Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.Bevorzugung der einen oder andern Richtung anhaften, auszumerzen. Wenn Da mehr oder minder jeder einzelne der Gegenwart den Einfluß der Culturgeschichte des deutschen Volkes in der Zeit des Uebergangs ans Wir haben bereits beim Erscheinen des ersten Bandes in unsren Lesern Daß die Philosophie der Geschichte in neuester Zeit von den meisten Ge¬ Bevorzugung der einen oder andern Richtung anhaften, auszumerzen. Wenn Da mehr oder minder jeder einzelne der Gegenwart den Einfluß der Culturgeschichte des deutschen Volkes in der Zeit des Uebergangs ans Wir haben bereits beim Erscheinen des ersten Bandes in unsren Lesern Daß die Philosophie der Geschichte in neuester Zeit von den meisten Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98432"/> <p xml:id="ID_340" prev="#ID_339"> Bevorzugung der einen oder andern Richtung anhaften, auszumerzen. Wenn<lb/> wir also unter den historischen Parteinamen einen auswählen wollten, um<lb/> die Stellung des Verfassers zu bezeichnen, so würde es der eines Synkretisten<lb/> sein, obgleich er über die praktische Ausführung dieser Ideen anders denkt, als<lb/> die würdigen Männer, denen dieser Name zurrst beigelegt wurde. Im allge¬<lb/> meinen mochte wol jeder Wohlgesinnte, in dem die Achtung vor der Religion<lb/> seines Volks ebenso lebhaft ist, als die Achtung vor der freien Bildung, diesen<lb/> Wünschen und Hoffnungen beipflichten, umsomehr, da sie dasjenige voraus¬<lb/> setzen, was allen Fortschritt der Menschheit bedingt, nämlich die Freiheit der<lb/> Entwicklung.</p><lb/> <p xml:id="ID_341"> Da mehr oder minder jeder einzelne der Gegenwart den Einfluß der<lb/> Kirche gläubig oder abwehrend empfunden und sich eine bestimmte Meinung<lb/> gebildet hat, von weicher aus er seine Kritik der anderweitigen Meinungen<lb/> ausübt, so ist es von Wichtigkeit, diese zunächst nur als Vorurtheil aufgenom¬<lb/> menen Vorstellungen durch historische Einsicht in das, was sie eigentlich aus¬<lb/> drückten, zu ergänzen und zu läutern, und die Milde und Toleranz des vor¬<lb/> liegenden Buchs macht es ganz geeignet, in dieser Beziehung zu einem Leit¬<lb/> faden zu dienen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_342"> Culturgeschichte des deutschen Volkes in der Zeit des Uebergangs ans<lb/> dem Heidenthum in das Christenthum. Von Heinrich Rückert, Professor<lb/> an der Universität Breslau. Zweiter Theil. Leipzig, T. O. Weigel. —</p><lb/> <p xml:id="ID_343"> Wir haben bereits beim Erscheinen des ersten Bandes in unsren Lesern<lb/> für dieses Werk diejenige Theilnahme zu erwecken gesucht, die uns ein ernstes,<lb/> consequentes und auf die edelsten Höhen der Wissenschaft gerichtetes Streben<lb/> zu verdienen scheint, auch wo man bei der Neuheit der Bahn nicht erwarten<lb/> darf, in allen Einzelnheiten einen befriedigenden Abschluß zu finden, ja wenn<lb/> auch hin und wieder bei der Kühnheit der Conjecturen das eine oder das<lb/> andere, was durch die strenge wissenschaftliche Methode festgestellt war, in<lb/> Verwirrung gerathen sollte. Wir halten das Unternehmen für einen neuen<lb/> Schritt zur Verbindung der Philosophie der Geschichte mit der Geschichts¬<lb/> wissenschaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_344" next="#ID_345"> Daß die Philosophie der Geschichte in neuester Zeit von den meisten Ge¬<lb/> lehrten scheel angesehen wird, liegt nicht