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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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neben der unbefangenen Besprechung innerer Zustände auch die des' "deutschen"
und außerdeutschen Auslandes so gut wie unmöglich gemacht sei. Im ursprüng¬
lichen preußischen Entwürfe fand sich nun von diesen Bestimmungen nichts,
selbst nicht der im Bundesbeschluß übriggebliebene (18.) Paragraph, dessen
Spitze bei der Endredaction nur einigermaßen dadurch abgestumpft wurde, daß
die Verfolgung derartiger Preßvergehen blos "von Amtswegen oder auf An¬
trag" eintreten kann, während frühere Entwürfe selbst diese Bestimmung unter¬
lassen hatten. Allerdings bleibt noch immer die Grenze des Preßausdrucks sehr
e"g gezogen. Bei den Zeitströmungen indessen und bei jenen Einflüssen, unter
denen das ganze Gesetz zu Stande kam, muß ja selbst dieses Minimum von
Rechtssicherheit als eine Gunst des Schicksals erscheinen.

Freilich nur ein deutscher Trost! Aber sogar die Rückkehr von Präventiv¬
maßregeln lag ja bei der Entstehung des Preßgesetzeö nicht fern. Man erkennt
dies noch an manchen Zügen seines ersten Abschnittes (K. -I--6), der die all¬
gemeinen preßpolizeilichen Bestimmungen enthält. Dort hat das östreichisch-
hessische Princip überhaupt seinen unbestrittensten Sieg gefeiert. Nur der
Termin für die Abgabe des sogenannten Pflichtexemplars "eine Stunde vor"
(oder wie Sachsen wollte: gleichzeitig mit) der Ausgabe, Versendung oder
Veröffentlichung eines Druckerzeugnisses, ist in dem Bundeöbeschluß mehr
facultativ beliebt worden.

Der zweite Hauptabschnitt des Gesetzes enthält die Bestimmungen über
die periodische Presse. Die Preßgesetzgebungen der Einzelstaaten hatten uns
freilich bereits daran gewöhnt, in den entsprechenden Abschnitten die legis¬
latorische Thätigkeit von dem Princip beherrscht zu sehen: Ouilldet pr/rvsumi-
>ur ma/et". So konnten schon von vornherein die Erwartungen darauf nur
üußerst gering sein, daß das Bundespreßgesetz eine wesentlich andre Ausfassung
bekunden werde. Und diese Erwartung ist keineswegs getäuscht worden. Wir
sind auch hierbei auf rcsignirte Dankbarkeit gegen das Schicksal gewiesen,
welches die diesfällsiger Bestimmungen nicht noch schroffer ausfallen ließ.
Nach den meisten Preßgesetzen der Einzelstaaten darf z. B. überhaupt kein
"Ausländer" Redacteur einer "inländischen" Zeitschrift sein, das Bundes-
^eßgesetz fordert nur, daß der Redacteur des Blattes seinen "ständigen Wohn-
stb" in dem Staate seiner redaktionellen Thätigkeit habe. Der östreichisch-
hessische Entwurf hatte serner allen periodischen Schriften die Cautions-
Wichtigkeit und Nennung des Redacteurs (außer den officiellen und reinen
^uzeigeblättern) auferlegt; der Bundesbeschluß hat diese Verpflichtungen wenig¬
stens blos auf Zeitungen politischen und socialen Inhalts beschränkt und da¬
durch im deutschen Vaterlande, wo die Wissenschaft fast überall mit den äußer¬
sten pecuniären Beschränkungen zu kämpfen hat, einer ganzen Reihe höchst
wichtiger fachwissenschaftlichen Zeitschriften die Möglichkeit ihrer Existenz be-


neben der unbefangenen Besprechung innerer Zustände auch die des' „deutschen"
und außerdeutschen Auslandes so gut wie unmöglich gemacht sei. Im ursprüng¬
lichen preußischen Entwürfe fand sich nun von diesen Bestimmungen nichts,
selbst nicht der im Bundesbeschluß übriggebliebene (18.) Paragraph, dessen
Spitze bei der Endredaction nur einigermaßen dadurch abgestumpft wurde, daß
die Verfolgung derartiger Preßvergehen blos „von Amtswegen oder auf An¬
trag" eintreten kann, während frühere Entwürfe selbst diese Bestimmung unter¬
lassen hatten. Allerdings bleibt noch immer die Grenze des Preßausdrucks sehr
e»g gezogen. Bei den Zeitströmungen indessen und bei jenen Einflüssen, unter
denen das ganze Gesetz zu Stande kam, muß ja selbst dieses Minimum von
Rechtssicherheit als eine Gunst des Schicksals erscheinen.

Freilich nur ein deutscher Trost! Aber sogar die Rückkehr von Präventiv¬
maßregeln lag ja bei der Entstehung des Preßgesetzeö nicht fern. Man erkennt
dies noch an manchen Zügen seines ersten Abschnittes (K. -I—6), der die all¬
gemeinen preßpolizeilichen Bestimmungen enthält. Dort hat das östreichisch-
hessische Princip überhaupt seinen unbestrittensten Sieg gefeiert. Nur der
Termin für die Abgabe des sogenannten Pflichtexemplars „eine Stunde vor"
(oder wie Sachsen wollte: gleichzeitig mit) der Ausgabe, Versendung oder
Veröffentlichung eines Druckerzeugnisses, ist in dem Bundeöbeschluß mehr
facultativ beliebt worden.

