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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Wir wenden uns zu dem Schlachtbilde von Bleibtreu (dem interessan¬
testen dieser Gattung).

"Die Erstürmung des äußeren Grimmaer Thores von Leipzig
am 19. October -1813 durch das Königsberger Landwehrbataillon
unter Major Friccius." Das ist frisch und warm empfunden, die Land¬
wehrmänner arbeiten wacker an der Erweiterung der gemachten Bresche, Fric¬
cius fordert mit sprechender Handbewegung die Seinigen aus, ihm zu folgen;
es geht tüchtig und lebendig her. Dabei ist bei der Mannigfaltigkeit der
Motive die Composition in sich einig, zusammenhängend und klar. Einige Fi¬
guren sind leider nicht so plastisch lebendig in der Ausführung, als sie gedacht
sind; so der junge Landwehrmann links im Vordergrunde, der zum Sturm vor¬
läuft, aber mit gewaltiger Bewegung der Beine doch recht recht läuft, und leider
auch die Hauptfigur, Friccius, der ein Gewehr etwas gewaltsam und doch nicht
recht ausdrucksvoll mit der linken Hand ergriffen hat. Noch einiges ist über
die Anordnung und technische Ausführung zu sagen. Die Hauptmasse der
Angreifenden liegt in einem Wolkenschatten, nur auf wenige etwas weiter im
Hintergrunde zurückstehende sällt ein mattes Sonnenlicht; gegen die Absicht
ist nichts zu sagen, es gibt dem Bilde sogar etwas Pikantes, das hier ganz
am Platz ist; nur ist der Wolkenschatten in zu dunklem und schmuziggrauem
Ton durchgeführt; so kommt etwas zu Monotones ins Bild, die Gruppen
sondern sich nicht recht; und während wir sonst wol bei vielen Bildern den
Wunsch aussprechen möchten, daß das Einzelne dem Ganzen untergeordneter
wäre, möchten wir hier im Gegentheil wünschen, daß man das Einzelne in
der Masse sogleich entschiedener sähe. Sonst muß grade diese Einfachheit und
Anspruchslosigkeit im Aeußeren gerühmt werden, wenn sie auch hier zu weit
getrieben ist.

C. Steffeck, "die Quitzows treiben die Herden der Stadt Ber¬
lin fort". Der Gegenstand ist für einen Künstler, der mit Vorliebe Thiere
malt, außerordentlich glücklich gewählt, da er die Thiergruppen, auf die es doch
namentlich abgesehen war, durch einen historischen Vorgang geschickt verbindet
und dem Ganzen einen pikanten Reiz verleiht. Aber Herr Steffeck hat den
wohlerdachten Vorwurf seines Bildes nicht so gegeben, wie wirs wol wünschten.
Es geht zwar lebendig bei der Affaire her, auch ist der Vorgang sehr über¬
sichtlich; aber die eigentlichen Kunstrücksichten sind nicht beobachtet. Wir
sind mit Herrn Steffeck der Meinung, daß eine gewisse Derbheit hier ein
Haupterforderniß war, aber er ist doch bisweilen darin zu weit gegangen. Ein
Schwein ist einmal kein schönes Thier; es dursten schon einige Schweine sich
unter dem andren schöneren Vieh umhertreiben; daß aber grade eine Herde
Schweine vorn zum Bilde hinauslaufend dem Beschauer zuerst entgegentritt,
sieht fast so aus, als kokettirte.der Maler mit seinem derben Realismus, und


Kreiizdme". IV. ILiii., 1 ^

Wir wenden uns zu dem Schlachtbilde von Bleibtreu (dem interessan¬
testen dieser Gattung).

„Die Erstürmung des äußeren Grimmaer Thores von Leipzig
am 19. October -1813 durch das Königsberger Landwehrbataillon
unter Major Friccius." Das ist frisch und warm empfunden, die Land¬
wehrmänner arbeiten wacker an der Erweiterung der gemachten Bresche, Fric¬
cius fordert mit sprechender Handbewegung die Seinigen aus, ihm zu folgen;
es geht tüchtig und lebendig her. Dabei ist bei der Mannigfaltigkeit der
Motive die Composition in sich einig, zusammenhängend und klar. Einige Fi¬
guren sind leider nicht so plastisch lebendig in der Ausführung, als sie gedacht
sind; so der junge Landwehrmann links im Vordergrunde, der zum Sturm vor¬
läuft, aber mit gewaltiger Bewegung der Beine doch recht recht läuft, und leider
auch die Hauptfigur, Friccius, der ein Gewehr etwas gewaltsam und doch nicht
recht ausdrucksvoll mit der linken Hand ergriffen hat. Noch einiges ist über
die Anordnung und technische Ausführung zu sagen. Die Hauptmasse der
Angreifenden liegt in einem Wolkenschatten, nur auf wenige etwas weiter im
Hintergrunde zurückstehende sällt ein mattes Sonnenlicht; gegen die Absicht
ist nichts zu sagen, es gibt dem Bilde sogar etwas Pikantes, das hier ganz
am Platz ist; nur ist der Wolkenschatten in zu dunklem und schmuziggrauem
Ton durchgeführt; so kommt etwas zu Monotones ins Bild, die Gruppen
sondern sich nicht recht; und während wir sonst wol bei vielen Bildern den
Wunsch aussprechen möchten, daß das Einzelne dem Ganzen untergeordneter
wäre, möchten wir hier im Gegentheil wünschen, daß man das Einzelne in
der Masse sogleich entschiedener sähe. Sonst muß grade diese Einfachheit und
Anspruchslosigkeit im Aeußeren gerühmt werden, wenn sie auch hier zu weit
getrieben ist.

