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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Nebendinge. In Betreff dieser großen Hauptsache handelte man durchweg con-
sequent. Bei Einleitung der Belagerung verlor man keinen Augenblick, die
Hauptangriffslinien gegenüber dem Hauptobject, dem Kriegshafen, zu ziehen,
und weniger als die Stadt selbst waren die Kriegsschiffe Zielpunkt der eng¬
lischen und französischen Batterien.

Auf Grundlage der eben ausgeführten Entwicklung läßt sich nicht das
aufbauen, was man das Gerüst oder die Grundlinien des Angriffsplanes
nennen könnte. Als nächsten Zweck verfolgen die Verbündeten den, die russische
Flotte zu vernichten. Um so besser, wenn dies geschehen kann, bevor noch die
Festung in ihre Hände gefallen ist. Um letzteren Act aber, und zwar so schnell
als möglich, herbeizuführen, ist darum nicht minder als Zielpunkt, indem er allein
die Garantie verschafft, die Zerstörung der Seemacht von Grund aus durch¬
zuführen. Es würde hierzu auch die Sprengung der sieben trockenen Docks
gehören, die von der Arsenalbefestigung eingeschlossen sind, was selbstredend
von auswärts her nicht auszuführen ist, und außerdem auch solange bean¬
standet werden muß, als es unentschieden ist, ob Sebastopol den Verbündeten
bleibend gehören wird oder nicht. Denn für den ersteren Fall entzöge man
sich mit den Docks eine der Hauptressourcen des Hafens, der grade im Laufe
des Kriegs außerordentliche Dienste leisten würde.

Welche Gestaltung demnach auch die Ereignisse immerhin annehmen
mögen: die Wegnahme deS Platzes bleibt für alle Fälle Aufgabe der Ver¬
bündeten. Nachdem dies festgestellt worden, unterliegt der Hauptpunkt, in
welcher Weise der Angriff diese Wegnahme zu bewirken gedenkt, der Erörterung.

Flete Sebastopol >in die Kategorie der gewöhnlichen Festungen und wal¬
teten hier nicht außerdem noch ganz besondere Umstände ob, so wäre die Ant¬
wort auf die gestellte Frage nicht schwer. Der Angriff würde den Weg ein¬
schlagen, wie ihn die Vaubansche Schule vorschreibt. Nach Ausführung einer
ersten, zweiten und dritten Reihe von Angriffsbattenen (erste, zweite und dritte
Parallele) und der unerläßlichen Vorbauung auf dem etwaigen Glacis würde
man Bresche in die Hauptumfassung legen und stürmen lassen. Dieses unter¬
ließe unter den gemachten Voraussetzungen keinen großen Schwierigkeiten, indem
die Vernichtung der Festungsartillerie durch Ricochett- und Demontirbatterien
dem Feind in der Regel die Möglichkeit entzogen, gegen die Angreifenden ein
wirksames Flankenfeuer (zur Bestreichung des Grabens) spielen zu lassen, und
so niedergeschlagen und ihres moralischen Halts beraubt'pflegen die Besatzungen
zu fein, daß in der großen Kriegsperiode, welche das letzte Jahrhundert schloß
und das unsrige eröffnete, die meisten Plätze sich zur Kapitulation bereitfan.den,
nachdem die Bresche gangbar-geworden war.

Allein diese Umstände werden anders, wenn hinter der Sturmlücke eine
ganze Armee, -- und "0,000 Mann verdienen diesen Namen -- zur Ver-


Nebendinge. In Betreff dieser großen Hauptsache handelte man durchweg con-
sequent. Bei Einleitung der Belagerung verlor man keinen Augenblick, die
Hauptangriffslinien gegenüber dem Hauptobject, dem Kriegshafen, zu ziehen,
und weniger als die Stadt selbst waren die Kriegsschiffe Zielpunkt der eng¬
lischen und französischen Batterien.

Auf Grundlage der eben ausgeführten Entwicklung läßt sich nicht das
aufbauen, was man das Gerüst oder die Grundlinien des Angriffsplanes
nennen könnte. Als nächsten Zweck verfolgen die Verbündeten den, die russische
Flotte zu vernichten. Um so besser, wenn dies geschehen kann, bevor noch die
Festung in ihre Hände gefallen ist. Um letzteren Act aber, und zwar so schnell
als möglich, herbeizuführen, ist darum nicht minder als Zielpunkt, indem er allein
die Garantie verschafft, die Zerstörung der Seemacht von Grund aus durch¬
zuführen. Es würde hierzu auch die Sprengung der sieben trockenen Docks
gehören, die von der Arsenalbefestigung eingeschlossen sind, was selbstredend
von auswärts her nicht auszuführen ist, und außerdem auch solange bean¬
standet werden muß, als es unentschieden ist, ob Sebastopol den Verbündeten
bleibend gehören wird oder nicht. Denn für den ersteren Fall entzöge man
sich mit den Docks eine der Hauptressourcen des Hafens, der grade im Laufe
des Kriegs außerordentliche Dienste leisten würde.

