Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.wußte man im voraus, würde Sultan Abd-ni-Medschid nach Toppana zur Sie kennen wol die Leidenschaft der Orientalen für Feuerwerk. Der Türke Bei der Menschenmenge, die in den dem Orte des Schauspiels (zunächst Mit der gestrigen Nacht hat für die Unterthanen des Padischah die Fasten¬ Es ist fast, als wenn auf Seite der Türken inmitten dieser Festtage das Grenzboten. Hi- 18!>i- . 9
wußte man im voraus, würde Sultan Abd-ni-Medschid nach Toppana zur Sie kennen wol die Leidenschaft der Orientalen für Feuerwerk. Der Türke Bei der Menschenmenge, die in den dem Orte des Schauspiels (zunächst Mit der gestrigen Nacht hat für die Unterthanen des Padischah die Fasten¬ Es ist fast, als wenn auf Seite der Türken inmitten dieser Festtage das Grenzboten. Hi- 18!>i- . 9
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281224"/> <p xml:id="ID_215" prev="#ID_214"> wußte man im voraus, würde Sultan Abd-ni-Medschid nach Toppana zur<lb/> Moschee (Dchani) gehen, sein Gebet verrichten und dann auf prachtvollem<lb/> Kalk und unter dem Donner der Kanonen den Bosporus anwärts nach seinem<lb/> Palais in Tschiraghan zurückkehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_216"> Sie kennen wol die Leidenschaft der Orientalen für Feuerwerk. Der Türke<lb/> vor allen anderen sieht den reichsten Schmuck eines Festes in hellflammenden<lb/> Lampen und hochschießenden Raketen. Die diesmalige Feier sollte durch ähn¬<lb/> liches verherrlicht werden. Leider fehlten die mächtigen Kriegsschiffe, deren<lb/> Raaen und Batterien sonst das Gerüst zur Aufstellung von tausend und aber¬<lb/> tausend Lampen bieten; dafür aber strahlten die Minarets, die Staatshäuser<lb/> am Bosporus und hohe, freistehende Transparents von um so hellerer Glut.<lb/> Der mächtige Kanal, in dem die Meeresflut zweitausend Schritt breit wogt,<lb/> war Übergossen von rothem und blauem Licht. Allgemeinster Gegenstand der<lb/> Bewunderung aber war eine mächtige Decoration in Toppana, ein Haus vor¬<lb/> stellend, welches bestimmt war, in Flammen aufzugehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_217"> Bei der Menschenmenge, die in den dem Orte des Schauspiels (zunächst<lb/> dem türkischen Stadttheil Toppana) benachbarten Straßen sich angesammelt<lb/> hatte, hielt es schwer, sich dem Landungsplatze zu nahen, an dem der Pau¬<lb/> schal) ins Kalk stieg. Ich begnügte mich damit, die Raketen und Leuchtkugeln<lb/> aufsteigen zu sehen und einen Blick auf die flammende Meerenge hinauszu¬<lb/> werfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_218"> Mit der gestrigen Nacht hat für die Unterthanen des Padischah die Fasten¬<lb/> zeit noch nicht ihr Ende erreicht. Dieselbe währt bis zum Abend des 27. Juni<lb/> fort, und schließt sodann mit dem Beiramfest, welches in mancher Hinsicht<lb/> unsrem Weihnachten entspricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_219" next="#ID_220"> Es ist fast, als wenn auf Seite der Türken inmitten dieser Festtage das<lb/> Interesse am Kriege und an der Politik abhanden gekommen wäre. Von<lb/> Silistria sind neuerdings Nachrichten eingelaufen, denen zufolge Arad Tabia<lb/> aus dem südöstlich vom Platze gelegenen Hügel zwar von den Türken (ohne<lb/> Verlust einer einzigen Kanone) geräumt worden war, nachdem das Feuer der<lb/> russischen Artillerie und zahlreiche Minen es vollkommen unhaltbar gemacht<lb/> hatten: aber nicht ohne daß dicht dahinter eine Schanze vorher erbaut wurde,<lb/> die der Feind erst einzunehmen haben wird, bevor er an die eigentliche Kette<lb/> der detaschnten Werke herankommen kann. Mit anderen Worten: nachdem<lb/> die Belagerung bereits dreißig Tage gedauert, steht der Angreifer mit seinen<lb/> Arbeiten und Batterien immer noch dreitausend Schritte von der eigentlichen<lb/> Festung entfernt. Eine derartige, Hartnäckigkeit in der localen Defensive ist<lb/> kaum noch seit Erfindung des Schießpulvers und Einführung des schweren<lb/> Geschützes vorgekommen. Man wird diese Vertheidigung zu den glänzendsten<lb/> in der Kriegsgeschichte rechnen und sie der von Saragossa und Colberg zur</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. Hi- 18!>i- . 9</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
wußte man im voraus, würde Sultan Abd-ni-Medschid nach Toppana zur
Moschee (Dchani) gehen, sein Gebet verrichten und dann auf prachtvollem
Kalk und unter dem Donner der Kanonen den Bosporus anwärts nach seinem
Palais in Tschiraghan zurückkehren.