C. Steffeck, „die Quitzows treiben die Herden der Stadt Ber¬
lin fort". Der Gegenstand ist für einen Künstler, der mit Vorliebe Thiere
malt, außerordentlich glücklich gewählt, da er die Thiergruppen, auf die es doch
namentlich abgesehen war, durch einen historischen Vorgang geschickt verbindet
und dem Ganzen einen pikanten Reiz verleiht. Aber Herr Steffeck hat den
wohlerdachten Vorwurf seines Bildes nicht so gegeben, wie wirs wol wünschten.
Es geht zwar lebendig bei der Affaire her, auch ist der Vorgang sehr über¬
sichtlich; aber die eigentlichen Kunstrücksichten sind nicht beobachtet. Wir
sind mit Herrn Steffeck der Meinung, daß eine gewisse Derbheit hier ein
Haupterforderniß war, aber er ist doch bisweilen darin zu weit gegangen. Ein
Schwein ist einmal kein schönes Thier; es dursten schon einige Schweine sich
unter dem andren schöneren Vieh umhertreiben; daß aber grade eine Herde
Schweine vorn zum Bilde hinauslaufend dem Beschauer zuerst entgegentritt,
sieht fast so aus, als kokettirte.der Maler mit seinem derben Realismus, und


Kreiizdme». IV. ILiii., 1 ^
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[0153] Wir wenden uns zu dem Schlachtbilde von Bleibtreu (dem interessan¬ testen dieser Gattung). „Die Erstürmung des äußeren Grimmaer Thores von Leipzig am 19. October -1813 durch das Königsberger Landwehrbataillon unter Major Friccius." Das ist frisch und warm empfunden, die Land¬ wehrmänner arbeiten wacker an der Erweiterung der gemachten Bresche, Fric¬ cius fordert mit sprechender Handbewegung die Seinigen aus, ihm zu folgen; es geht tüchtig und lebendig her. Dabei ist bei der Mannigfaltigkeit der Motive die Composition in sich einig, zusammenhängend und klar. Einige Fi¬ guren sind leider nicht so plastisch lebendig in der Ausführung, als sie gedacht sind; so der junge Landwehrmann links im Vordergrunde, der zum Sturm vor¬ läuft, aber mit gewaltiger Bewegung der Beine doch recht recht läuft, und leider auch die Hauptfigur, Friccius, der ein Gewehr etwas gewaltsam und doch nicht recht ausdrucksvoll mit der linken Hand ergriffen hat. Noch einiges ist über die Anordnung und technische Ausführung zu sagen. Die Hauptmasse der Angreifenden liegt in einem Wolkenschatten, nur auf wenige etwas weiter im Hintergrunde zurückstehende sällt ein mattes Sonnenlicht; gegen die Absicht ist nichts zu sagen, es gibt dem Bilde sogar etwas Pikantes, das hier ganz am Platz ist; nur ist der Wolkenschatten in zu dunklem und schmuziggrauem Ton durchgeführt; so kommt etwas zu Monotones ins Bild, die Gruppen sondern sich nicht recht; und während wir sonst wol bei vielen Bildern den Wunsch aussprechen möchten, daß das Einzelne dem Ganzen untergeordneter wäre, möchten wir hier im Gegentheil wünschen, daß man das Einzelne in der Masse sogleich entschiedener sähe. Sonst muß grade diese Einfachheit und Anspruchslosigkeit im Aeußeren gerühmt werden, wenn sie auch hier zu weit getrieben ist. C. Steffeck, „die Quitzows treiben die Herden der Stadt Ber¬ lin fort". Der Gegenstand ist für einen Künstler, der mit Vorliebe Thiere malt, außerordentlich glücklich gewählt, da er die Thiergruppen, auf die es doch namentlich abgesehen war, durch einen historischen Vorgang geschickt verbindet und dem Ganzen einen pikanten Reiz verleiht. Aber Herr Steffeck hat den wohlerdachten Vorwurf seines Bildes nicht so gegeben, wie wirs wol wünschten. Es geht zwar lebendig bei der Affaire her, auch ist der Vorgang sehr über¬ sichtlich; aber die eigentlichen Kunstrücksichten sind nicht beobachtet. Wir sind mit Herrn Steffeck der Meinung, daß eine gewisse Derbheit hier ein Haupterforderniß war, aber er ist doch bisweilen darin zu weit gegangen. Ein Schwein ist einmal kein schönes Thier; es dursten schon einige Schweine sich unter dem andren schöneren Vieh umhertreiben; daß aber grade eine Herde Schweine vorn zum Bilde hinauslaufend dem Beschauer zuerst entgegentritt, sieht fast so aus, als kokettirte.der Maler mit seinem derben Realismus, und Kreiizdme». IV. ILiii., 1 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/153>, abgerufen am 24.08.2024.