder sie wenigstens zu der Ab¬
hängigkeit von Provinzen herabdrücken sollte. Die Demokraten hätten gern
dieses Geschäft einem der ihrigen übertragen, die Politiker des Centrums aber
sahen ein, daß man es nur mit der Hilfe von Bajonetten durchsetzen könne,
daß also die Kaiserwahl nur dann einen Sinn habe, wenn sie jemand träfe,
der Bajonette zu seiner Verfügung hätte. Aus diesem Grunde wählten sie den
König von Preußen, indem sie dabei aber dieselbe Vorstellung hatten, wie die
Demokraten. Der vom Parlament gewählte Kaiser sollte demselben die preu¬
ßischen Staatskräfte zur Verfügung stellen und mit ihrer Hilfe auch Oestreich
erobern.

Dies Project wurde durch das Gagernsche Programm ganz und gar ver¬
ändert. Die Politiker des rechten Centrums begriffen das Unheilvolle eines
Bürgerkrieges, sie begriffen auch die Nothwendigkeit des östreichischen Gesammt-
staates für Deutschland und für die Civilisation im allgemeinen; sie faßten
daher die Idee einer Trennung Deutschlands von Oestreich unter preußischer
Hegemonie. Aber diese Idee, die an sich fruchtbar hätte sein können, wurde.da¬
durch verkümmert, daß man sie auf einer ganz falschen Basis aufführen mußte.
Dem Plan der ganzen Reichsverfassung lag einerseits die Volkssouveränetät,


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[0290] Demokratie nur der kleinere Theil, der war für ein östreichisch-deutsches Kaiser- thum. Man wählte einen östreichischen Prinzen zum Reichsverweser, man schickte von Frankfurt aus Decrete an das preußische Militär, kurz man behan¬ delte Preußen.so ziemlich als eroberte Provinz, bis plötzlich die öffentliche Mei¬ nung in das Gegentheil umschlug. Der Grund davon war, daß bei der allmäligen Beruhigung der Gemüther die Enthusiasten den sogenannten Dvclrinärs weichen mußten, daß man sich mehr und mehr von der Unmöglichkeit überzeugte, den preußischen Staat durch Decrete von Frankfurt aus in Bewegung zu setzen, daß man sich 'wieder daran erinnerte, wie seit 1813 unter Metternichs Leitung die östreichische Hegemonie das mächtigste Hinderniß für die freie deutsche Entwicklung gewesen sei, wäh¬ rend sich in Preußen trotz aller einzelnen Schlechtigkeiten doch das wirklich deutsche Leben krhstallisirte. Es kam hinzu, daß der vermeintliche Untergang der preußischen Monarchie sich nicht bestätigte, während die östreichische Ne¬ gierung in immer größere Noth geriet!). So hoffte man nun mit Preußens Hilfe Oestreich zu unterdrücken und auf diese Weise die Einheit Deutschlands herzustellen. Wenn man die vielen Widersprüche in der endlich in Frankfurt beschlossenen Verfassung einigermaßen erklären will, so'muß man sich daran erinnern, daß der Schlußstein dieser Verfassung ein ganz andrer war, als den man ursprünglich beabsichtigt hatte. Es lag in der Idee der Nationalversammlung, auf demokra¬ tisch constitutioneller Grundlage zu Frankfurt ein neues Kaiserthum zu errichten, welches die bestehenden Staaten zertrümmern oder sie wenigstens zu der Ab¬ hängigkeit von Provinzen herabdrücken sollte. Die Demokraten hätten gern dieses Geschäft einem der ihrigen übertragen, die Politiker des Centrums aber sahen ein, daß man es nur mit der Hilfe von Bajonetten durchsetzen könne, daß also die Kaiserwahl nur dann einen Sinn habe, wenn sie jemand träfe, der Bajonette zu seiner Verfügung hätte. Aus diesem Grunde wählten sie den König von Preußen, indem sie dabei aber dieselbe Vorstellung hatten, wie die Demokraten. Der vom Parlament gewählte Kaiser sollte demselben die preu¬ ßischen Staatskräfte zur Verfügung stellen und mit ihrer Hilfe auch Oestreich erobern. Dies Project wurde durch das Gagernsche Programm ganz und gar ver¬ ändert. Die Politiker des rechten Centrums begriffen das Unheilvolle eines Bürgerkrieges, sie begriffen auch die Nothwendigkeit des östreichischen Gesammt- staates für Deutschland und für die Civilisation im allgemeinen; sie faßten daher die Idee einer Trennung Deutschlands von Oestreich unter preußischer Hegemonie. Aber diese Idee, die an sich fruchtbar hätte sein können, wurde.da¬ durch verkümmert, daß man sie auf einer ganz falschen Basis aufführen mußte. Dem Plan der ganzen Reichsverfassung lag einerseits die Volkssouveränetät,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/290>, abgerufen am 03.07.2024.