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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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theidigung bereit ist. Alsdann wandelt die Bresche sich in ein Defilee um,
welches zu passiren ist, um -- definitiv eine Schlacht zu schlagen. Dieses
wird nur wenig anders, wenn man, anstatt einer Lücke für den Sturm,
deren mehre erschossen. Dabei muß erwogen werden, daß die Festungsar¬
tillerie eine unermeßliche Fundgrube für den Ersatz ihrer Geschützrohre und
Lafetten in dem Armement der Flotte besitzt, und daß der Fall undenkbar ist,
in welchem es dem Vertheidiger unmöglich werden sollte: im Augenblick des
Sturmes Batterien auf der Bresche und seitswärts derselben, zu ihrer Flan-
kirung, zu etabliren.

Auf diese Umstände gründe ich meine Ansicht, wonach der Angriff nicht
den geregelten Verlauf nehmen wird, welchen ihm die Vorschriften Vaubans
geben. In jedem Falle wird die Artillerie der Belagernden, bevor man zum
Sturm schreitet, ein größeres Zerstörungswerk zu vollbringen haben.

Bekanntlich besteht die Stock- und Arsenalenceinte aus sechs langen Linien'
in deren Eckpunkten, behufs der Flankirung und um diese stets schwachen
Stellen zu sichern, Thürme mit wie es scheint redvutensörmigem Wallum¬
schluß gelegen sind, die wol nach dem Modell der sogenannten Marimilia-
nischen Thürme bei Linz, aber auf Grundlage eines erweiterten Maßstabes
construirt wurden. Das Geschütz dieser Thürme ist auf ihren Plattformen
placirt, wird aller Wahrscheinlichkeit nach hinter Scharten bedient, und soll
aus je 20 Kanonen von mittlerem Kaliber und fünf großen Haubitzen be¬
stehen. Die Engländer und Franzosen errichteten gegen jeden Thurm eine An¬
griffsbatterie, welche sie mit achtundsechzigpfündigen Schiffscarronaden und je
einem Lancastcrgeschütz bewaffneten. Außerdem sind zahlreiche Mörserbatterien
dazu bestimmt, unablässig die Plattformen zu bewerfen.

Es ist beim sogenannten Südthurm, wo die Hauptanstrengungen der
Belagerer sich vereinigen. Zunächst demselben wird höchst wahrscheinlich eine
ganze Zwischenlinie in Bresche gelegt werden, um den Sturm in breitester
Fronte, mithin unter gleichzeitiger Mitwirkung der größten Kräfte, durchführen
zu können. Die türkische Division auf der Krim hat den Lord Raglan um
die Ehre gebeten,'die ersten Colonnen bei dieser Gelegenheit formiren zu
dürfen.

Der seewärtige Angriff aus die Festung scheint aufgegeben worden zu
sein, wenn auch nur einstweilen. Kommt der Sturm auf die Fronte zunächst
dem Südthurm zur Ausführung, dann wird die Flotte jedenfalls, zur Förde¬
rung des Unternehmens, eine Diversion machen.




theidigung bereit ist. Alsdann wandelt die Bresche sich in ein Defilee um,
welches zu passiren ist, um — definitiv eine Schlacht zu schlagen. Dieses
wird nur wenig anders, wenn man, anstatt einer Lücke für den Sturm,
deren mehre erschossen. Dabei muß erwogen werden, daß die Festungsar¬
tillerie eine unermeßliche Fundgrube für den Ersatz ihrer Geschützrohre und
Lafetten in dem Armement der Flotte besitzt, und daß der Fall undenkbar ist,
in welchem es dem Vertheidiger unmöglich werden sollte: im Augenblick des
Sturmes Batterien auf der Bresche und seitswärts derselben, zu ihrer Flan-
kirung, zu etabliren.

Auf diese Umstände gründe ich meine Ansicht, wonach der Angriff nicht
den geregelten Verlauf nehmen wird, welchen ihm die Vorschriften Vaubans
geben. In jedem Falle wird die Artillerie der Belagernden, bevor man zum
Sturm schreitet, ein größeres Zerstörungswerk zu vollbringen haben.

