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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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wollte einmal malen, was noch keiner gemalt hat. Ferner durfte wol eine
bedeutendere Gruppe im Vordergrunde das Hauptinteresse in Anspruch nehmen
statt der drei den Hirten verfolgenden Reiter, die als Nebenfiguren immer eine
sehr lebendige Gruppe abgegeben hätten, während nun der sehr häßliche, noch
dazu durch Zorn und Angst entstellte Hirte als zweiter Hauptgegenstand im
Vordergrund (der andre ist die Schweineherde) neben seiner Unschönheit nicht
bedeutend genug ist. Die Technik ist sehr gewandt, aber doch zu flüchtig;
es fehlt auch hier Herrn Steffeck an einem gediegenen künstlerischen Streben,
dessen Mangel bei noch so großer Lebendigkeit und Wahrheit auch sonst in dem
ganzen Bilde sich ausspricht.

In einen ähnlichen Fehler wie Steffeck verfiel Menzel in seinem Bilde
"Friedrich der Große-auf Reisen" (nach dem siebenjährigen Kriege), durch
das Streben dem Ausdruck einzig und allein zu genügen. Es ist wahr,
daß er diesen mit einer Prägnanz zur Anschauung bringt, die unter der Menge
von Richtigen, Bedeutungslosen höchst erquicklich ist; wir wissen gleich, worum
es sich handelt: Friedrich der Große, eben aus seinem Wagen gestiegen, wird
von den Dorfbewohnern, die aufs treffendste charakterisirt sind, empfangen; der
König selbst geht eilig huldvoll vorüber; die Bewegung der Arme und Hände,
in deren einer er die Tabaksdose, in der andern die Prise hält, gibt seiner
Haltung einen Anflug von Komischen, das stört. Hinter ihm sein Begleiter,
Herr von Lentulus, ist vortrefflich; vor allem aber möchte wol der geheime Kriegö-
und Finanzrath von Brenkeuhvs die gelungenste Figur sein, -- Es handelt
sich darum, nach dem Kriege dem Lande wieder aufzuhelfen; zu dem Zweck
unternahm der König Reisen durchs Land, deren eine wir hier dargestellt
sehen; da war eS denn eben Herr von Brenkeuhvs, der dem Könige stets zur
Hand ging, und so sehen wir ihn hier bereits in voller Thätigkeit, mit sach¬
kundigem Eifer (der unübertrefflich ausgedrückt ist) Baupläne oder dergleichen
prüfend. Die specielle Betrachtung jedes Einzelnen, das noch dazu beiträgt, die
Situation zu veranschaulichen, würde uns zu weit führen; nur im allgemeinen
wiederholen wir: mit Ausnahme des Königs läßt der Ausdruck nirgends etwas
zu wünschen übrig. Eine andre Frage ist "In, welcher Form gab Herr
Menzel diesen Ausdruck?" Und da müssen wir entschieden aussprechen, daß
uns diese nicht genügen kann, sie ist zu derb und unschön. Das Charakteristische
ist überall zu stark betont; so sinven wir nirgends bei ihm auch nur einen an¬
nähernd schönen Menschen, selbst Frauen uno Kinder sind häßlich; dazu kommt
die Farbe, die zwar meist wahr und entschieden, doch alles Reizes entbehrt, den
wir doch wenigstens hier und da verlangen; der blvndköpfige, blauäugige Bauern¬
junge, der hinter seinem petitionirenben Vater steht, ist mit zu schmuzigen
grauen Tönen gemalt, um auch nur wahr, geschweige schön in der Farbe zu
sein; auch bei einigen andern Figuren ist das zwar nicht so auffallend, aber


wollte einmal malen, was noch keiner gemalt hat. Ferner durfte wol eine
bedeutendere Gruppe im Vordergrunde das Hauptinteresse in Anspruch nehmen
statt der drei den Hirten verfolgenden Reiter, die als Nebenfiguren immer eine
sehr lebendige Gruppe abgegeben hätten, während nun der sehr häßliche, noch
dazu durch Zorn und Angst entstellte Hirte als zweiter Hauptgegenstand im
Vordergrund (der andre ist die Schweineherde) neben seiner Unschönheit nicht
bedeutend genug ist. Die Technik ist sehr gewandt, aber doch zu flüchtig;
es fehlt auch hier Herrn Steffeck an einem gediegenen künstlerischen Streben,
dessen Mangel bei noch so großer Lebendigkeit und Wahrheit auch sonst in dem
ganzen Bilde sich ausspricht.

In einen ähnlichen Fehler wie Steffeck verfiel Menzel in seinem Bilde
„Friedrich der Große-auf Reisen" (nach dem siebenjährigen Kriege), durch
das Streben dem Ausdruck einzig und allein zu genügen. Es ist wahr,
daß er diesen mit einer Prägnanz zur Anschauung bringt, die unter der Menge
von Richtigen, Bedeutungslosen höchst erquicklich ist; wir wissen gleich, worum
es sich handelt: Friedrich der Große, eben aus seinem Wagen gestiegen, wird
von den Dorfbewohnern, die aufs treffendste charakterisirt sind, empfangen; der
König selbst geht eilig huldvoll vorüber; die Bewegung der Arme und Hände,
in deren einer er die Tabaksdose, in der andern die Prise hält, gibt seiner
Haltung einen Anflug von Komischen, das stört. Hinter ihm sein Begleiter,
Herr von Lentulus, ist vortrefflich; vor allem aber möchte wol der geheime Kriegö-
und Finanzrath von Brenkeuhvs die gelungenste Figur sein, — Es handelt
sich darum, nach dem Kriege dem Lande wieder aufzuhelfen; zu dem Zweck
unternahm der König Reisen durchs Land, deren eine wir hier dargestellt
sehen; da war eS denn eben Herr von Brenkeuhvs, der dem Könige stets zur
Hand ging, und so sehen wir ihn hier bereits in voller Thätigkeit, mit sach¬
kundigem Eifer (der unübertrefflich ausgedrückt ist) Baupläne oder dergleichen
prüfend. Die specielle Betrachtung jedes Einzelnen, das noch dazu beiträgt, die
Situation zu veranschaulichen, würde uns zu weit führen; nur im allgemeinen
wiederholen wir: mit Ausnahme des Königs läßt der Ausdruck nirgends etwas
zu wünschen übrig. Eine andre Frage ist „In, welcher Form gab Herr
Menzel diesen Ausdruck?" Und da müssen wir entschieden aussprechen, daß
uns diese nicht genügen kann, sie ist zu derb und unschön. Das Charakteristische
ist überall zu stark betont; so sinven wir nirgends bei ihm auch nur einen an¬
nähernd schönen Menschen, selbst Frauen uno Kinder sind häßlich; dazu kommt
die Farbe, die zwar meist wahr und entschieden, doch alles Reizes entbehrt, den
wir doch wenigstens hier und da verlangen; der blvndköpfige, blauäugige Bauern¬
junge, der hinter seinem petitionirenben Vater steht, ist mit zu schmuzigen
grauen Tönen gemalt, um auch nur wahr, geschweige schön in der Farbe zu
sein; auch bei einigen andern Figuren ist das zwar nicht so auffallend, aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/154>, abgerufen am 29.12.2024.