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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Worte über den Plan des ganzen Unternehmens. In dieser Hinsicht kann
man sich immer nnr noch auf Vermuthungen beschränken, und was ich Ihnen
hier mittheile, sind eben nur solche; von der großen Masse des im gegenwär¬
tigen Augenblick über den fraglichen Gegenstand Publicirten unterscheiden sie
sich wol nur dadurch, daß ihnen eine militärische Anschauung zu Grunde liegt.
Für diese Anschauung war es zunächst Hauptsache, sich darüber Gewißheit zu
verschaffen, ob man in dem belagerten Sebastopol einen isolirten oder rückwär¬
tige Verbindungen unterhaltenden Platz vor sich habe. Wie Sie wissen, war
letzteres, infolge der Lage der dctachirten Forts bei Silistria der Fall, und
hierauf vielleicht beruhte der Erfolg der glücklichen Vertheidigung dieser Festung.

Nach aufmerksamer Prüfung aller mir vorliegenden Nachrichten bin ich zu
dem Resultat gekommen, daß Sebastopol, wiewol im Journal de Konstantinople
sich die entgegengesetzte Behauptung vorfindet, von den Verbündeten nicht iso-
lirt worden war, mindestens bis zur Eröffnung des Feuers (-16. October) nicht,
und daß es mit der rückwärtigen Stellung des Fürsten Mcnschikvff Verbin¬
dungen unterhielt, die wahrscheinlich auf dem Wege vom binnenwärtigen End¬
punkte der nördlichen Rhede aus statthatten oder auch von, Nordsort aus
unterhalten wurden. Viele Umstände deuten hierauf hin, am schlagendsten aber
die von mehren militärischen Berichterstattern, welche sich an Ort und Stelle
befanden, als Vermuthung aufgestellte Behauptung, daß der Platz in den
Tagen vom -is. zum 16. eine Verstärkung im Belauf von 26---30,00,0 Mann
erhalten habe, und zwar von Backlschi Serai,aus. Wenn dies geschehen, so
war es nur infolge -einer nicht ausreichenden Jsolirung möglich -- -das ist zu
klar, um hier noch näher -begründet werden zu dürfen. '

Das Factum der freien Communication des Platzes mit rückwärts nimmt
aber den unter Leitung des französischen Generals Bosquet im Rücken der Bela¬
gerungsarmee zu deren Deckung und zur Abwehr eines 'Entsatzversuches aus¬
geführten Befestigungen einen Theil der ihnen zugeschriebenen Bedeutung.
In Ermanglung zuverlässiger Nachrichten -über Kiese Arbei-i-en war ich anfangs
der Meinung, dieselben lägen aus der Mitte der Linie zwischen Balaklava lind
dem Binnenendpunkte der großen Nordrhede; und ich schrieb ihnen die Fähig¬
keit zu, einen Vorgang des Feindes, sowol von ostwärts, gegen die Fronten
der Arsenalbefestigung, als auch von Südoßen über Balaklava zu verhindern,
nahm mithin an: Sebastopol, soweit man barunter nur die Stadt und die
Marineetablissemeuts, nicht aber die Befestigungen im Norden der großen Rhede
begreift, sei wirklich außer alle direkte Verbindung mit rückwärts gesetzt, und
im Äußersten Falle selbst -einem Entsatzcorps nicht zugänglich. Diese Voraus¬
setzung war indeß falsch. Alle Befestigungsarbeiten im Rücken beschränken sich
auf die Verschanzung der beiden Hafenpunkte Balaklava, den man den eng¬
lischen Truppen "sowie den -türkischen, und Chersones, welchen man den sranzö-


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Worte über den Plan des ganzen Unternehmens. In dieser Hinsicht kann
man sich immer nnr noch auf Vermuthungen beschränken, und was ich Ihnen
hier mittheile, sind eben nur solche; von der großen Masse des im gegenwär¬
tigen Augenblick über den fraglichen Gegenstand Publicirten unterscheiden sie
sich wol nur dadurch, daß ihnen eine militärische Anschauung zu Grunde liegt.
Für diese Anschauung war es zunächst Hauptsache, sich darüber Gewißheit zu
verschaffen, ob man in dem belagerten Sebastopol einen isolirten oder rückwär¬
tige Verbindungen unterhaltenden Platz vor sich habe. Wie Sie wissen, war
letzteres, infolge der Lage der dctachirten Forts bei Silistria der Fall, und
hierauf vielleicht beruhte der Erfolg der glücklichen Vertheidigung dieser Festung.

Nach aufmerksamer Prüfung aller mir vorliegenden Nachrichten bin ich zu
dem Resultat gekommen, daß Sebastopol, wiewol im Journal de Konstantinople
sich die entgegengesetzte Behauptung vorfindet, von den Verbündeten nicht iso-
lirt worden war, mindestens bis zur Eröffnung des Feuers (-16. October) nicht,
und daß es mit der rückwärtigen Stellung des Fürsten Mcnschikvff Verbin¬
dungen unterhielt, die wahrscheinlich auf dem Wege vom binnenwärtigen End¬
punkte der nördlichen Rhede aus statthatten oder auch von, Nordsort aus
unterhalten wurden. Viele Umstände deuten hierauf hin, am schlagendsten aber
die von mehren militärischen Berichterstattern, welche sich an Ort und Stelle
befanden, als Vermuthung aufgestellte Behauptung, daß der Platz in den
Tagen vom -is. zum 16. eine Verstärkung im Belauf von 26—-30,00,0 Mann
erhalten habe, und zwar von Backlschi Serai,aus. Wenn dies geschehen, so
war es nur infolge -einer nicht ausreichenden Jsolirung möglich — -das ist zu
klar, um hier noch näher -begründet werden zu dürfen. '

Das Factum der freien Communication des Platzes mit rückwärts nimmt
aber den unter Leitung des französischen Generals Bosquet im Rücken der Bela¬
gerungsarmee zu deren Deckung und zur Abwehr eines 'Entsatzversuches aus¬
geführten Befestigungen einen Theil der ihnen zugeschriebenen Bedeutung.
In Ermanglung zuverlässiger Nachrichten -über Kiese Arbei-i-en war ich anfangs
der Meinung, dieselben lägen aus der Mitte der Linie zwischen Balaklava lind
dem Binnenendpunkte der großen Nordrhede; und ich schrieb ihnen die Fähig¬
keit zu, einen Vorgang des Feindes, sowol von ostwärts, gegen die Fronten
der Arsenalbefestigung, als auch von Südoßen über Balaklava zu verhindern,
nahm mithin an: Sebastopol, soweit man barunter nur die Stadt und die
Marineetablissemeuts, nicht aber die Befestigungen im Norden der großen Rhede
begreift, sei wirklich außer alle direkte Verbindung mit rückwärts gesetzt, und
im Äußersten Falle selbst -einem Entsatzcorps nicht zugänglich. Diese Voraus¬
setzung war indeß falsch. Alle Befestigungsarbeiten im Rücken beschränken sich
auf die Verschanzung der beiden Hafenpunkte Balaklava, den man den eng¬
lischen Truppen «sowie den -türkischen, und Chersones, welchen man den sranzö-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/275>, abgerufen am 22.07.2024.