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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Volk auf ihn gemacht hat, ist im ganzen ein sehr günstiger und wol geeignet,
manche Vorurtheile zu zerstören, die über dies Volk noch immer unter uns
herrschen. Auf der andern Seite zerstört er auch wieder manche günstige Vor¬
urtheile, z. B. das über die spanischen Schönheiten. -"Schöne, echt spanische
Frauengesichter sind in der Regel sprechender als deutsche; aber das was sie
sprechen sagt wol einem deutschen Manne in der Regel nicht zu. Es ist fast
ein keckes Herausfordern oder ein glutvolles Verlangen, meinetwegen, blos nach
Anerkennung; oft doch wol noch mehr. In diesem kühnen Bogen der scharf¬
gezeichneten schwarzen Augenbrauen, in dieser geschwungenen Linie der feinen
Nase und vor allem in dem scharsmarkirten Munde, über dem gar nicht selten
und nicht eben zur Unzier -- der Schatten eines angehenden Schnurrbärt-
chens lagert, habe ich oft Weiblichkeit vermißt. Man würde übrigens sehr irren,
wenn man glauben wollte, daß nun eben jedes Frauengesicht, oder wenigstens
die Mehrzahl, einen specifisch spanischen Ausdruck haben müßte. Das ist im
'Gegentheil ganz entschieden, wenigstens wo ich gewesen bin, die Minderzahl.
Nur in Andalusien bitten sie vielleicht die Mehrzahl. In der großen Mehr¬
heit, namentlich in den unteren Volksschichten, sieht man Gesichter, die ich
Allewcltsgesichter nennen möchte, weil sie in Europa überallhin passen würden.
Selbst schöne Gesichter sind oft ganz entschieden deutsch."

Um von der Darstellung eine Probe zu geben, theilen wir auszugsweise
die Beschreibung der Alhambra mit.

"Nicht ohne denjenigen heiligen Schauer, mit dem gewiß jeder Fremde die
Alhambra zum ersten Male betreten wird, durchschritt ich den Hufeisenbogen
der Puerta judicaria oder del Tribunal, unter welcher der maurische
^"ti Recht gesprochen hatte, welches jedenfalls häufiger Recht gewesen ist, als
^ellcicht anderwärts und zu andern Zeiten. Ueber der Pforte ist eine aus¬
gestreckte Hand in Stein gehauen zu sehen, deren Deutung meines Wissens
"°es nicht mit Sicherheit gelungen ist. Jetzt stand hier, wo früher die
malerische- Tracht der Mauren glänzte, der moderne christliche Soldat und über
ihm, in einer zurückweichenden Nische des Hufeisenbogens, ein buntangemalteS
Muttergottesbild. Aus dem Thor trat ich in eine ziemlich sanftaufsteigende
mauereingefaßte Gqsse, die sich oben mit einer Biegung nach rechts in den
großen Hof der Alhambra öffnet. Ich stand neben der Puerta del Vino,
^' genannt, weil dort der Weinzoll eingenommen wurde. Ueber dem zierlichen
Hufeisenbogen derselben ist ein Schlüssel und eine lange fast unleserliehe
maurische Inschrift in den Stein gehauen, welche wie gewöhnlich religiösen
Inhalts ist. Ohne zu fragen, wußte ich den Weg nach den berühmten Ge¬
mächern der Alhambra zu finden. Ich ging eiligen Schrittes über den großen
Hof hinweg und freute mich im Vorübergehen über die Gerechtigkeit der Zeit;
^Mi halb in Ruinen liegt jener unvollendete Palast, welchen der Vandalismus


Volk auf ihn gemacht hat, ist im ganzen ein sehr günstiger und wol geeignet,
manche Vorurtheile zu zerstören, die über dies Volk noch immer unter uns
herrschen. Auf der andern Seite zerstört er auch wieder manche günstige Vor¬
urtheile, z. B. das über die spanischen Schönheiten. -„Schöne, echt spanische
Frauengesichter sind in der Regel sprechender als deutsche; aber das was sie
sprechen sagt wol einem deutschen Manne in der Regel nicht zu. Es ist fast
ein keckes Herausfordern oder ein glutvolles Verlangen, meinetwegen, blos nach
Anerkennung; oft doch wol noch mehr. In diesem kühnen Bogen der scharf¬
gezeichneten schwarzen Augenbrauen, in dieser geschwungenen Linie der feinen
Nase und vor allem in dem scharsmarkirten Munde, über dem gar nicht selten
und nicht eben zur Unzier — der Schatten eines angehenden Schnurrbärt-
chens lagert, habe ich oft Weiblichkeit vermißt. Man würde übrigens sehr irren,
wenn man glauben wollte, daß nun eben jedes Frauengesicht, oder wenigstens
die Mehrzahl, einen specifisch spanischen Ausdruck haben müßte. Das ist im
'Gegentheil ganz entschieden, wenigstens wo ich gewesen bin, die Minderzahl.
Nur in Andalusien bitten sie vielleicht die Mehrzahl. In der großen Mehr¬
heit, namentlich in den unteren Volksschichten, sieht man Gesichter, die ich
Allewcltsgesichter nennen möchte, weil sie in Europa überallhin passen würden.
Selbst schöne Gesichter sind oft ganz entschieden deutsch."

Um von der Darstellung eine Probe zu geben, theilen wir auszugsweise
die Beschreibung der Alhambra mit.

„Nicht ohne denjenigen heiligen Schauer, mit dem gewiß jeder Fremde die
Alhambra zum ersten Male betreten wird, durchschritt ich den Hufeisenbogen
der Puerta judicaria oder del Tribunal, unter welcher der maurische
^"ti Recht gesprochen hatte, welches jedenfalls häufiger Recht gewesen ist, als
^ellcicht anderwärts und zu andern Zeiten. Ueber der Pforte ist eine aus¬
gestreckte Hand in Stein gehauen zu sehen, deren Deutung meines Wissens
"°es nicht mit Sicherheit gelungen ist. Jetzt stand hier, wo früher die
malerische- Tracht der Mauren glänzte, der moderne christliche Soldat und über
ihm, in einer zurückweichenden Nische des Hufeisenbogens, ein buntangemalteS
Muttergottesbild. Aus dem Thor trat ich in eine ziemlich sanftaufsteigende
mauereingefaßte Gqsse, die sich oben mit einer Biegung nach rechts in den
großen Hof der Alhambra öffnet. Ich stand neben der Puerta del Vino,
^' genannt, weil dort der Weinzoll eingenommen wurde. Ueber dem zierlichen
Hufeisenbogen derselben ist ein Schlüssel und eine lange fast unleserliehe
maurische Inschrift in den Stein gehauen, welche wie gewöhnlich religiösen
Inhalts ist. Ohne zu fragen, wußte ich den Weg nach den berühmten Ge¬
mächern der Alhambra zu finden. Ich ging eiligen Schrittes über den großen
Hof hinweg und freute mich im Vorübergehen über die Gerechtigkeit der Zeit;
^Mi halb in Ruinen liegt jener unvollendete Palast, welchen der Vandalismus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/511>, abgerufen am 06.10.2024.