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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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ung wurde befohlen, und gegen zehn Uhr hielt Ihre Majestät ihren Einzug
und fuhr durch die ganze Stadt, nachdem sie vorher ihre Andacht in der Kirche
von Atocha vor dem Schrein der heiligen Jungfrau verrichtet, welche für die
Schutzheilige der königlichen Familie von Spanien gilt. Eine Abtheilung
Gensdarmen, die vor dem Ministerium des Innern 'aufmarschirt war, rief ein
Vivat, als die Königin vorüberfuhr, aber das Volk und das übrige Militär
blieb stumm. Ebenso war es am folgenden Tage, wo sie Musterung über die
Garnison im Prado hielt, begleitet von ihrer kleinen Tochter, die sie dem
Schutze der Truppen empfahl.

Im Laufe des Tages war eine nichtunterzeichncte Proclamation verbreitet
worden, deren Inhalt die Liberalen im ganzen befriedigte, und ihre Häupter
traten zu einer Berathung zusammen, ob sie zu den Waffen greisen oder we¬
nigstens eine Demonstration gegen die Regierung machen sollten. Eine zweite
Proclamation, unterzeichnet von den drei Generalen ODvnnell, Dulce und
Messina, entsprach ihren Wünschen nicht, denn sie sagte kein Wort von den
Garantien, deren die Nation bedürfte, und sprach nur von der Mißregicrung
^'r Minister und von der Nothwendigkeit, sie zu stürzen. Außerdem traf eine
Aufforderung der Aufständischen ein, Madrid solle sich ruhig verhalten, und
Armee die Entscheidung überlassen. Der Tag verging mit Berathungen,
Und gegen Abend bewog die veränderte Haltung der Behörden, die durch den
Telegraphen von dem Grafen San Luis Befehl erhalten, kräftig einzuschreiten,
"ud die beträchtlichen Truppenmassen, die mittlerweile in allen Straßen sich
^sammelt hatten, und welche bewiesen, daß der Regierung noch genügende
kuppen zu Gebote standen, die Schwankenden von ihren Aufstaudsplänen
abzusetzen.

Der nächste Tag war der Se. PeterStag, ein hoher Festtag, der wie ge¬
wöhnlich durch Stiergefechte gefeiert werden sollte; aber die Stiergefechte wur¬
de" abgesagt. Es fanden einige Verhaftungen statt, die Stadt war immer
"°es aufgeregt, doch die Ruhe wurde nicht gestört. An diesem und dem fol-
^'uden Tage gingen tausend Gerüchte in der Stadt um. Die Aufständischen
waren ganz in der Nähe der Stadt, und wiederholt kamen Nachrichten, daß sie
Begriff ständen, sie anzugreifen. Der untere Theil der Alcalastraße, die
"ach dem Thore führt, wo der Feind herkommen mußte, war gesperrt. Da sich
derselben Straße auch die Wohnung des Gcneraleapitäns befindet, und dort
^'staubig Adjutanten und Ordonnanzen ab- und zusprengten, so hatte sich dort
^>el Volks versammelt, und sie mußte mehrmals von dem Miltär freigemacht
werden. Die Menge zerstreute sich aber nicht, und blieb bis nahe um Mitter¬
nacht auf den Straßen. Schon gegen Abend (am ^0.) erfuhr man in der
^labt, daß ein Gefecht zwischen den Aufständischen und der Garnison, die
adrid verlassen hatte, nahe bevorstehe, oder schon im Gange sei. ES war


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ung wurde befohlen, und gegen zehn Uhr hielt Ihre Majestät ihren Einzug
und fuhr durch die ganze Stadt, nachdem sie vorher ihre Andacht in der Kirche
von Atocha vor dem Schrein der heiligen Jungfrau verrichtet, welche für die
Schutzheilige der königlichen Familie von Spanien gilt. Eine Abtheilung
Gensdarmen, die vor dem Ministerium des Innern 'aufmarschirt war, rief ein
Vivat, als die Königin vorüberfuhr, aber das Volk und das übrige Militär
blieb stumm. Ebenso war es am folgenden Tage, wo sie Musterung über die
Garnison im Prado hielt, begleitet von ihrer kleinen Tochter, die sie dem
Schutze der Truppen empfahl.

Im Laufe des Tages war eine nichtunterzeichncte Proclamation verbreitet
worden, deren Inhalt die Liberalen im ganzen befriedigte, und ihre Häupter
traten zu einer Berathung zusammen, ob sie zu den Waffen greisen oder we¬
nigstens eine Demonstration gegen die Regierung machen sollten. Eine zweite
Proclamation, unterzeichnet von den drei Generalen ODvnnell, Dulce und
Messina, entsprach ihren Wünschen nicht, denn sie sagte kein Wort von den
Garantien, deren die Nation bedürfte, und sprach nur von der Mißregicrung
^'r Minister und von der Nothwendigkeit, sie zu stürzen. Außerdem traf eine
Aufforderung der Aufständischen ein, Madrid solle sich ruhig verhalten, und
Armee die Entscheidung überlassen. Der Tag verging mit Berathungen,
Und gegen Abend bewog die veränderte Haltung der Behörden, die durch den
Telegraphen von dem Grafen San Luis Befehl erhalten, kräftig einzuschreiten,
"ud die beträchtlichen Truppenmassen, die mittlerweile in allen Straßen sich
^sammelt hatten, und welche bewiesen, daß der Regierung noch genügende
kuppen zu Gebote standen, die Schwankenden von ihren Aufstaudsplänen
abzusetzen.

Der nächste Tag war der Se. PeterStag, ein hoher Festtag, der wie ge¬
wöhnlich durch Stiergefechte gefeiert werden sollte; aber die Stiergefechte wur¬
de» abgesagt. Es fanden einige Verhaftungen statt, die Stadt war immer
"°es aufgeregt, doch die Ruhe wurde nicht gestört. An diesem und dem fol-
^'uden Tage gingen tausend Gerüchte in der Stadt um. Die Aufständischen
waren ganz in der Nähe der Stadt, und wiederholt kamen Nachrichten, daß sie
Begriff ständen, sie anzugreifen. Der untere Theil der Alcalastraße, die
"ach dem Thore führt, wo der Feind herkommen mußte, war gesperrt. Da sich
derselben Straße auch die Wohnung des Gcneraleapitäns befindet, und dort
^'staubig Adjutanten und Ordonnanzen ab- und zusprengten, so hatte sich dort
^>el Volks versammelt, und sie mußte mehrmals von dem Miltär freigemacht
werden. Die Menge zerstreute sich aber nicht, und blieb bis nahe um Mitter¬
nacht auf den Straßen. Schon gegen Abend (am ^0.) erfuhr man in der
^labt, daß ein Gefecht zwischen den Aufständischen und der Garnison, die
adrid verlassen hatte, nahe bevorstehe, oder schon im Gange sei. ES war


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/473>, abgerufen am 27.07.2024.