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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Schluchten tief unter uns zogen sich noch in schmalen Streifen die Vorposten
der. Vegetation dahin. Drohende Schneeberge hingen über uns, während wir
auf kahlem, nacktem Gesteine fortritten. Die Thäler wurden großartiger, und
hie und da öffnete sich eine prachtvolle Fernsicht, um bald wieder durch einen
schwarzen, halb mit Schnee bedeckten Bergriesen verhüllt zu werden. Es war
die hohe Cordillera, in welcher wir uns befanden, das sagte uns schon der
eisige Hauch, der. bisweilen von den nächsten Bergen wehte, uno uns den
Poncho umnehmen ließ. Wir hatten während der Rast das Gepäcke vertheilt
und die Reservepfcrde mit einem Theile belastet, so konnten wir um so rascher
reiten, denn das that jetzt Noth. Der Jäger hatte früher diese Gegenden be¬
sucht und einen passenden Platz gefunden zum Lager. Wir mußten diesen wo¬
möglich noch heute zu erreiche", suchen, um Holz zur Feuerung, Futter für die
Thiere und Wasser zu haben. Kurz vor Einbruch der Nacht lenkten wir wieder
abwärts, meist auf Pfaden, die daS Guanaco getreten hatte, kamen wieder in
eine wenigstens etwas bewaldete Thalschlucht, und machten endlich an einer etwa
S0 Schritte breiten Stelle derselben, unweit eines rasch strömenden Bergwassers
Halt. Es wurde zur Entlastung der Thiere geschritten und rasch von zusammen¬
gelesenen Holze ein Feuer entzündet, von unsern Satteldecken ein Lager bereitet,
und ein aus Maisbrod und rohem Charque bestehendes Abendbrot eingenommen.
Dann legten wir uns zur Ruhe, und als ich des andern Morgens in meinen
Mantel gewickelt, die Augen aufschlug, verwunderte ich mich fast, im Freien und
nicht unter Segeths gastlichen Dache zu Scmtjago erwacht zu sein.

Die Pferde hatten sich in jener ersten Nacht keine zehn Schritte von uns
entfernt, sondern waren dichtgedrängt in unsrer nächsten Nähe geblieben; als
sie später das Terrain kennen gelernt hatten, entfernten sie sich stundenweit
von unsrem Lagerplatze, stets aber zusammenhaltend und eine kleine Herde
bildend.

Sogleich nach unsrem Erwachen wurden Anstalten zu größerem Comfort
getroffen. Die Schlucht, welche wir in Besitz genommen hatten, strich direct
von Nord nach Süd, und war gegen Ost und West durch steile Abhänge.ein-
geschlossen. Der kleine, aber reißende Gebirgöfluß floß auf der westlichen
Seite, und wir brauchten auf diese Weise nur einige Schritte zu gehen, um
frisches Wasser zu haben. Ich vermag kaum zu schildern, wie erquickend und
stärkend das tägliche Baden in diesen lärmend und brausend dahinströmenden
Fluthen auf mich eingewirkt hat, welches ich sogleich nach dem Erwachen vor¬
nahm, während die Knechte den Kaffee bereiteten.

Große und zum Theil vollkommen abgerundete Steine, welche ringsum
zerstreut lagen, ohne Zweifel von mächtigen periodischen Anschwellungen des
Flusses dorthin geführt, wurden von uns als Tische benützt, und während
Jose Maria, der die Rolle des Kochkünstlers übernahm, einen derselben als


Schluchten tief unter uns zogen sich noch in schmalen Streifen die Vorposten
der. Vegetation dahin. Drohende Schneeberge hingen über uns, während wir
auf kahlem, nacktem Gesteine fortritten. Die Thäler wurden großartiger, und
hie und da öffnete sich eine prachtvolle Fernsicht, um bald wieder durch einen
schwarzen, halb mit Schnee bedeckten Bergriesen verhüllt zu werden. Es war
die hohe Cordillera, in welcher wir uns befanden, das sagte uns schon der
eisige Hauch, der. bisweilen von den nächsten Bergen wehte, uno uns den
Poncho umnehmen ließ. Wir hatten während der Rast das Gepäcke vertheilt
und die Reservepfcrde mit einem Theile belastet, so konnten wir um so rascher
reiten, denn das that jetzt Noth. Der Jäger hatte früher diese Gegenden be¬
sucht und einen passenden Platz gefunden zum Lager. Wir mußten diesen wo¬
möglich noch heute zu erreiche«, suchen, um Holz zur Feuerung, Futter für die
Thiere und Wasser zu haben. Kurz vor Einbruch der Nacht lenkten wir wieder
abwärts, meist auf Pfaden, die daS Guanaco getreten hatte, kamen wieder in
eine wenigstens etwas bewaldete Thalschlucht, und machten endlich an einer etwa
S0 Schritte breiten Stelle derselben, unweit eines rasch strömenden Bergwassers
Halt. Es wurde zur Entlastung der Thiere geschritten und rasch von zusammen¬
gelesenen Holze ein Feuer entzündet, von unsern Satteldecken ein Lager bereitet,
und ein aus Maisbrod und rohem Charque bestehendes Abendbrot eingenommen.
Dann legten wir uns zur Ruhe, und als ich des andern Morgens in meinen
Mantel gewickelt, die Augen aufschlug, verwunderte ich mich fast, im Freien und
nicht unter Segeths gastlichen Dache zu Scmtjago erwacht zu sein.

Die Pferde hatten sich in jener ersten Nacht keine zehn Schritte von uns
entfernt, sondern waren dichtgedrängt in unsrer nächsten Nähe geblieben; als
sie später das Terrain kennen gelernt hatten, entfernten sie sich stundenweit
von unsrem Lagerplatze, stets aber zusammenhaltend und eine kleine Herde
bildend.

Sogleich nach unsrem Erwachen wurden Anstalten zu größerem Comfort
getroffen. Die Schlucht, welche wir in Besitz genommen hatten, strich direct
von Nord nach Süd, und war gegen Ost und West durch steile Abhänge.ein-
geschlossen. Der kleine, aber reißende Gebirgöfluß floß auf der westlichen
Seite, und wir brauchten auf diese Weise nur einige Schritte zu gehen, um
frisches Wasser zu haben. Ich vermag kaum zu schildern, wie erquickend und
stärkend das tägliche Baden in diesen lärmend und brausend dahinströmenden
Fluthen auf mich eingewirkt hat, welches ich sogleich nach dem Erwachen vor¬
nahm, während die Knechte den Kaffee bereiteten.

Große und zum Theil vollkommen abgerundete Steine, welche ringsum
zerstreut lagen, ohne Zweifel von mächtigen periodischen Anschwellungen des
Flusses dorthin geführt, wurden von uns als Tische benützt, und während
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/184>, abgerufen am 26.06.2024.