in der Natur der Sache selbst, son¬<lb/> dern theils in der unbestimmten Aufgabe, die sie sich früher stellte, theils in<lb/> der leichtsinnigen Art und Weise, mit der sie die Thatsachen behandelte. Gegen<lb/> den einseitigen Empirismus, der nur nach Thatsachen ruft, noch anzukämpfen,<lb/> ist eigentlich überflüssig; denn abgesehen davon, daß die bloße Feststellung von<lb/> sogenannten historischen Thatsachen an und für sich für die Bildung der Mensch¬<lb/> heit nicht den geringsten Werth hat, so läßt sich auch bei der Ermittlung der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0118]
Bevorzugung der einen oder andern Richtung anhaften, auszumerzen. Wenn
wir also unter den historischen Parteinamen einen auswählen wollten, um
die Stellung des Verfassers zu bezeichnen, so würde es der eines Synkretisten
sein, obgleich er über die praktische Ausführung dieser Ideen anders denkt, als
die würdigen Männer, denen dieser Name zurrst beigelegt wurde. Im allge¬
meinen mochte wol jeder Wohlgesinnte, in dem die Achtung vor der Religion
seines Volks ebenso lebhaft ist, als die Achtung vor der freien Bildung, diesen
Wünschen und Hoffnungen beipflichten, umsomehr, da sie dasjenige voraus¬
setzen, was allen Fortschritt der Menschheit bedingt, nämlich die Freiheit der
Entwicklung.
Da mehr oder minder jeder einzelne der Gegenwart den Einfluß der
Kirche gläubig oder abwehrend empfunden und sich eine bestimmte Meinung
gebildet hat, von weicher aus er seine Kritik der anderweitigen Meinungen
ausübt, so ist es von Wichtigkeit, diese zunächst nur als Vorurtheil aufgenom¬
menen Vorstellungen durch historische Einsicht in das, was sie eigentlich aus¬
drückten, zu ergänzen und zu läutern, und die Milde und Toleranz des vor¬
liegenden Buchs macht es ganz geeignet, in dieser Beziehung zu einem Leit¬
faden zu dienen. —
Culturgeschichte des deutschen Volkes in der Zeit des Uebergangs ans
dem Heidenthum in das Christenthum. Von Heinrich Rückert, Professor
an der Universität Breslau. Zweiter Theil. Leipzig, T. O. Weigel. —
Wir haben bereits beim Erscheinen des ersten Bandes in unsren Lesern
für dieses Werk diejenige Theilnahme zu erwecken gesucht, die uns ein ernstes,
consequentes und auf die edelsten Höhen der Wissenschaft gerichtetes Streben
zu verdienen scheint, auch wo man bei der Neuheit der Bahn nicht erwarten
darf, in allen Einzelnheiten einen befriedigenden Abschluß zu finden, ja wenn
auch hin und wieder bei der Kühnheit der Conjecturen das eine oder das
andere, was durch die strenge wissenschaftliche Methode festgestellt war, in
Verwirrung gerathen sollte. Wir halten das Unternehmen für einen neuen
Schritt zur Verbindung der Philosophie der Geschichte mit der Geschichts¬
wissenschaft.
Daß die Philosophie der Geschichte in neuester Zeit von den meisten Ge¬
lehrten scheel angesehen wird, liegt nicht in der Natur der Sache selbst, son¬
dern theils in der unbestimmten Aufgabe, die sie sich früher stellte, theils in
der leichtsinnigen Art und Weise, mit der sie die Thatsachen behandelte. Gegen
den einseitigen Empirismus, der nur nach Thatsachen ruft, noch anzukämpfen,
ist eigentlich überflüssig; denn abgesehen davon, daß die bloße Feststellung von
sogenannten historischen Thatsachen an und für sich für die Bildung der Mensch¬
heit nicht den geringsten Werth hat, so läßt sich auch bei der Ermittlung der
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