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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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niederdeutschen Sprachdenkmale nachgegangen ist. Nicht minder trefflich sind
Lieder wie: "Min Platz vor dör" (S,17i) "Bör dör" is. 252) und "Aflohnt"
(S. 73Z oder unter den "Dünjens":


Wi ginge tvsam to Feld, min Hans,
Wi ginge tvsam to Rau,
Wi seien achter 'n Disch tosam,
So warn wi old um grau. ^ ,
Bargvp so licht, lmrgaf so trag,
So nerui, nerui Jahr --
Un doch, min Hans, noch eben so kees,
As do in brune Haar.

Sehr gelungen sind auch Groths Naturbilder. Wie frisch ist das "Regett-
leed" und ein wie inniges Wohlgefallen spricht das Lied an den Spatz aus
is. 66 u. 67):


Du Spitzbvv, tat sehn -- dat 's dat Nest? dat 's dat Nest?
Mal to. un hal Feddern un tun, dat 's dat Best!
Ol Anton sin Pudelmütz liggt güud achterm Tun --
Pinel as, mal man to, lat's man hun, lat's man bum!

In Gedichten der Art, wie die bisher bezeichneten, erscheint Claus Groll)
am tüchtigsten und originellsten. Die größeren Gedichte in reimlosen Jamben
und Herametern ermüden, wie schön sie auch sonst sind, durch diese Form,
die zum Plattdeutschen nicht recht paßt. Nur bei den wenigen schwächern Ge¬
dichten der Sammlung fühlt man sich hier und da an Hebel erinnert, bei
andern, wie z. B. bei der alten Harfenistin, (S. 25) an die sentimentalern
und deshalb weniger echten Klänge der heutigen Volkspoesie, die dem Dichter,
wie wir übrigens mit Vergnügen bemerken, in ihrem ganzen Umfange
bekannt ist.

Sollen wir einem Buche, das in seiner Art der möglichsten Vollendung
schon so nahe ist, einen Rath geben, so ist es der, daß der Dichter bei ferneren
Auflagen noch cousequenter als bisher alles Störende und aus einer fremden
Culturstufe in die niederdeutsche Welt des Quickborn Hereinragende vermeiden
möge. Um aber etwas ganz specielles anzuführen, so sind- wir nicht damit
einverstanden, wenn er (s. S. 129) in seinen plattdeutschen Gedichten Hochdeutsch
vorbringt, wenn er vornehme Personen reden läßt. Zwar pflegt es das Volk,
wenn es Worte von Vornehmen anführt, ebenso zu machen, in einem platt¬
deutschen Gedichte aber stört es eben jene Illusion, daß man sich in einer
völlig für sich abgeschlossenen und befriedigten Welt befindet.

Auch ein Stück in Prosa theilt Claus Groth mit und zwar ein Märchen,
auf welches Schreiber dieser Zeilen noch wird bei anderer Gelegenheit zurück¬
kommen müssen, da es offenbar im wesentlichen dem Volksmunde entnommen


niederdeutschen Sprachdenkmale nachgegangen ist. Nicht minder trefflich sind
Lieder wie: „Min Platz vor dör" (S,17i) „Bör dör" is. 252) und „Aflohnt"
(S. 73Z oder unter den „Dünjens":


Wi ginge tvsam to Feld, min Hans,
Wi ginge tvsam to Rau,
Wi seien achter 'n Disch tosam,
So warn wi old um grau. ^ ,
Bargvp so licht, lmrgaf so trag,
So nerui, nerui Jahr —
Un doch, min Hans, noch eben so kees,
As do in brune Haar.

Sehr gelungen sind auch Groths Naturbilder. Wie frisch ist das „Regett-
leed" und ein wie inniges Wohlgefallen spricht das Lied an den Spatz aus
is. 66 u. 67):


Du Spitzbvv, tat sehn — dat 's dat Nest? dat 's dat Nest?
Mal to. un hal Feddern un tun, dat 's dat Best!
Ol Anton sin Pudelmütz liggt güud achterm Tun —
Pinel as, mal man to, lat's man hun, lat's man bum!

In Gedichten der Art, wie die bisher bezeichneten, erscheint Claus Groll)
am tüchtigsten und originellsten. Die größeren Gedichte in reimlosen Jamben
und Herametern ermüden, wie schön sie auch sonst sind, durch diese Form,
die zum Plattdeutschen nicht recht paßt. Nur bei den wenigen schwächern Ge¬
dichten der Sammlung fühlt man sich hier und da an Hebel erinnert, bei
andern, wie z. B. bei der alten Harfenistin, (S. 25) an die sentimentalern
und deshalb weniger echten Klänge der heutigen Volkspoesie, die dem Dichter,
wie wir übrigens mit Vergnügen bemerken, in ihrem ganzen Umfange
bekannt ist.

Sollen wir einem Buche, das in seiner Art der möglichsten Vollendung
schon so nahe ist, einen Rath geben, so ist es der, daß der Dichter bei ferneren
Auflagen noch cousequenter als bisher alles Störende und aus einer fremden
Culturstufe in die niederdeutsche Welt des Quickborn Hereinragende vermeiden
möge. Um aber etwas ganz specielles anzuführen, so sind- wir nicht damit
einverstanden, wenn er (s. S. 129) in seinen plattdeutschen Gedichten Hochdeutsch
vorbringt, wenn er vornehme Personen reden läßt. Zwar pflegt es das Volk,
wenn es Worte von Vornehmen anführt, ebenso zu machen, in einem platt¬
deutschen Gedichte aber stört es eben jene Illusion, daß man sich in einer
völlig für sich abgeschlossenen und befriedigten Welt befindet.

Auch ein Stück in Prosa theilt Claus Groth mit und zwar ein Märchen,
auf welches Schreiber dieser Zeilen noch wird bei anderer Gelegenheit zurück¬
kommen müssen, da es offenbar im wesentlichen dem Volksmunde entnommen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/178>, abgerufen am 24.08.2024.