Bekanntlich besteht die Stock- und Arsenalenceinte aus sechs langen Linien'
in deren Eckpunkten, behufs der Flankirung und um diese stets schwachen
Stellen zu sichern, Thürme mit wie es scheint redvutensörmigem Wallum¬
schluß gelegen sind, die wol nach dem Modell der sogenannten Marimilia-
nischen Thürme bei Linz, aber auf Grundlage eines erweiterten Maßstabes
construirt wurden. Das Geschütz dieser Thürme ist auf ihren Plattformen
placirt, wird aller Wahrscheinlichkeit nach hinter Scharten bedient, und soll
aus je 20 Kanonen von mittlerem Kaliber und fünf großen Haubitzen be¬
stehen. Die Engländer und Franzosen errichteten gegen jeden Thurm eine An¬
griffsbatterie, welche sie mit achtundsechzigpfündigen Schiffscarronaden und je
einem Lancastcrgeschütz bewaffneten. Außerdem sind zahlreiche Mörserbatterien
dazu bestimmt, unablässig die Plattformen zu bewerfen.

Es ist beim sogenannten Südthurm, wo die Hauptanstrengungen der
Belagerer sich vereinigen. Zunächst demselben wird höchst wahrscheinlich eine
ganze Zwischenlinie in Bresche gelegt werden, um den Sturm in breitester
Fronte, mithin unter gleichzeitiger Mitwirkung der größten Kräfte, durchführen
zu können. Die türkische Division auf der Krim hat den Lord Raglan um
die Ehre gebeten,'die ersten Colonnen bei dieser Gelegenheit formiren zu
dürfen.

Der seewärtige Angriff aus die Festung scheint aufgegeben worden zu
sein, wenn auch nur einstweilen. Kommt der Sturm auf die Fronte zunächst
dem Südthurm zur Ausführung, dann wird die Flotte jedenfalls, zur Förde¬
rung des Unternehmens, eine Diversion machen.




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[0279] theidigung bereit ist. Alsdann wandelt die Bresche sich in ein Defilee um, welches zu passiren ist, um — definitiv eine Schlacht zu schlagen. Dieses wird nur wenig anders, wenn man, anstatt einer Lücke für den Sturm, deren mehre erschossen. Dabei muß erwogen werden, daß die Festungsar¬ tillerie eine unermeßliche Fundgrube für den Ersatz ihrer Geschützrohre und Lafetten in dem Armement der Flotte besitzt, und daß der Fall undenkbar ist, in welchem es dem Vertheidiger unmöglich werden sollte: im Augenblick des Sturmes Batterien auf der Bresche und seitswärts derselben, zu ihrer Flan- kirung, zu etabliren. Auf diese Umstände gründe ich meine Ansicht, wonach der Angriff nicht den geregelten Verlauf nehmen wird, welchen ihm die Vorschriften Vaubans geben. In jedem Falle wird die Artillerie der Belagernden, bevor man zum Sturm schreitet, ein größeres Zerstörungswerk zu vollbringen haben. Bekanntlich besteht die Stock- und Arsenalenceinte aus sechs langen Linien' in deren Eckpunkten, behufs der Flankirung und um diese stets schwachen Stellen zu sichern, Thürme mit wie es scheint redvutensörmigem Wallum¬ schluß gelegen sind, die wol nach dem Modell der sogenannten Marimilia- nischen Thürme bei Linz, aber auf Grundlage eines erweiterten Maßstabes construirt wurden. Das Geschütz dieser Thürme ist auf ihren Plattformen placirt, wird aller Wahrscheinlichkeit nach hinter Scharten bedient, und soll aus je 20 Kanonen von mittlerem Kaliber und fünf großen Haubitzen be¬ stehen. Die Engländer und Franzosen errichteten gegen jeden Thurm eine An¬ griffsbatterie, welche sie mit achtundsechzigpfündigen Schiffscarronaden und je einem Lancastcrgeschütz bewaffneten. Außerdem sind zahlreiche Mörserbatterien dazu bestimmt, unablässig die Plattformen zu bewerfen. Es ist beim sogenannten Südthurm, wo die Hauptanstrengungen der Belagerer sich vereinigen. Zunächst demselben wird höchst wahrscheinlich eine ganze Zwischenlinie in Bresche gelegt werden, um den Sturm in breitester Fronte, mithin unter gleichzeitiger Mitwirkung der größten Kräfte, durchführen zu können. Die türkische Division auf der Krim hat den Lord Raglan um die Ehre gebeten,'die ersten Colonnen bei dieser Gelegenheit formiren zu dürfen. Der seewärtige Angriff aus die Festung scheint aufgegeben worden zu sein, wenn auch nur einstweilen. Kommt der Sturm auf die Fronte zunächst dem Südthurm zur Ausführung, dann wird die Flotte jedenfalls, zur Förde¬ rung des Unternehmens, eine Diversion machen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/279>, abgerufen am 29.12.2024.