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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Jordan hat ihnen daher auch nicht viel anderes entlehnt, als die Namen und
die ganz allgemeinen Grundbegriffe. Im übrigen hat er sich ganz den Ein¬
gebungen seiner eignen Speculation überlassen.

Wenn man nun die Begriffe des Guten und Bösen personificiren will,
um ihre Einseitigkeit nachzuweisen, so geräth man in einen wunderlichen
Widerspruch. Das Gute kann ohne das Böse (als ein Moment, welches z"
überwinden ist) nicht gedacht werden, und das Böse nicht ohne das Gute (als
ein Maßstab des Urtheils). Es ist also auch absolut unmöglich, das eine oder das
andere in einer Person darzustellen. Das Böse ist gewiß ein Entwicklungsmomettt
des Lebens, aber das Böse, als eine Person gedacht, ist nicht nur etwas scheu߬
liches, sondern etwas Unmögliches. Der Geist, der verneint, ist ebenso wichtig
sür das Leben, als der Geist, der bejaht. Aber denke man sich eine Person,
die blos bejaht, und eine Person, die blos verneint, so wird Man in beiden
Fällen die lächerlichste Fratze haben, ganz einerlei, ob man einen Mensche"
oder einen Gott darstellen will. Der Gegensatz des Ormuzd und Ahriman ist
auch nicht so speculativ aufgefaßt, als uns halbgebildete Mvthvlogen einbilden
wollten, und in allen wirklich historischen Religionen enthält Gott die beiden
Pole der Existenz in sich selbst. Böse wird genannt, wer sich ihm widersetzt-
Als Goethe in seinem Mephistopheles den Geist, der stets verneint, zu schildern
unternahm, hat er sehr weise ein positives Moment hinzugesetzt, wegen dessen
sich dieser Teufel sogar einer gewissen Gunst beim lieben Gott erfreut: nämlich
das Moment des Humors. Mephistopheles ist der idcalistrte Shakespeares"^
Clown oder der deutsche Kasperle, der über alle Dinge die Nase rümpft, weil
"er als echter Bedienter und Nichtsthuer überall den Helden im Schlafrock steht-
Aber er macht über alles einen sehr ergötzlichen Spaß und trifft nebenbei mit
seinem platten gesunden Menschenverstand in vielen Fällen das Richtige, wo
die tiefsinnige Speculation rathlos bleibt; grade wie die Hofnarren des Mittel-
alters. -- Aus diesem Makler aber einen ebenbürtigen Gegensatz gegen Gott
zu machen, kann niemand einfallen. Herr Jordan hat daher auch zwischen
Lucifer und Mephistopheles sorgfältig unterschieden. Lucifer oder Demiurgos ist
ihm nicht der Geist des Bösen, sondern der Geist, der sich auch des Böse"
bedient, weil er weiß, daß ohne dasselbe die Welt nicht bestehen kann. Was
bleibt nun aber für den guten Gott, für Agathodämon übrig? Nichts als die
weichliche Sentimentalität, das sogenannte gute Herz, das dem Nothwendige"
widerstrebt, weil es ihm wehe thut. Mit einem solchen Gott konnte Lucifer
freilich leicht fertig werden. Aber was haben wir nun damit gewonnen, daß
wir Gott umgetauft und ihn Teufel genannt haben? Denn soweit Lucifer
einen wirklichen Begriff repräsentirt, ist es unser alter Gottesbegriff, der durch
Agathodämon keine Ergänzung erhalten kann, denn er hat das Moment des
Guten bereits in sich selbst. Diese mythologischen Bildungen sind also cheri"


Jordan hat ihnen daher auch nicht viel anderes entlehnt, als die Namen und
die ganz allgemeinen Grundbegriffe. Im übrigen hat er sich ganz den Ein¬
gebungen seiner eignen Speculation überlassen.

