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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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ptoireu, Magazinen, Läden, Butiken, Werkstätten und Buden, Wohnort
einer bunten und zum Theil schmuzigen Bevölkerung von Armeniern, Juden,
Griechen, Maltesern und Franken, zugleich Herberge der Betrüger, Gauner,
Beutelschneider und Räuber -- mit einem Worte, Sammelpunkt der aller-
schrosfsten Gegensätze, und die kaum irgend anderswo zum zweiten Mal so
dicht nebeneinander angetroffen werden dürften,.

Die hohe, mit Zinnen und flankirenden Thürmen versehene Mauer, welche
Galata seit den ersten Jahren seiner Entstehung, d. h. schon in den Zeiten
einschloß, als drüben in Byzanz die Konstantine noch regierten, und der
Priester am Altar von Se, Sophia die Hostie hob, steht bis ans den heutigen
Tag. Freilich ist sie hier und dort durchbrochen; der Anbau der Stadt, die
in dem engen Viereck nicht mehr ausreichenden Platz fand, ist über sie hinweg¬
geschritten, hat den ihr vorgelegenen Graben auf viele Strecken hin ausgefüllt
und seine leichten, luftigen Häuser neben dem cyklopischen Gemäuer aufgerichtet.
Aber in seinen Grundvesten steht dieses heute noch, wie ehedem, unerschüttert
fest. Dunkelgrüner, großblätteriger Epheu hat seine Wurzeln und knorrigen
Ranken tief zwischen die Fugen eingesenkt und umkleidet nun stellenweise die
Mauer von der untersten Plinte bis zur Zinne hinauf. Auch der hohe Thurm
mit dem spitzzulaufenden Kupferdach, auf dem höchsten Punkte der Stadt, ist
noch wohlerhalten. Einst schauten die Genueser von seinen oberen Galerien
dem letzten Kampfe der Griechen gegen Muhammeds II. stürmende Heerscharen
zu, belauschten den Donner der türkischen Breschbattericn vor-dem Edrene
(Adrianopolis) und Tog (Kanonen-) Kapn (Thor), und sahen den letzten Kon¬
stantin im Schlachtgetümmel erliegen. Heute weht an allen Freitagen, bei
sonstigen festlichen Gelegenheiten und wenn, was nur selten geschieht, der
Großherr durch Galata reitet, die türkische Fahne mit Halbmond und Stern
von der Höhe der Thurmspitze aus der obersten Luke, dicht unter dem golde¬
nen Kropfe, osmanische Soldaten aber werfen von der oberen Galerie bei
Tag und Nacht spähend Blicke über Stambul, Pera und Skutari hin, um
eine etwa ausgebrochene Feuersbrunst zu entdecken und den harrenden Lösch¬
mannschaften durch Signale die Richtung anzudeuten, nach welcher hin sie
Hilfe zu bringen haben.

Welch ein. Gewühl in diesen engen, schmuzigen, schlecht gepflasterten und
abschüssigen Straßen. Galata liegt am Fuß des Perahügcls, und zieht sich
mit einem Theil seiner Gassen am steilen AbHange hinan. Diesem Umstände
dankt es seinen Namen, der soviel wie Stufen- oder Treppenstadt bedeuten
will. O! nehmen Sie sich in Acht, damit nicht einer dieser Lastträger mit
dem schweren Ballen auf dem Rücken Sie niederrennt. Der Mann geht ohne
um sich zu blicken vor sich hin, und bricht sich durch die Menschenmenge Bahn
wie im karthagittiensischen Tressen der Elephant, der seinen Schlachtenthurm


ptoireu, Magazinen, Läden, Butiken, Werkstätten und Buden, Wohnort
einer bunten und zum Theil schmuzigen Bevölkerung von Armeniern, Juden,
Griechen, Maltesern und Franken, zugleich Herberge der Betrüger, Gauner,
Beutelschneider und Räuber — mit einem Worte, Sammelpunkt der aller-
schrosfsten Gegensätze, und die kaum irgend anderswo zum zweiten Mal so
dicht nebeneinander angetroffen werden dürften,.

Die hohe, mit Zinnen und flankirenden Thürmen versehene Mauer, welche
Galata seit den ersten Jahren seiner Entstehung, d. h. schon in den Zeiten
einschloß, als drüben in Byzanz die Konstantine noch regierten, und der
Priester am Altar von Se, Sophia die Hostie hob, steht bis ans den heutigen
Tag. Freilich ist sie hier und dort durchbrochen; der Anbau der Stadt, die
in dem engen Viereck nicht mehr ausreichenden Platz fand, ist über sie hinweg¬
geschritten, hat den ihr vorgelegenen Graben auf viele Strecken hin ausgefüllt
und seine leichten, luftigen Häuser neben dem cyklopischen Gemäuer aufgerichtet.
Aber in seinen Grundvesten steht dieses heute noch, wie ehedem, unerschüttert
fest. Dunkelgrüner, großblätteriger Epheu hat seine Wurzeln und knorrigen
Ranken tief zwischen die Fugen eingesenkt und umkleidet nun stellenweise die
Mauer von der untersten Plinte bis zur Zinne hinauf. Auch der hohe Thurm
mit dem spitzzulaufenden Kupferdach, auf dem höchsten Punkte der Stadt, ist
noch wohlerhalten. Einst schauten die Genueser von seinen oberen Galerien
dem letzten Kampfe der Griechen gegen Muhammeds II. stürmende Heerscharen
zu, belauschten den Donner der türkischen Breschbattericn vor-dem Edrene
(Adrianopolis) und Tog (Kanonen-) Kapn (Thor), und sahen den letzten Kon¬
stantin im Schlachtgetümmel erliegen. Heute weht an allen Freitagen, bei
sonstigen festlichen Gelegenheiten und wenn, was nur selten geschieht, der
Großherr durch Galata reitet, die türkische Fahne mit Halbmond und Stern
von der Höhe der Thurmspitze aus der obersten Luke, dicht unter dem golde¬
nen Kropfe, osmanische Soldaten aber werfen von der oberen Galerie bei
Tag und Nacht spähend Blicke über Stambul, Pera und Skutari hin, um
eine etwa ausgebrochene Feuersbrunst zu entdecken und den harrenden Lösch¬
mannschaften durch Signale die Richtung anzudeuten, nach welcher hin sie
Hilfe zu bringen haben.

Welch ein. Gewühl in diesen engen, schmuzigen, schlecht gepflasterten und
abschüssigen Straßen. Galata liegt am Fuß des Perahügcls, und zieht sich
mit einem Theil seiner Gassen am steilen AbHange hinan. Diesem Umstände
dankt es seinen Namen, der soviel wie Stufen- oder Treppenstadt bedeuten
will. O! nehmen Sie sich in Acht, damit nicht einer dieser Lastträger mit
dem schweren Ballen auf dem Rücken Sie niederrennt. Der Mann geht ohne
um sich zu blicken vor sich hin, und bricht sich durch die Menschenmenge Bahn
wie im karthagittiensischen Tressen der Elephant, der seinen Schlachtenthurm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/36>, abgerufen am 09.11.2024.