Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.nehmen muß, als der deutsche Geschichtschreiber, so läßt sich kaum anneh¬ <"renjbvte.>, III, in.i/.-, 47
nehmen muß, als der deutsche Geschichtschreiber, so läßt sich kaum anneh¬ <"renjbvte.>, III, in.i/.-, 47
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281528"/> <p xml:id="ID_1124" prev="#ID_1123" next="#ID_1125"> nehmen muß, als der deutsche Geschichtschreiber, so läßt sich kaum anneh¬<lb/> men, daß Herr Grote seinem Versprechen nachkommen wird, umsomehr, da<lb/> bis jetzt fast jeder einzelne Band eine Ausdehnung über den Willen des Ver¬<lb/> fassers hinaus gewonnen hat. Wie dem aber auch sei, schon ein Werk von<lb/> 12 sehr dicken Bänden über die altgriechische Geschichte kann bei unsrem Pu¬<lb/> blicum keine Verbreitung finden, schon des Preises wegen. Andrerseits ist<lb/> aber das Werk seiner ganzen Haltung nach recht eigentlich für das größere<lb/> gebildete Publicum geschrieben; denn der gelehrte Alterthumsforscher wird wenig<lb/> neues darin finden. Er wird sich an der würdigen Darstellung der ihm be¬<lb/> kannten Thatsachen erfreuen, aber ein solcher Erfolg würde doch allein dem<lb/> Zwecke des Buches nicht entsprechen. Dagegen bietet sich das Werk ziemlich<lb/> bequem zu einer freien Bearbeitung dar, welche dasselbe vielleicht auf die<lb/> Hälfte seines Umfangs zurückführen könnte, ohne seinen wirklichen Gehalt zu<lb/> beeinträchtigen. — Einmal nämlich liebt Grote die Recapitulationen, um das<lb/> Resultat seiner Darstellungen und deu Inhalt seiner Ansichten dem Leser recht<lb/> deutlich einzuprägen. Der deutsche Leser bedarf dieser äußeren Hilfsmittel nicht<lb/> nur nicht, sondern er wird dadurch gestört. Durch Auslassung dieser Wieder¬<lb/> holungen und durch Zusammenziehung mancher gar zu bequemen Ausführun¬<lb/> gen in einen prägnanteren Ausdruck würde das Werk für uns nur gewinnen.<lb/> — Sodann hat Grote den Grundsatz, alle Theile der Geschichte so ausführlich<lb/> in erzählen, als ihm seine Quellen nur immer verstatten. Für ein vorzugs¬<lb/> weise zum Nachschlagen bestimmtes Werk wäre diese gleichmäßige Ausführung<lb/> auch zu billigen, wo aber zugleich die Bestimmung eines Lesebuchs als eines<lb/> Kunstwerks vorhanden ist, dürfte die historische Perspective darunter leiden;<lb/> denn die zweckmäßige Vertheilung von Licht und Schatten, die den unmittel¬<lb/> baren Eindruck bestimmt,'verlangt eine verschiedenartige Ausführung derjenigen<lb/> Partien, in denen ein wirklich historisches Leben erwacht und derjenigen, die<lb/> wan blos alö Uebergangsperioden zuständlich übersehen kann. — Wenn wir<lb/> 'n diesen beiden Punkten ganz unbedenklich sind, so würde ein dritter eine<lb/> aufmerksamere Prüfung erheischen, denn er hängt mit der Frage zusammen,<lb/> was der Geschichtschreiber überhaupt für eine Aufgabe hat? Grote steht darin<lb/> Ungefähr aus dem Standpunkte der Alten. Er hält es für seine Aufgabe,<lb/> genau und vollständig die Thatsachen zu berichten, wie etwa ein Erzähler,<lb/> der seine eignen Erlebnisse mittheilt, ganz ohne Rücksicht darauf, ob das, was<lb/> ^ darstellt, schon früher zweckmäßig oder unzweckmäßig behandelt worden ist.<lb/> Wenn er in den Anmerkungen sein Verhältniß zu den Quellen angibt, so<lb/> geschieht das gewissermaßen für ein anderes Publicum, und es hat mit dem<lb/> eigentlichen Eindruck des Werks nichts zu schaffen. Ob nun diese Kunstform<lb/> unter allen Umständen die zweckmäßige ist, das möchten wir wenigstens be¬<lb/> zweifeln. Natürlicher würde es uns erscheinen, auch in der Form der Dar-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> <"renjbvte.>, III, in.i/.-, 47</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0377]
nehmen muß, als der deutsche Geschichtschreiber, so läßt sich kaum anneh¬
men, daß Herr Grote seinem Versprechen nachkommen wird, umsomehr, da
bis jetzt fast jeder einzelne Band eine Ausdehnung über den Willen des Ver¬
fassers hinaus gewonnen hat. Wie dem aber auch sei, schon ein Werk von
12 sehr dicken Bänden über die altgriechische Geschichte kann bei unsrem Pu¬
blicum keine Verbreitung finden, schon des Preises wegen. Andrerseits ist
aber das Werk seiner ganzen Haltung nach recht eigentlich für das größere
gebildete Publicum geschrieben; denn der gelehrte Alterthumsforscher wird wenig
neues darin finden. Er wird sich an der würdigen Darstellung der ihm be¬
kannten Thatsachen erfreuen, aber ein solcher Erfolg würde doch allein dem
Zwecke des Buches nicht entsprechen. Dagegen bietet sich das Werk ziemlich
bequem zu einer freien Bearbeitung dar, welche dasselbe vielleicht auf die
Hälfte seines Umfangs zurückführen könnte, ohne seinen wirklichen Gehalt zu
beeinträchtigen. — Einmal nämlich liebt Grote die Recapitulationen, um das
Resultat seiner Darstellungen und deu Inhalt seiner Ansichten dem Leser recht
deutlich einzuprägen. Der deutsche Leser bedarf dieser äußeren Hilfsmittel nicht
nur nicht, sondern er wird dadurch gestört. Durch Auslassung dieser Wieder¬
holungen und durch Zusammenziehung mancher gar zu bequemen Ausführun¬
gen in einen prägnanteren Ausdruck würde das Werk für uns nur gewinnen.
— Sodann hat Grote den Grundsatz, alle Theile der Geschichte so ausführlich
in erzählen, als ihm seine Quellen nur immer verstatten. Für ein vorzugs¬
weise zum Nachschlagen bestimmtes Werk wäre diese gleichmäßige Ausführung
auch zu billigen, wo aber zugleich die Bestimmung eines Lesebuchs als eines
Kunstwerks vorhanden ist, dürfte die historische Perspective darunter leiden;
denn die zweckmäßige Vertheilung von Licht und Schatten, die den unmittel¬
baren Eindruck bestimmt,'verlangt eine verschiedenartige Ausführung derjenigen
Partien, in denen ein wirklich historisches Leben erwacht und derjenigen, die
wan blos alö Uebergangsperioden zuständlich übersehen kann. — Wenn wir
'n diesen beiden Punkten ganz unbedenklich sind, so würde ein dritter eine
aufmerksamere Prüfung erheischen, denn er hängt mit der Frage zusammen,
was der Geschichtschreiber überhaupt für eine Aufgabe hat? Grote steht darin
Ungefähr aus dem Standpunkte der Alten. Er hält es für seine Aufgabe,
genau und vollständig die Thatsachen zu berichten, wie etwa ein Erzähler,
der seine eignen Erlebnisse mittheilt, ganz ohne Rücksicht darauf, ob das, was
^ darstellt, schon früher zweckmäßig oder unzweckmäßig behandelt worden ist.
Wenn er in den Anmerkungen sein Verhältniß zu den Quellen angibt, so
geschieht das gewissermaßen für ein anderes Publicum, und es hat mit dem
eigentlichen Eindruck des Werks nichts zu schaffen. Ob nun diese Kunstform
unter allen Umständen die zweckmäßige ist, das möchten wir wenigstens be¬
zweifeln. Natürlicher würde es uns erscheinen, auch in der Form der Dar-
<"renjbvte.>, III, in.i/.-, 47
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