Welche Gestaltung demnach auch die Ereignisse immerhin annehmen
mögen: die Wegnahme deS Platzes bleibt für alle Fälle Aufgabe der Ver¬
bündeten. Nachdem dies festgestellt worden, unterliegt der Hauptpunkt, in
welcher Weise der Angriff diese Wegnahme zu bewirken gedenkt, der Erörterung.

Flete Sebastopol >in die Kategorie der gewöhnlichen Festungen und wal¬
teten hier nicht außerdem noch ganz besondere Umstände ob, so wäre die Ant¬
wort auf die gestellte Frage nicht schwer. Der Angriff würde den Weg ein¬
schlagen, wie ihn die Vaubansche Schule vorschreibt. Nach Ausführung einer
ersten, zweiten und dritten Reihe von Angriffsbattenen (erste, zweite und dritte
Parallele) und der unerläßlichen Vorbauung auf dem etwaigen Glacis würde
man Bresche in die Hauptumfassung legen und stürmen lassen. Dieses unter¬
ließe unter den gemachten Voraussetzungen keinen großen Schwierigkeiten, indem
die Vernichtung der Festungsartillerie durch Ricochett- und Demontirbatterien
dem Feind in der Regel die Möglichkeit entzogen, gegen die Angreifenden ein
wirksames Flankenfeuer (zur Bestreichung des Grabens) spielen zu lassen, und
so niedergeschlagen und ihres moralischen Halts beraubt'pflegen die Besatzungen
zu fein, daß in der großen Kriegsperiode, welche das letzte Jahrhundert schloß
und das unsrige eröffnete, die meisten Plätze sich zur Kapitulation bereitfan.den,
nachdem die Bresche gangbar-geworden war.

Allein diese Umstände werden anders, wenn hinter der Sturmlücke eine
ganze Armee, — und »0,000 Mann verdienen diesen Namen — zur Ver-


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[0278] Nebendinge. In Betreff dieser großen Hauptsache handelte man durchweg con- sequent. Bei Einleitung der Belagerung verlor man keinen Augenblick, die Hauptangriffslinien gegenüber dem Hauptobject, dem Kriegshafen, zu ziehen, und weniger als die Stadt selbst waren die Kriegsschiffe Zielpunkt der eng¬ lischen und französischen Batterien. Auf Grundlage der eben ausgeführten Entwicklung läßt sich nicht das aufbauen, was man das Gerüst oder die Grundlinien des Angriffsplanes nennen könnte. Als nächsten Zweck verfolgen die Verbündeten den, die russische Flotte zu vernichten. Um so besser, wenn dies geschehen kann, bevor noch die Festung in ihre Hände gefallen ist. Um letzteren Act aber, und zwar so schnell als möglich, herbeizuführen, ist darum nicht minder als Zielpunkt, indem er allein die Garantie verschafft, die Zerstörung der Seemacht von Grund aus durch¬ zuführen. Es würde hierzu auch die Sprengung der sieben trockenen Docks gehören, die von der Arsenalbefestigung eingeschlossen sind, was selbstredend von auswärts her nicht auszuführen ist, und außerdem auch solange bean¬ standet werden muß, als es unentschieden ist, ob Sebastopol den Verbündeten bleibend gehören wird oder nicht. Denn für den ersteren Fall entzöge man sich mit den Docks eine der Hauptressourcen des Hafens, der grade im Laufe des Kriegs außerordentliche Dienste leisten würde. Welche Gestaltung demnach auch die Ereignisse immerhin annehmen mögen: die Wegnahme deS Platzes bleibt für alle Fälle Aufgabe der Ver¬ bündeten. Nachdem dies festgestellt worden, unterliegt der Hauptpunkt, in welcher Weise der Angriff diese Wegnahme zu bewirken gedenkt, der Erörterung. Flete Sebastopol >in die Kategorie der gewöhnlichen Festungen und wal¬ teten hier nicht außerdem noch ganz besondere Umstände ob, so wäre die Ant¬ wort auf die gestellte Frage nicht schwer. Der Angriff würde den Weg ein¬ schlagen, wie ihn die Vaubansche Schule vorschreibt. Nach Ausführung einer ersten, zweiten und dritten Reihe von Angriffsbattenen (erste, zweite und dritte Parallele) und der unerläßlichen Vorbauung auf dem etwaigen Glacis würde man Bresche in die Hauptumfassung legen und stürmen lassen. Dieses unter¬ ließe unter den gemachten Voraussetzungen keinen großen Schwierigkeiten, indem die Vernichtung der Festungsartillerie durch Ricochett- und Demontirbatterien dem Feind in der Regel die Möglichkeit entzogen, gegen die Angreifenden ein wirksames Flankenfeuer (zur Bestreichung des Grabens) spielen zu lassen, und so niedergeschlagen und ihres moralischen Halts beraubt'pflegen die Besatzungen zu fein, daß in der großen Kriegsperiode, welche das letzte Jahrhundert schloß und das unsrige eröffnete, die meisten Plätze sich zur Kapitulation bereitfan.den, nachdem die Bresche gangbar-geworden war. Allein diese Umstände werden anders, wenn hinter der Sturmlücke eine ganze Armee, — und »0,000 Mann verdienen diesen Namen — zur Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/278>, abgerufen am 22.07.2024.