Der zweite Hauptabschnitt des Gesetzes enthält die Bestimmungen über
die periodische Presse. Die Preßgesetzgebungen der Einzelstaaten hatten uns
freilich bereits daran gewöhnt, in den entsprechenden Abschnitten die legis¬
latorische Thätigkeit von dem Princip beherrscht zu sehen: Ouilldet pr/rvsumi-
>ur ma/et«. So konnten schon von vornherein die Erwartungen darauf nur
üußerst gering sein, daß das Bundespreßgesetz eine wesentlich andre Ausfassung
bekunden werde. Und diese Erwartung ist keineswegs getäuscht worden. Wir
sind auch hierbei auf rcsignirte Dankbarkeit gegen das Schicksal gewiesen,
welches die diesfällsiger Bestimmungen nicht noch schroffer ausfallen ließ.
Nach den meisten Preßgesetzen der Einzelstaaten darf z. B. überhaupt kein
"Ausländer" Redacteur einer „inländischen" Zeitschrift sein, das Bundes-
^eßgesetz fordert nur, daß der Redacteur des Blattes seinen „ständigen Wohn-
stb" in dem Staate seiner redaktionellen Thätigkeit habe. Der östreichisch-
hessische Entwurf hatte serner allen periodischen Schriften die Cautions-
Wichtigkeit und Nennung des Redacteurs (außer den officiellen und reinen
^uzeigeblättern) auferlegt; der Bundesbeschluß hat diese Verpflichtungen wenig¬
stens blos auf Zeitungen politischen und socialen Inhalts beschränkt und da¬
durch im deutschen Vaterlande, wo die Wissenschaft fast überall mit den äußer¬
sten pecuniären Beschränkungen zu kämpfen hat, einer ganzen Reihe höchst
wichtiger fachwissenschaftlichen Zeitschriften die Möglichkeit ihrer Existenz be-


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[0455] neben der unbefangenen Besprechung innerer Zustände auch die des' „deutschen" und außerdeutschen Auslandes so gut wie unmöglich gemacht sei. Im ursprüng¬ lichen preußischen Entwürfe fand sich nun von diesen Bestimmungen nichts, selbst nicht der im Bundesbeschluß übriggebliebene (18.) Paragraph, dessen Spitze bei der Endredaction nur einigermaßen dadurch abgestumpft wurde, daß die Verfolgung derartiger Preßvergehen blos „von Amtswegen oder auf An¬ trag" eintreten kann, während frühere Entwürfe selbst diese Bestimmung unter¬ lassen hatten. Allerdings bleibt noch immer die Grenze des Preßausdrucks sehr e»g gezogen. Bei den Zeitströmungen indessen und bei jenen Einflüssen, unter denen das ganze Gesetz zu Stande kam, muß ja selbst dieses Minimum von Rechtssicherheit als eine Gunst des Schicksals erscheinen. Freilich nur ein deutscher Trost! Aber sogar die Rückkehr von Präventiv¬ maßregeln lag ja bei der Entstehung des Preßgesetzeö nicht fern. Man erkennt dies noch an manchen Zügen seines ersten Abschnittes (K. -I—6), der die all¬ gemeinen preßpolizeilichen Bestimmungen enthält. Dort hat das östreichisch- hessische Princip überhaupt seinen unbestrittensten Sieg gefeiert. Nur der Termin für die Abgabe des sogenannten Pflichtexemplars „eine Stunde vor" (oder wie Sachsen wollte: gleichzeitig mit) der Ausgabe, Versendung oder Veröffentlichung eines Druckerzeugnisses, ist in dem Bundeöbeschluß mehr facultativ beliebt worden. Der zweite Hauptabschnitt des Gesetzes enthält die Bestimmungen über die periodische Presse. Die Preßgesetzgebungen der Einzelstaaten hatten uns freilich bereits daran gewöhnt, in den entsprechenden Abschnitten die legis¬ latorische Thätigkeit von dem Princip beherrscht zu sehen: Ouilldet pr/rvsumi- >ur ma/et«. So konnten schon von vornherein die Erwartungen darauf nur üußerst gering sein, daß das Bundespreßgesetz eine wesentlich andre Ausfassung bekunden werde. Und diese Erwartung ist keineswegs getäuscht worden. Wir sind auch hierbei auf rcsignirte Dankbarkeit gegen das Schicksal gewiesen, welches die diesfällsiger Bestimmungen nicht noch schroffer ausfallen ließ. Nach den meisten Preßgesetzen der Einzelstaaten darf z. B. überhaupt kein "Ausländer" Redacteur einer „inländischen" Zeitschrift sein, das Bundes- ^eßgesetz fordert nur, daß der Redacteur des Blattes seinen „ständigen Wohn- stb" in dem Staate seiner redaktionellen Thätigkeit habe. Der östreichisch- hessische Entwurf hatte serner allen periodischen Schriften die Cautions- Wichtigkeit und Nennung des Redacteurs (außer den officiellen und reinen ^uzeigeblättern) auferlegt; der Bundesbeschluß hat diese Verpflichtungen wenig¬ stens blos auf Zeitungen politischen und socialen Inhalts beschränkt und da¬ durch im deutschen Vaterlande, wo die Wissenschaft fast überall mit den äußer¬ sten pecuniären Beschränkungen zu kämpfen hat, einer ganzen Reihe höchst wichtiger fachwissenschaftlichen Zeitschriften die Möglichkeit ihrer Existenz be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/455>, abgerufen am 27.07.2024.