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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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trotz der zahlreichen Verirrungen, die uns bei diesem außerordentlich begabten
Dichter in die Augen springen. Tieck hat sich durch die Gesammtausgabe Klcists
ein großes Verdienst erworben; allein philologische Sorgfalt hat er auf ihn nicht
verwendet. Wir wollen daher hier einen Versuch machen, die Entstellungen des
Textes zu berichtigen und beginnen mit der Pcnthesilea.

Die Penthcsilea ist unter den Dramen Heinrichs von Kleist von dem Unge¬
schick der Setzer und der Sorglosigkeit der Herausgeber am ärgsten mitgenommen
worden. Die erste Ausgabe liest sich gradezu wie ein sehr verderbter alter Text,
und Tieck hat in der Gesammtausgabe der Klcistschen Schriften wol die augen¬
fälligsten, aber keineswegs die gröbsten der Schäden beseitigt. Wir sichren die
Verderbnisse der Reihe nach an (nach der Seitenzahl der Tieckschen Ausgabe), nnr
mit Ausnahme rein orthographischer Versehen, wie die häufige Verwechslung von
das und daß, oder Phtya für Phthia (was übrigens von Kleist selbst Herrichren
kann), und ähnliches, was jedermann stillschweigend berichtigt.

Diomedes erzählt (S. 127 -- 28) von dem mörderischen Kampfe, der nun schon
seit mehren Tagen unaufhörlich zwischen Griechen und Amazonen wüthet, und in
dem die besten Männer zwecklos ihr Blut verspritzen:


Der Krone (des Griechenstammcs) ganze Blüthe liegt, Ariston,
Astyanaxvon (lies vom, ebenso: von Elephantculhnrm S. 80, erste Ausg.) Sturm herabgerüttclt
Mcnaudros aus dem Schlachtfeld da, den Lorbeer
Mit ihren jungen schonen Leibern groß
Für diese kühne Tochter Ares düngend-

Man wird sich vergebens in allen Dramen Heinrichs von Kleist nach einem
Seitenstück zu dieser unerhörten Wortstellung umsehen; überdies verlangt das unge¬
wöhnliche Bild wol ein milderndes und erklärendes Wort. Es hieß offenbar:


-- -- Den Lorbeer
Mit ihren jungen schonen Leibern bloß
Für diese kühne Tochter Ares bürgert,

ein Wort, das wenig poetisch scheinen mag, das aber in diesem Schauspiel nicht we¬
niger als uoch viermal vorkömmt. --

S. -130. Z. 11. spricht Odysseus von der hartnäckigen Erbitterung, mit der
Achill im Kampfe ausharrt:


Durchbohrt mit einem Pfeilschuß ihn zu fesseln
Die Schenkel ihm: er weicht, so schwort er, eher
Von dieser Amazone Ferse nicht u. s. w.

Es muß heißen:


Durchbohrt mit einem Pfeilschuß sind gefesselt
Die Schenkel ihm -- (ihn statt in zwei Zeilen vorher in der ersten Ausg., s im Amiant
weggefallen. S- 13- Z- ->7- S. 206. Z. 16.) --

Derselbe Gedanke S. 178: Die Schenkel will ich ihm zusammenheften.

Der "erfindungsreiche Larissäcr" Z. 9 v. u. ist wol aus "Laertäer" ver¬
dorben? -- Ein Hauptmann tritt ans und berichtet vou einem neuen Angriff der
Amazonen S. 131. Z. 17.:


Auch uns, wie Wassersturz hernieder sie
Die unbesiegten Myrmidonier gießend. --

Es ist auf zu lesen, wie auch sonst in der ersten Ausg.: Auch diesen Anblick


Si)*

trotz der zahlreichen Verirrungen, die uns bei diesem außerordentlich begabten
Dichter in die Augen springen. Tieck hat sich durch die Gesammtausgabe Klcists
ein großes Verdienst erworben; allein philologische Sorgfalt hat er auf ihn nicht
verwendet. Wir wollen daher hier einen Versuch machen, die Entstellungen des
Textes zu berichtigen und beginnen mit der Pcnthesilea.

Die Penthcsilea ist unter den Dramen Heinrichs von Kleist von dem Unge¬
schick der Setzer und der Sorglosigkeit der Herausgeber am ärgsten mitgenommen
worden. Die erste Ausgabe liest sich gradezu wie ein sehr verderbter alter Text,
und Tieck hat in der Gesammtausgabe der Klcistschen Schriften wol die augen¬
fälligsten, aber keineswegs die gröbsten der Schäden beseitigt. Wir sichren die
Verderbnisse der Reihe nach an (nach der Seitenzahl der Tieckschen Ausgabe), nnr
mit Ausnahme rein orthographischer Versehen, wie die häufige Verwechslung von
das und daß, oder Phtya für Phthia (was übrigens von Kleist selbst Herrichren
kann), und ähnliches, was jedermann stillschweigend berichtigt.

Diomedes erzählt (S. 127 — 28) von dem mörderischen Kampfe, der nun schon
seit mehren Tagen unaufhörlich zwischen Griechen und Amazonen wüthet, und in
dem die besten Männer zwecklos ihr Blut verspritzen:


Der Krone (des Griechenstammcs) ganze Blüthe liegt, Ariston,
Astyanaxvon (lies vom, ebenso: von Elephantculhnrm S. 80, erste Ausg.) Sturm herabgerüttclt
Mcnaudros aus dem Schlachtfeld da, den Lorbeer
Mit ihren jungen schonen Leibern groß
Für diese kühne Tochter Ares düngend-

Man wird sich vergebens in allen Dramen Heinrichs von Kleist nach einem
Seitenstück zu dieser unerhörten Wortstellung umsehen; überdies verlangt das unge¬
wöhnliche Bild wol ein milderndes und erklärendes Wort. Es hieß offenbar:


— — Den Lorbeer
Mit ihren jungen schonen Leibern bloß
Für diese kühne Tochter Ares bürgert,

ein Wort, das wenig poetisch scheinen mag, das aber in diesem Schauspiel nicht we¬
niger als uoch viermal vorkömmt. —

S. -130. Z. 11. spricht Odysseus von der hartnäckigen Erbitterung, mit der
Achill im Kampfe ausharrt:


Durchbohrt mit einem Pfeilschuß ihn zu fesseln
Die Schenkel ihm: er weicht, so schwort er, eher
Von dieser Amazone Ferse nicht u. s. w.

Es muß heißen:


Durchbohrt mit einem Pfeilschuß sind gefesselt
Die Schenkel ihm — (ihn statt in zwei Zeilen vorher in der ersten Ausg., s im Amiant
weggefallen. S- 13- Z- ->7- S. 206. Z. 16.) —

Derselbe Gedanke S. 178: Die Schenkel will ich ihm zusammenheften.

Der „erfindungsreiche Larissäcr" Z. 9 v. u. ist wol aus „Laertäer" ver¬
dorben? — Ein Hauptmann tritt ans und berichtet vou einem neuen Angriff der
Amazonen S. 131. Z. 17.:


Auch uns, wie Wassersturz hernieder sie
Die unbesiegten Myrmidonier gießend. —

Es ist auf zu lesen, wie auch sonst in der ersten Ausg.: Auch diesen Anblick


Si)*
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[0403] trotz der zahlreichen Verirrungen, die uns bei diesem außerordentlich begabten Dichter in die Augen springen. Tieck hat sich durch die Gesammtausgabe Klcists ein großes Verdienst erworben; allein philologische Sorgfalt hat er auf ihn nicht verwendet. Wir wollen daher hier einen Versuch machen, die Entstellungen des Textes zu berichtigen und beginnen mit der Pcnthesilea. Die Penthcsilea ist unter den Dramen Heinrichs von Kleist von dem Unge¬ schick der Setzer und der Sorglosigkeit der Herausgeber am ärgsten mitgenommen worden. Die erste Ausgabe liest sich gradezu wie ein sehr verderbter alter Text, und Tieck hat in der Gesammtausgabe der Klcistschen Schriften wol die augen¬ fälligsten, aber keineswegs die gröbsten der Schäden beseitigt. Wir sichren die Verderbnisse der Reihe nach an (nach der Seitenzahl der Tieckschen Ausgabe), nnr mit Ausnahme rein orthographischer Versehen, wie die häufige Verwechslung von das und daß, oder Phtya für Phthia (was übrigens von Kleist selbst Herrichren kann), und ähnliches, was jedermann stillschweigend berichtigt. Diomedes erzählt (S. 127 — 28) von dem mörderischen Kampfe, der nun schon seit mehren Tagen unaufhörlich zwischen Griechen und Amazonen wüthet, und in dem die besten Männer zwecklos ihr Blut verspritzen: Der Krone (des Griechenstammcs) ganze Blüthe liegt, Ariston, Astyanaxvon (lies vom, ebenso: von Elephantculhnrm S. 80, erste Ausg.) Sturm herabgerüttclt Mcnaudros aus dem Schlachtfeld da, den Lorbeer Mit ihren jungen schonen Leibern groß Für diese kühne Tochter Ares düngend- Man wird sich vergebens in allen Dramen Heinrichs von Kleist nach einem Seitenstück zu dieser unerhörten Wortstellung umsehen; überdies verlangt das unge¬ wöhnliche Bild wol ein milderndes und erklärendes Wort. Es hieß offenbar: — — Den Lorbeer Mit ihren jungen schonen Leibern bloß Für diese kühne Tochter Ares bürgert, ein Wort, das wenig poetisch scheinen mag, das aber in diesem Schauspiel nicht we¬ niger als uoch viermal vorkömmt. — S. -130. Z. 11. spricht Odysseus von der hartnäckigen Erbitterung, mit der Achill im Kampfe ausharrt: Durchbohrt mit einem Pfeilschuß ihn zu fesseln Die Schenkel ihm: er weicht, so schwort er, eher Von dieser Amazone Ferse nicht u. s. w. Es muß heißen: Durchbohrt mit einem Pfeilschuß sind gefesselt Die Schenkel ihm — (ihn statt in zwei Zeilen vorher in der ersten Ausg., s im Amiant weggefallen. S- 13- Z- ->7- S. 206. Z. 16.) — Derselbe Gedanke S. 178: Die Schenkel will ich ihm zusammenheften. Der „erfindungsreiche Larissäcr" Z. 9 v. u. ist wol aus „Laertäer" ver¬ dorben? — Ein Hauptmann tritt ans und berichtet vou einem neuen Angriff der Amazonen S. 131. Z. 17.: Auch uns, wie Wassersturz hernieder sie Die unbesiegten Myrmidonier gießend. — Es ist auf zu lesen, wie auch sonst in der ersten Ausg.: Auch diesen Anblick Si)*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/403>, abgerufen am 08.01.2025.