Sie kennen wol die Leidenschaft der Orientalen für Feuerwerk. Der Türke
vor allen anderen sieht den reichsten Schmuck eines Festes in hellflammenden
Lampen und hochschießenden Raketen. Die diesmalige Feier sollte durch ähn¬
liches verherrlicht werden. Leider fehlten die mächtigen Kriegsschiffe, deren
Raaen und Batterien sonst das Gerüst zur Aufstellung von tausend und aber¬
tausend Lampen bieten; dafür aber strahlten die Minarets, die Staatshäuser
am Bosporus und hohe, freistehende Transparents von um so hellerer Glut.
Der mächtige Kanal, in dem die Meeresflut zweitausend Schritt breit wogt,
war Übergossen von rothem und blauem Licht. Allgemeinster Gegenstand der
Bewunderung aber war eine mächtige Decoration in Toppana, ein Haus vor¬
stellend, welches bestimmt war, in Flammen aufzugehen.
Bei der Menschenmenge, die in den dem Orte des Schauspiels (zunächst
dem türkischen Stadttheil Toppana) benachbarten Straßen sich angesammelt
hatte, hielt es schwer, sich dem Landungsplatze zu nahen, an dem der Pau¬
schal) ins Kalk stieg. Ich begnügte mich damit, die Raketen und Leuchtkugeln
aufsteigen zu sehen und einen Blick auf die flammende Meerenge hinauszu¬
werfen.
Mit der gestrigen Nacht hat für die Unterthanen des Padischah die Fasten¬
zeit noch nicht ihr Ende erreicht. Dieselbe währt bis zum Abend des 27. Juni
fort, und schließt sodann mit dem Beiramfest, welches in mancher Hinsicht
unsrem Weihnachten entspricht.
Es ist fast, als wenn auf Seite der Türken inmitten dieser Festtage das
Interesse am Kriege und an der Politik abhanden gekommen wäre. Von
Silistria sind neuerdings Nachrichten eingelaufen, denen zufolge Arad Tabia
aus dem südöstlich vom Platze gelegenen Hügel zwar von den Türken (ohne
Verlust einer einzigen Kanone) geräumt worden war, nachdem das Feuer der
russischen Artillerie und zahlreiche Minen es vollkommen unhaltbar gemacht
hatten: aber nicht ohne daß dicht dahinter eine Schanze vorher erbaut wurde,
die der Feind erst einzunehmen haben wird, bevor er an die eigentliche Kette
der detaschnten Werke herankommen kann. Mit anderen Worten: nachdem
die Belagerung bereits dreißig Tage gedauert, steht der Angreifer mit seinen
Arbeiten und Batterien immer noch dreitausend Schritte von der eigentlichen
Festung entfernt. Eine derartige, Hartnäckigkeit in der localen Defensive ist
kaum noch seit Erfindung des Schießpulvers und Einführung des schweren
Geschützes vorgekommen. Man wird diese Vertheidigung zu den glänzendsten
in der Kriegsgeschichte rechnen und sie der von Saragossa und Colberg zur
Grenzboten. Hi- 18!>i- . 9
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