Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.1807 unter General Kalkreuth und dem Ingenieur Vom Platz, Lieutenant ES ist überflüssig, die Gesinnung zu charakterisiren, welche den Bundes¬ 1807 unter General Kalkreuth und dem Ingenieur Vom Platz, Lieutenant ES ist überflüssig, die Gesinnung zu charakterisiren, welche den Bundes¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281611"/> <p xml:id="ID_1402" prev="#ID_1401"> 1807 unter General Kalkreuth und dem Ingenieur Vom Platz, Lieutenant<lb/> Pullet, gegen das französische BelagcrungscorpS unter dem Marschall Lefebvre.<lb/> Derselbe preußische General, an dessen tapferer Gegenwehr die durch die bei¬<lb/> spiellose Feigheit anderer Festungscommandanten gebrochene Hoffnung des<lb/> Volkes sich einigermaßen wieder aufrichtete und der eine Kapitulation errang,<lb/> in welcher der Besatzung freier Abzug „mit klingendem Spiel, Waffen, Ba¬<lb/> gage, fliegenden Fahnen und brennenden Lunten" zugestanden wurde, — der¬<lb/> selbe General hatte unmittelbar darauf das Unglück, den Tilsiter Frieden zu<lb/> unterzeichnen, bei dem sich der wahre Charakter ,,unsres alten Verbündeten"<lb/> bekanntlich in grellem Lichte zeigte. Zur Geschichte des Tilsiter Friedens gibt<lb/> Friccius beiläufig folgenden interessanten Beitrag. „Mein Freund, der<lb/> verstorbene KreiSjustizrath Künzel, damals in Wracawek, ging bald nach dem<lb/> Abschluß des Tilsiter Friedens zu Kalkreuth, um zu erfahren, was in dem<lb/> Friedensverträge über das Schicksal der vielen unglücklichen südpreußischen<lb/> Osficianten festgesetzt sei. Kalkreuth entschuldigte sich mit gänzlicher Unwissen¬<lb/> heit, und aus Künzels Bemerkung, daß er nach den öffentlichen Nachrichten<lb/> den Frieden verhandelt habe, erzählte er, worin die Unterhandlungen bestanden<lb/> hätten. Er sei von Memel nach Tilsit geschickt, um im Namen Preußens<lb/> den Frieden zu unterhandeln. Als er um Instruction und Verhaltungs¬<lb/> anweisung gebeten, sei er an den Kaiser Alexander gewiesen wor¬<lb/> den. Dieser habe ihm gesagt, nachdem er sich bei ihm gemeldet, daß er ihn<lb/> in einigen Tagen rusen lassen würde. Dies sei auch geschehen, wo ihm<lb/> der Kaiser aber blos gesagt, daß er den Frieden für Rußland<lb/> abgeschlossen habe und es ihm n n n ü b erlasse, ihn a u es für Pr eu-<lb/> ßen abzuschließen; er möge sich nun deshalb an Talleyrand wenden.<lb/> Als er zu Talleyrand gekommen, habe ihm dieser erklärt, daß er ihm in we¬<lb/> nigen Tagen das Weitere mittheilen werde. Sehr bald habe er auch von<lb/> demselben ein Papier mit der Nachricht erhallen, daß dies der Friedensvertrag<lb/> sei und er ihn unterschreiben möge. Auf seine Bitte, ihm einige Tage Frist<lb/> zu gestatten, um das Papier nach Memel senden zu können, von wo er wei¬<lb/> tere Anweisung erwarten müsse, sei ihm dies zugestanden. In wenigen Tagen<lb/> habe er das Papier mit der Unterschrift des Grafen v. d. Goltz, Minister der<lb/> auswärtigen Angelegenheiten und mit dem Befehl des Königs zurückerhalten,<lb/> ihn im Namen Preußens zu unterschreiben, was er gethan habe. Andre<lb/> Unterhandlungen hätten nicht stattgefunden."</p><lb/> <p xml:id="ID_1403" next="#ID_1404"> ES ist überflüssig, die Gesinnung zu charakterisiren, welche den Bundes¬<lb/> genossen im Unglück schnöde verläßt, ihn der Gnade und Ungnade des Siegers<lb/> preisgibt, mit dem Gegner paetirt und gemeinschaftlich mit ihn, den verrathe¬<lb/> nen Freund plündert. Daß eine so geartete Politik einige Jahre später wie<lb/> die lauterste Uneigennützigkeit handeln würde, war nicht zu erwarten. Auch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
1807 unter General Kalkreuth und dem Ingenieur Vom Platz, Lieutenant
Pullet, gegen das französische BelagcrungscorpS unter dem Marschall Lefebvre.