Wenn man nun die Begriffe des Guten und Bösen personificiren will,
um ihre Einseitigkeit nachzuweisen, so geräth man in einen wunderlichen
Widerspruch. Das Gute kann ohne das Böse (als ein Moment, welches z»
überwinden ist) nicht gedacht werden, und das Böse nicht ohne das Gute (als
ein Maßstab des Urtheils). Es ist also auch absolut unmöglich, das eine oder das
andere in einer Person darzustellen. Das Böse ist gewiß ein Entwicklungsmomettt
des Lebens, aber das Böse, als eine Person gedacht, ist nicht nur etwas scheu߬
liches, sondern etwas Unmögliches. Der Geist, der verneint, ist ebenso wichtig
sür das Leben, als der Geist, der bejaht. Aber denke man sich eine Person,
die blos bejaht, und eine Person, die blos verneint, so wird Man in beiden
Fällen die lächerlichste Fratze haben, ganz einerlei, ob man einen Mensche»
oder einen Gott darstellen will. Der Gegensatz des Ormuzd und Ahriman ist
auch nicht so speculativ aufgefaßt, als uns halbgebildete Mvthvlogen einbilden
wollten, und in allen wirklich historischen Religionen enthält Gott die beiden
Pole der Existenz in sich selbst. Böse wird genannt, wer sich ihm widersetzt-
Als Goethe in seinem Mephistopheles den Geist, der stets verneint, zu schildern
unternahm, hat er sehr weise ein positives Moment hinzugesetzt, wegen dessen
sich dieser Teufel sogar einer gewissen Gunst beim lieben Gott erfreut: nämlich
das Moment des Humors. Mephistopheles ist der idcalistrte Shakespeares«^
Clown oder der deutsche Kasperle, der über alle Dinge die Nase rümpft, weil
"er als echter Bedienter und Nichtsthuer überall den Helden im Schlafrock steht-
Aber er macht über alles einen sehr ergötzlichen Spaß und trifft nebenbei mit
seinem platten gesunden Menschenverstand in vielen Fällen das Richtige, wo
die tiefsinnige Speculation rathlos bleibt; grade wie die Hofnarren des Mittel-
alters. — Aus diesem Makler aber einen ebenbürtigen Gegensatz gegen Gott
zu machen, kann niemand einfallen. Herr Jordan hat daher auch zwischen
Lucifer und Mephistopheles sorgfältig unterschieden. Lucifer oder Demiurgos ist
ihm nicht der Geist des Bösen, sondern der Geist, der sich auch des Böse»
bedient, weil er weiß, daß ohne dasselbe die Welt nicht bestehen kann. Was
bleibt nun aber für den guten Gott, für Agathodämon übrig? Nichts als die
weichliche Sentimentalität, das sogenannte gute Herz, das dem Nothwendige»
widerstrebt, weil es ihm wehe thut. Mit einem solchen Gott konnte Lucifer
freilich leicht fertig werden. Aber was haben wir nun damit gewonnen, daß
wir Gott umgetauft und ihn Teufel genannt haben? Denn soweit Lucifer
einen wirklichen Begriff repräsentirt, ist es unser alter Gottesbegriff, der durch
Agathodämon keine Ergänzung erhalten kann, denn er hat das Moment des
Guten bereits in sich selbst. Diese mythologischen Bildungen sind also cheri»


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[0420] Jordan hat ihnen daher auch nicht viel anderes entlehnt, als die Namen und die ganz allgemeinen Grundbegriffe. Im übrigen hat er sich ganz den Ein¬ gebungen seiner eignen Speculation überlassen. Wenn man nun die Begriffe des Guten und Bösen personificiren will, um ihre Einseitigkeit nachzuweisen, so geräth man in einen wunderlichen Widerspruch. Das Gute kann ohne das Böse (als ein Moment, welches z» überwinden ist) nicht gedacht werden, und das Böse nicht ohne das Gute (als ein Maßstab des Urtheils). Es ist also auch absolut unmöglich, das eine oder das andere in einer Person darzustellen. Das Böse ist gewiß ein Entwicklungsmomettt des Lebens, aber das Böse, als eine Person gedacht, ist nicht nur etwas scheu߬ liches, sondern etwas Unmögliches. Der Geist, der verneint, ist ebenso wichtig sür das Leben, als der Geist, der bejaht. Aber denke man sich eine Person, die blos bejaht, und eine Person, die blos verneint, so wird Man in beiden Fällen die lächerlichste Fratze haben, ganz einerlei, ob man einen Mensche» oder einen Gott darstellen will. Der Gegensatz des Ormuzd und Ahriman ist auch nicht so speculativ aufgefaßt, als uns halbgebildete Mvthvlogen einbilden wollten, und in allen wirklich historischen Religionen enthält Gott die beiden Pole der Existenz in sich selbst. Böse wird genannt, wer sich ihm widersetzt- Als Goethe in seinem Mephistopheles den Geist, der stets verneint, zu schildern unternahm, hat er sehr weise ein positives Moment hinzugesetzt, wegen dessen sich dieser Teufel sogar einer gewissen Gunst beim lieben Gott erfreut: nämlich das Moment des Humors. Mephistopheles ist der idcalistrte Shakespeares«^ Clown oder der deutsche Kasperle, der über alle Dinge die Nase rümpft, weil "er als echter Bedienter und Nichtsthuer überall den Helden im Schlafrock steht- Aber er macht über alles einen sehr ergötzlichen Spaß und trifft nebenbei mit seinem platten gesunden Menschenverstand in vielen Fällen das Richtige, wo die tiefsinnige Speculation rathlos bleibt; grade wie die Hofnarren des Mittel- alters. — Aus diesem Makler aber einen ebenbürtigen Gegensatz gegen Gott zu machen, kann niemand einfallen. Herr Jordan hat daher auch zwischen Lucifer und Mephistopheles sorgfältig unterschieden. Lucifer oder Demiurgos ist ihm nicht der Geist des Bösen, sondern der Geist, der sich auch des Böse» bedient, weil er weiß, daß ohne dasselbe die Welt nicht bestehen kann. Was bleibt nun aber für den guten Gott, für Agathodämon übrig? Nichts als die weichliche Sentimentalität, das sogenannte gute Herz, das dem Nothwendige» widerstrebt, weil es ihm wehe thut. Mit einem solchen Gott konnte Lucifer freilich leicht fertig werden. Aber was haben wir nun damit gewonnen, daß wir Gott umgetauft und ihn Teufel genannt haben? Denn soweit Lucifer einen wirklichen Begriff repräsentirt, ist es unser alter Gottesbegriff, der durch Agathodämon keine Ergänzung erhalten kann, denn er hat das Moment des Guten bereits in sich selbst. Diese mythologischen Bildungen sind also cheri»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/420>, abgerufen am 08.01.2025.