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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Karls V. aus. den Steinen erbauen ließ, welche er durch die Zertrümmerung
eines großen Theiles des prachtvollen Maurenwerkes gewann. Ich ging achtlos
an ihm vorüber und eilte nach einem unscheinbaren Winkel, in welchem an
der linken Ecke des Palastes Karls V. der Eingang liegt, der zur weltberühmten
Herrlichkeit der Alhambra führt. Der stolze Palast der Sieger ist jetzt ein --
Gefangenhaus; die Ueberreste der Wohnungen der Besiegten das heißersehnte
Reiseziel aller Welt. Liegt darin nicht eine Gerechtigkeit der Zeit? Ehe wir
eintreten, müssen wir uns daran erinner", daß dasjenige, was man allgemein
von der Alhambra kennt und was man gewöhnlich als Alhambra versteht,
nur ein sehr kleiner Theil der ausgedehnten Festung ist, welche die Alhambra
war, als sie der unglückliche Boabdil am 2. Januar 1i92 seinen Besiegcrn
übergab. Die Gemächer, an deren Eingange wir stehen, bildeten blos die
Residenz der maurischen Regenten. Mit weniger Geduld,' als die hier in Ge¬
danken vor der Pforte geschriebenen Worte erheischt haben würden, öffnete ich
sie und vor mir lag der schöne Patio de los Arayonos, der Myrtenhof.
Ich weiß nicht, ob es andern Reisenden ebenso ergangen ist, alö mir und ich
will dadurch der Alhambra keineswegs zu nahe treten, aber der erste Eindruck,
den ich empfand, war eine, ich will nicht sagen Enttäuschung, aber Berichtigung
des Bildes, was ich mir nach den zahlreichen Abbildungen dieser zierlichen
Gemächer gemacht hätte. Zierlichkeit halte ich für daS richtigste Wort, wen"
man eben mit einem Worte den Charakter der Alhambra bezeichnen will-
Unsre Herrscher würden sich mit so kleinen Dimensionen nicht begnügt haben-
Kam ich aber auch mit andern Erwartungen her, so reichten doch wenige
Minuten aus, um inmitten dieser schönen Räume das Gefühl eines freudige"
Wohlbehagens und einer heiteren Ruhe zu gewinnen. Wenn je die Gestaltung
der Umgebung von Einfluß ist auf die Gestaltung des Menscheninnern, oder
umgekehrt der Mensch, soweit es in seiner Macht liegt, die Umgebung seinem
Innern gleich zu machen sucht, so scheint mir dies in besonders hohem Grade
mit den Mauren und ihrer Alhambra der Fall zu sein. Ernst und würdevoll
in seiner Haltung, ist der Muselmann innen blühend und bilderreich, und !"
ist die Alhambra. Niemand ahnet vor diesen schlichten, aller Zierrath ent¬
behrenden colossalen Alhambrathürmen, welche wie rohe Riesenquadern ausgehe",
die zierliche Pracht und den Reichthum der Phantasie, der sich in ihren Ge¬
mächern entfaltet. Ich will es nicht versuchen, die einzelnen Höfe und Ge¬
mächer und Galerien genau zu beschreiben. Es ist eine undankbare Arbeit,
denn der Leser macht sich ein um so falscheres Bild, je genauer und ausführ¬
licher die ihm gemachte Beschreibung war, weil sie ihm mit Einzelheiten den
Flug der erfassender Phantasie belastet und hemmt. Doch glaube ich noch
einige Bemerkungen über die Einzelheiten der maurischen Ornamentirung und
deren Technik hinzufügen zu müssen, die man hier genau studiren kann. Viel-


Karls V. aus. den Steinen erbauen ließ, welche er durch die Zertrümmerung
eines großen Theiles des prachtvollen Maurenwerkes gewann. Ich ging achtlos
an ihm vorüber und eilte nach einem unscheinbaren Winkel, in welchem an
der linken Ecke des Palastes Karls V. der Eingang liegt, der zur weltberühmten
Herrlichkeit der Alhambra führt. Der stolze Palast der Sieger ist jetzt ein —
Gefangenhaus; die Ueberreste der Wohnungen der Besiegten das heißersehnte
Reiseziel aller Welt. Liegt darin nicht eine Gerechtigkeit der Zeit? Ehe wir
eintreten, müssen wir uns daran erinner», daß dasjenige, was man allgemein
von der Alhambra kennt und was man gewöhnlich als Alhambra versteht,
nur ein sehr kleiner Theil der ausgedehnten Festung ist, welche die Alhambra
war, als sie der unglückliche Boabdil am 2. Januar 1i92 seinen Besiegcrn
übergab. Die Gemächer, an deren Eingange wir stehen, bildeten blos die
Residenz der maurischen Regenten. Mit weniger Geduld,' als die hier in Ge¬
danken vor der Pforte geschriebenen Worte erheischt haben würden, öffnete ich
sie und vor mir lag der schöne Patio de los Arayonos, der Myrtenhof.
