Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.Schrift kommen fortwährend tadelnde Aeußerungen über anderweitige literar¬ Als den gelungensten Theil des Werks möchten wir das 15., 16. und 17. 63 *
Schrift kommen fortwährend tadelnde Aeußerungen über anderweitige literar¬ Als den gelungensten Theil des Werks möchten wir das 15., 16. und 17. 63 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281658"/> <p xml:id="ID_1520" prev="#ID_1519"> Schrift kommen fortwährend tadelnde Aeußerungen über anderweitige literar¬<lb/> historische Auffassungen vor, die um so überflüssiger sind, da man in vielen<lb/> Fällen gar nicht erräth, aus wen sie sich eigentlich beziehen. Es ist sehr lobens¬<lb/> wert!), daß der Verfasser sich bemüht, die bedeutenden Kräfte unsrer Literatur<lb/> gegen die voreilige Geringschätzung unsrer Zeit in Schutz zu nehmen; nur<lb/> muß man in solchen Fällen nicht zweierlei verwechseln. Wenn z. B. der große<lb/> und segensreiche Einfluß hervorgehoben wird, den Klopstock auf die deutsche<lb/> Literatur ausübt, so wird gewiß jedermann dem Verfasser beipflichten; allein<lb/> wenn das Publicum sich um diese culturhistorische Bedeutung nicht kümmert,<lb/> solange es seine Werke als Gegenstände der Lectüre betrachtet, so ist das ein<lb/> Maßstab des Urtheils, dem man auch sein Recht nicht absprechen kann. Die<lb/> Messiade auch nur in ihren ersten Gesängen aus Patriotismus für ein clas¬<lb/> sisches Gedicht aufzufassen, ungefähr wie das verlorene Paradies ein classisches<lb/> Gedicht ist, wäre ja eine Thorheit, und der Verfasser kommt in dieser Beziehung<lb/> ungefähr zu demselben Resultat, wie seine unbekannten Gegner. Man darf<lb/> es ferner nicht immer der bösen Absicht zuschreiben, wenn es einem Literatur¬<lb/> historiker nicht gelingt, seine Verehrung eines großen Mannes so lebhaft an<lb/> den Tag zu legen, als zu wünschen wäre. Es liegt zuweilen auch im Mangel<lb/> an Talent. So sind wir z. B. von der warmen Verehrung des Verfassers für<lb/> Lessing und von seinem Wunsch, demselben ein würdiges Denkmal zu setzen,<lb/> vollkommen überzeugt, wir müssen aber hinzusetzen, daß ihm seine Absicht nur<lb/> sehr theilweise gelungen ist. Wenigstens wird seine Schilderung nichts dazu<lb/> beitragen, den Eindruck, den frühere, sehr bedeutende Darstellungen, namentlich<lb/> die von Gervinus, auf das Publicum gemacht haben, wesentlich zu verstärken.<lb/> Ueberhaupt ist dieses Capitel wol eins der schwächsten in dem Buche. Es ist<lb/> einige Mal gradezu verworren und sieht nach leichter Arbeit aus, was man<lb/> von den andern Theilen des Buches durchaus nicht behaupten wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1521"> Als den gelungensten Theil des Werks möchten wir das 15., 16. und 17.<lb/> Jahrhundert bezeichnen. Gervinus hat zwar auch für diese Partie der Ge¬<lb/> schichte sehr viel gethan; allein Herr Cholevius hat eine reichliche und sehr<lb/> anerkennenswerthe Rachlese gehalten. Dies im einzelnen nachzuweisen, würde<lb/> bei einem an sich monographisch gehaltenen Werke nur durch eine detaillirte<lb/> Recension möglich sein. Wir haben es hier für zweckmäßiger gehalten, den<lb/> Eindruck im allgemeinen zu schildern, das Publicum auf eine höchst bedeutende<lb/> Erscheinung der Literatur aufmerksam zu machen und dem Verfasser selbst, der<lb/> bei seinem zweiten Theil noch einen bedeutenden Weg vor sich hat, unsre Be¬<lb/> denken über die Anwendbarkeit seiner bisherigen Methode auf die spätern Zeiten<lb/> der Literatur vorzulegen. Aus einigen Andeutungen der Vorrede, die in diesen<lb/> Theil übergreifen, glauben wir auf das Vorhandensein eines Mißverständnisses<lb/> schließen zu können. Wenn man unsre sogenannte classische Poesie und namentlich</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 63 *</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0507]