Derselbe preußische General, an dessen tapferer Gegenwehr die durch die bei¬
spiellose Feigheit anderer Festungscommandanten gebrochene Hoffnung des
Volkes sich einigermaßen wieder aufrichtete und der eine Kapitulation errang,
in welcher der Besatzung freier Abzug „mit klingendem Spiel, Waffen, Ba¬
gage, fliegenden Fahnen und brennenden Lunten" zugestanden wurde, — der¬
selbe General hatte unmittelbar darauf das Unglück, den Tilsiter Frieden zu
unterzeichnen, bei dem sich der wahre Charakter ,,unsres alten Verbündeten"
bekanntlich in grellem Lichte zeigte. Zur Geschichte des Tilsiter Friedens gibt
Friccius beiläufig folgenden interessanten Beitrag. „Mein Freund, der
verstorbene KreiSjustizrath Künzel, damals in Wracawek, ging bald nach dem
Abschluß des Tilsiter Friedens zu Kalkreuth, um zu erfahren, was in dem
Friedensverträge über das Schicksal der vielen unglücklichen südpreußischen
Osficianten festgesetzt sei. Kalkreuth entschuldigte sich mit gänzlicher Unwissen¬
heit, und aus Künzels Bemerkung, daß er nach den öffentlichen Nachrichten
den Frieden verhandelt habe, erzählte er, worin die Unterhandlungen bestanden
hätten. Er sei von Memel nach Tilsit geschickt, um im Namen Preußens
den Frieden zu unterhandeln. Als er um Instruction und Verhaltungs¬
anweisung gebeten, sei er an den Kaiser Alexander gewiesen wor¬
den. Dieser habe ihm gesagt, nachdem er sich bei ihm gemeldet, daß er ihn
in einigen Tagen rusen lassen würde. Dies sei auch geschehen, wo ihm
der Kaiser aber blos gesagt, daß er den Frieden für Rußland
abgeschlossen habe und es ihm n n n ü b erlasse, ihn a u es für Pr eu-
ßen abzuschließen; er möge sich nun deshalb an Talleyrand wenden.
Als er zu Talleyrand gekommen, habe ihm dieser erklärt, daß er ihm in we¬
nigen Tagen das Weitere mittheilen werde. Sehr bald habe er auch von
demselben ein Papier mit der Nachricht erhallen, daß dies der Friedensvertrag
sei und er ihn unterschreiben möge. Auf seine Bitte, ihm einige Tage Frist
zu gestatten, um das Papier nach Memel senden zu können, von wo er wei¬
tere Anweisung erwarten müsse, sei ihm dies zugestanden. In wenigen Tagen
habe er das Papier mit der Unterschrift des Grafen v. d. Goltz, Minister der
auswärtigen Angelegenheiten und mit dem Befehl des Königs zurückerhalten,
ihn im Namen Preußens zu unterschreiben, was er gethan habe. Andre
Unterhandlungen hätten nicht stattgefunden."
ES ist überflüssig, die Gesinnung zu charakterisiren, welche den Bundes¬
genossen im Unglück schnöde verläßt, ihn der Gnade und Ungnade des Siegers
preisgibt, mit dem Gegner paetirt und gemeinschaftlich mit ihn, den verrathe¬
nen Freund plündert. Daß eine so geartete Politik einige Jahre später wie
die lauterste Uneigennützigkeit handeln würde, war nicht zu erwarten. Auch
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