Ich weiß nicht, ob es andern Reisenden ebenso ergangen ist, alö mir und ich
will dadurch der Alhambra keineswegs zu nahe treten, aber der erste Eindruck,
den ich empfand, war eine, ich will nicht sagen Enttäuschung, aber Berichtigung
des Bildes, was ich mir nach den zahlreichen Abbildungen dieser zierlichen
Gemächer gemacht hätte. Zierlichkeit halte ich für daS richtigste Wort, wen»
man eben mit einem Worte den Charakter der Alhambra bezeichnen will-
Unsre Herrscher würden sich mit so kleinen Dimensionen nicht begnügt haben-
Kam ich aber auch mit andern Erwartungen her, so reichten doch wenige
Minuten aus, um inmitten dieser schönen Räume das Gefühl eines freudige»
Wohlbehagens und einer heiteren Ruhe zu gewinnen. Wenn je die Gestaltung
der Umgebung von Einfluß ist auf die Gestaltung des Menscheninnern, oder
umgekehrt der Mensch, soweit es in seiner Macht liegt, die Umgebung seinem
Innern gleich zu machen sucht, so scheint mir dies in besonders hohem Grade
mit den Mauren und ihrer Alhambra der Fall zu sein. Ernst und würdevoll
in seiner Haltung, ist der Muselmann innen blühend und bilderreich, und !»
ist die Alhambra. Niemand ahnet vor diesen schlichten, aller Zierrath ent¬
behrenden colossalen Alhambrathürmen, welche wie rohe Riesenquadern ausgehe»,
die zierliche Pracht und den Reichthum der Phantasie, der sich in ihren Ge¬
mächern entfaltet. Ich will es nicht versuchen, die einzelnen Höfe und Ge¬
mächer und Galerien genau zu beschreiben. Es ist eine undankbare Arbeit,
denn der Leser macht sich ein um so falscheres Bild, je genauer und ausführ¬
licher die ihm gemachte Beschreibung war, weil sie ihm mit Einzelheiten den
Flug der erfassender Phantasie belastet und hemmt. Doch glaube ich noch
einige Bemerkungen über die Einzelheiten der maurischen Ornamentirung und
deren Technik hinzufügen zu müssen, die man hier genau studiren kann. Viel-


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[0512] Karls V. aus. den Steinen erbauen ließ, welche er durch die Zertrümmerung eines großen Theiles des prachtvollen Maurenwerkes gewann. Ich ging achtlos an ihm vorüber und eilte nach einem unscheinbaren Winkel, in welchem an der linken Ecke des Palastes Karls V. der Eingang liegt, der zur weltberühmten Herrlichkeit der Alhambra führt. Der stolze Palast der Sieger ist jetzt ein — Gefangenhaus; die Ueberreste der Wohnungen der Besiegten das heißersehnte Reiseziel aller Welt. Liegt darin nicht eine Gerechtigkeit der Zeit? Ehe wir eintreten, müssen wir uns daran erinner», daß dasjenige, was man allgemein von der Alhambra kennt und was man gewöhnlich als Alhambra versteht, nur ein sehr kleiner Theil der ausgedehnten Festung ist, welche die Alhambra war, als sie der unglückliche Boabdil am 2. Januar 1i92 seinen Besiegcrn übergab. Die Gemächer, an deren Eingange wir stehen, bildeten blos die Residenz der maurischen Regenten. Mit weniger Geduld,' als die hier in Ge¬ danken vor der Pforte geschriebenen Worte erheischt haben würden, öffnete ich sie und vor mir lag der schöne Patio de los Arayonos, der Myrtenhof. Ich weiß nicht, ob es andern Reisenden ebenso ergangen ist, alö mir und ich will dadurch der Alhambra keineswegs zu nahe treten, aber der erste Eindruck, den ich empfand, war eine, ich will nicht sagen Enttäuschung, aber Berichtigung des Bildes, was ich mir nach den zahlreichen Abbildungen dieser zierlichen Gemächer gemacht hätte. Zierlichkeit halte ich für daS richtigste Wort, wen» man eben mit einem Worte den Charakter der Alhambra bezeichnen will- Unsre Herrscher würden sich mit so kleinen Dimensionen nicht begnügt haben- Kam ich aber auch mit andern Erwartungen her, so reichten doch wenige Minuten aus, um inmitten dieser schönen Räume das Gefühl eines freudige» Wohlbehagens und einer heiteren Ruhe zu gewinnen. Wenn je die Gestaltung der Umgebung von Einfluß ist auf die Gestaltung des Menscheninnern, oder umgekehrt der Mensch, soweit es in seiner Macht liegt, die Umgebung seinem Innern gleich zu machen sucht, so scheint mir dies in besonders hohem Grade mit den Mauren und ihrer Alhambra der Fall zu sein. Ernst und würdevoll in seiner Haltung, ist der Muselmann innen blühend und bilderreich, und !» ist die Alhambra. Niemand ahnet vor diesen schlichten, aller Zierrath ent¬ behrenden colossalen Alhambrathürmen, welche wie rohe Riesenquadern ausgehe», die zierliche Pracht und den Reichthum der Phantasie, der sich in ihren Ge¬ mächern entfaltet. Ich will es nicht versuchen, die einzelnen Höfe und Ge¬ mächer und Galerien genau zu beschreiben. Es ist eine undankbare Arbeit, denn der Leser macht sich ein um so falscheres Bild, je genauer und ausführ¬ licher die ihm gemachte Beschreibung war, weil sie ihm mit Einzelheiten den Flug der erfassender Phantasie belastet und hemmt. Doch glaube ich noch einige Bemerkungen über die Einzelheiten der maurischen Ornamentirung und deren Technik hinzufügen zu müssen, die man hier genau studiren kann. Viel-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/512>, abgerufen am 01.09.2024.