Schrift kommen fortwährend tadelnde Aeußerungen über anderweitige literar¬
historische Auffassungen vor, die um so überflüssiger sind, da man in vielen
Fällen gar nicht erräth, aus wen sie sich eigentlich beziehen. Es ist sehr lobens¬
wert!), daß der Verfasser sich bemüht, die bedeutenden Kräfte unsrer Literatur
gegen die voreilige Geringschätzung unsrer Zeit in Schutz zu nehmen; nur
muß man in solchen Fällen nicht zweierlei verwechseln. Wenn z. B. der große
und segensreiche Einfluß hervorgehoben wird, den Klopstock auf die deutsche
Literatur ausübt, so wird gewiß jedermann dem Verfasser beipflichten; allein
wenn das Publicum sich um diese culturhistorische Bedeutung nicht kümmert,
solange es seine Werke als Gegenstände der Lectüre betrachtet, so ist das ein
Maßstab des Urtheils, dem man auch sein Recht nicht absprechen kann. Die
Messiade auch nur in ihren ersten Gesängen aus Patriotismus für ein clas¬
sisches Gedicht aufzufassen, ungefähr wie das verlorene Paradies ein classisches
Gedicht ist, wäre ja eine Thorheit, und der Verfasser kommt in dieser Beziehung
ungefähr zu demselben Resultat, wie seine unbekannten Gegner. Man darf
es ferner nicht immer der bösen Absicht zuschreiben, wenn es einem Literatur¬
historiker nicht gelingt, seine Verehrung eines großen Mannes so lebhaft an
den Tag zu legen, als zu wünschen wäre. Es liegt zuweilen auch im Mangel
an Talent. So sind wir z. B. von der warmen Verehrung des Verfassers für
Lessing und von seinem Wunsch, demselben ein würdiges Denkmal zu setzen,
vollkommen überzeugt, wir müssen aber hinzusetzen, daß ihm seine Absicht nur
sehr theilweise gelungen ist. Wenigstens wird seine Schilderung nichts dazu
beitragen, den Eindruck, den frühere, sehr bedeutende Darstellungen, namentlich
die von Gervinus, auf das Publicum gemacht haben, wesentlich zu verstärken.
Ueberhaupt ist dieses Capitel wol eins der schwächsten in dem Buche. Es ist
einige Mal gradezu verworren und sieht nach leichter Arbeit aus, was man
von den andern Theilen des Buches durchaus nicht behaupten wird.
Als den gelungensten Theil des Werks möchten wir das 15., 16. und 17.
Jahrhundert bezeichnen. Gervinus hat zwar auch für diese Partie der Ge¬
schichte sehr viel gethan; allein Herr Cholevius hat eine reichliche und sehr
anerkennenswerthe Rachlese gehalten. Dies im einzelnen nachzuweisen, würde
bei einem an sich monographisch gehaltenen Werke nur durch eine detaillirte
Recension möglich sein. Wir haben es hier für zweckmäßiger gehalten, den
Eindruck im allgemeinen zu schildern, das Publicum auf eine höchst bedeutende
Erscheinung der Literatur aufmerksam zu machen und dem Verfasser selbst, der
bei seinem zweiten Theil noch einen bedeutenden Weg vor sich hat, unsre Be¬
denken über die Anwendbarkeit seiner bisherigen Methode auf die spätern Zeiten
der Literatur vorzulegen. Aus einigen Andeutungen der Vorrede, die in diesen
Theil übergreifen, glauben wir auf das Vorhandensein eines Mißverständnisses
schließen zu können. Wenn man unsre sogenannte classische Poesie und namentlich
63 *
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |