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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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begeisterten Pietät für ein großes Kunstwerk, aus dem unermüdlichen Pflicht¬
gefühl für eine würdige Darstellung desselben hervorgegangen, war sie schön
und großartig. In dieser Pietät und Kunstliebe, in der Sorgfalt und Ausdauer
des Studiums kann und soll unser Orchester mit allen wetteifern. Allerdings
ist es mit dem guten Willen des Dirigenten und des Orchesters nicht allein ge¬
than ; denn sorgfältiges Einstudiren verlangt viel Zeit und viele Proben, und diese,
müssen bezahlt werden. Allein dies ist wiederum ein Punkt, wo übertriebene
Sparsamkeit am unrechten Orte sein würde. Die Mitglieder unsres Orchesters
sind leider nichts weniger als glänzend gestellt, und niemand bringt der Kunst
und der Ehre der Concerte größere Opfer als eben sie. DaS Direktorium und
daS Publicum, welches jenem die pecuniären Mittel darbietet-, erfüllen nur
eine aus vielen Rücksichten gebotene Pflicht, wenn sie durch zahlreiche, nicht
allzu kärglich bezahlte Proben es den Mitgliedern des Orchesters möglich
machen, ohne die unerträglichsten Anstrengungen durch unbelohnte Zeit und
Mühe das zu leisten, was sie selbst vielleicht noch mehr als das Publicum
von sich fordern.

Wenn von Bestrebungen der Art in dem Concertprogramm nichts zu fin¬
den ist, so erhalten wir leider auch dafür keine Zusicherung, daß in Beziehung
auf die Wahl der aufzuführenden Werke eine großartigere, consequentere, auf
einen künstlerischen Zusammenhang gerichtete Auffassung maßgebend sein werde
als es bisher der Fall gewesen ist. Das früher gegebene Versprechen, "unter¬
stützt durch die ausgezeichnetsten hiesigen Kunftmitttel, umfangreichere Kunstwerke
älterer und neuerer Zeit öfter noch, als bisher möglich wurde, zur Aufführung
zu bringen und dadurch nicht nur den Einfluß der Gewandhausconcerte auf
Erhaltung .und Fortbildung unsres gesammten musikalischen Kunstlebens immer
mehr erweiter", sondern auch den wohlverdienten Ruf derselben, sowie die Ach¬
tung, welche das Kunsturtheil unsers Publicums genießt, immer fester begrün¬
den zu helfen" -- dies Versprechen ist jetzt ganz fortgeblieben. Es ist nur lobens¬
wert!) etwas nicht zu versprechen, welches halten zu können man nicht gewiß
ist. Aber ein trauriges Zeichen ist es, wenn das Direktorium diejenigen Be¬
strebungen, welche, wie es selbst andeutet, auf das Höchste und Wichtigste ge¬
richtet sind, aus was immer für Gründen glaubt fallen lassen oder in den
Hintergrund schieben zu müssen. Dagegen erfahren wir nur, daß das Direc-
torium darauf bedacht gewesen ist, möglichst gute und tüchtige Kräfte für Solo¬
gesang und Solospiel zu sichern. Daß dieses einseitige Hervorheben der Lei¬
stungen der Virtuosität als des eigentlichen Schwerpunktes der Concerte auf
einem bedauernswerthen Verkennen dessen, was die Concerte der Kunst und
dem Publicum leisten sollen, beruhen, das wollen wir jetzr nicht von neuem
auseinandersetzen. Allein selbst für die zu erwartenden Leistungen auf diesem
Gebiet können wir nur ein übles Prognostikon stellen. Denn diese allgemein


begeisterten Pietät für ein großes Kunstwerk, aus dem unermüdlichen Pflicht¬
gefühl für eine würdige Darstellung desselben hervorgegangen, war sie schön
und großartig. In dieser Pietät und Kunstliebe, in der Sorgfalt und Ausdauer
des Studiums kann und soll unser Orchester mit allen wetteifern. Allerdings
ist es mit dem guten Willen des Dirigenten und des Orchesters nicht allein ge¬
than ; denn sorgfältiges Einstudiren verlangt viel Zeit und viele Proben, und diese,
müssen bezahlt werden. Allein dies ist wiederum ein Punkt, wo übertriebene
Sparsamkeit am unrechten Orte sein würde. Die Mitglieder unsres Orchesters
sind leider nichts weniger als glänzend gestellt, und niemand bringt der Kunst
und der Ehre der Concerte größere Opfer als eben sie. DaS Direktorium und
daS Publicum, welches jenem die pecuniären Mittel darbietet-, erfüllen nur
eine aus vielen Rücksichten gebotene Pflicht, wenn sie durch zahlreiche, nicht
allzu kärglich bezahlte Proben es den Mitgliedern des Orchesters möglich
machen, ohne die unerträglichsten Anstrengungen durch unbelohnte Zeit und
Mühe das zu leisten, was sie selbst vielleicht noch mehr als das Publicum
von sich fordern.

Wenn von Bestrebungen der Art in dem Concertprogramm nichts zu fin¬
den ist, so erhalten wir leider auch dafür keine Zusicherung, daß in Beziehung
auf die Wahl der aufzuführenden Werke eine großartigere, consequentere, auf
einen künstlerischen Zusammenhang gerichtete Auffassung maßgebend sein werde
als es bisher der Fall gewesen ist. Das früher gegebene Versprechen, „unter¬
stützt durch die ausgezeichnetsten hiesigen Kunftmitttel, umfangreichere Kunstwerke
älterer und neuerer Zeit öfter noch, als bisher möglich wurde, zur Aufführung
zu bringen und dadurch nicht nur den Einfluß der Gewandhausconcerte auf
Erhaltung .und Fortbildung unsres gesammten musikalischen Kunstlebens immer
mehr erweiter», sondern auch den wohlverdienten Ruf derselben, sowie die Ach¬
tung, welche das Kunsturtheil unsers Publicums genießt, immer fester begrün¬
den zu helfen" — dies Versprechen ist jetzt ganz fortgeblieben. Es ist nur lobens¬
wert!) etwas nicht zu versprechen, welches halten zu können man nicht gewiß
ist. Aber ein trauriges Zeichen ist es, wenn das Direktorium diejenigen Be¬
strebungen, welche, wie es selbst andeutet, auf das Höchste und Wichtigste ge¬
richtet sind, aus was immer für Gründen glaubt fallen lassen oder in den
Hintergrund schieben zu müssen. Dagegen erfahren wir nur, daß das Direc-
torium darauf bedacht gewesen ist, möglichst gute und tüchtige Kräfte für Solo¬
gesang und Solospiel zu sichern. Daß dieses einseitige Hervorheben der Lei¬
stungen der Virtuosität als des eigentlichen Schwerpunktes der Concerte auf
einem bedauernswerthen Verkennen dessen, was die Concerte der Kunst und
dem Publicum leisten sollen, beruhen, das wollen wir jetzr nicht von neuem
auseinandersetzen. Allein selbst für die zu erwartenden Leistungen auf diesem
Gebiet können wir nur ein übles Prognostikon stellen. Denn diese allgemein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/13>, abgerufen am 29.12.2024.