Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.durch unmittelbare Leistung der einzelnen gar bald dahin gelangen mußte, eine Andrerseits hat die Markcntheilung den norddeutschen Bauern den letzten So hat die Eremtion den norddeutschen Bauer aus dem jahrhundert¬ durch unmittelbare Leistung der einzelnen gar bald dahin gelangen mußte, eine Andrerseits hat die Markcntheilung den norddeutschen Bauern den letzten So hat die Eremtion den norddeutschen Bauer aus dem jahrhundert¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281449"/> <p xml:id="ID_900" prev="#ID_899"> durch unmittelbare Leistung der einzelnen gar bald dahin gelangen mußte, eine<lb/> ungefähre Vertheilung der Last nach der Bequemlichkeit und Fähigkeit der ein¬<lb/> zelnen vorzunehmen, wodurch soviele Cremte entstanden, als von dem einen<lb/> Dienste befreit blieben, weil sie einen andern leisteten. Als der Bauernstand<lb/> so thöricht war, sich erant vom Kriegsdienste zu machen, war das Feudal¬<lb/> wesen begründet und siel allmälig der ganze Druck des Eremtionswesens auf<lb/> ihn; ja am Schlüsse des Mittelalters, als der Neiterdienst des Adels stehenden<lb/> Heeren Platz gemacht hatte, bezahlte der Bauer nicht blos für seine Eremtion<lb/> vom Kriegsdienst, sondern auch noch für die des Adels und trug dazu alle<lb/> andern Lasten allein; nur die Marschgemeinden hatten in dem gemeinsamen,<lb/> alle bedrohenden, aller Hilfe erfordernden Feinde, den Fluten der See, einen<lb/> mächtigen Wall gegen das Aufkommen ungerechter Eremtion; im Innern des<lb/> Landes fand die Eremtion keine' andern Grenzen, als die Tragungsfähigkeit<lb/> des Bauernstandes und das Interesse seiner Herren. Als nun in der neuern<lb/> Zeit das politische Bewußtsein beim Bauernstande zu dämmern begann, ward<lb/> erklärlicherweise die Eremtion der Hauptgegenstand der Erbitterung des Bauern<lb/> gegen den Adel, weil sie fast die einzige Unbill war, die er täglich und gleich¬<lb/> sam vor seiner Thür erdulden mußte. Darum war nichts thörichter, als der<lb/> hartnäckige Widerstand, welchen der Adel dem Drängen nach Abschaffung der<lb/> Cremtionen entgegensetzte, und ist nichts irriger, als daß der sächsische Bauer<lb/> nach der Abschaffung aller feudalen Institutionen sich mit dem Adel ausgesöhnt<lb/> habe. Eine solche Aussöhnung wird nie stattfinden und der norddeutsche Adel<lb/> nie die ihm von Patrioten wie Stein, Möser, Stüve u. s. w. zugewiesene<lb/> Stellung eines englischen Edlen einnehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_901"> Andrerseits hat die Markcntheilung den norddeutschen Bauern den letzten<lb/> Schritt aus der Feudalität in die bürgerliche Gesellschaft thun lassen, ihn aus<lb/> dem germanischen Gemeindegenossen zum bürgerlichen Industriellen gemacht-<lb/> Mit der Markentheilung ist der Anfang zur Bedrohung des Anerbenrechts ge¬<lb/> macht, und wird dasselbe grade wie jetzt in England in Bezug aus den Land¬<lb/> adel, nur in politischen Motiven seinen Schutz finden. Diese aber sind in<lb/> den letzten Jahren seit der Emancipation und politischen Gleichstellung des<lb/> Bauernstandes so mächtig für denselben geworden, daß nur der alljährliche<lb/> Beobachter diesen Fortschritt würdigen kann; schon jetzt haben wir in der hatt-<lb/> noverschen Kammer eine dominirende Bauernpartei, welche gegen Adel wie<lb/> Städte Front machte und der Negierung eine ganz andere Opposition gegen<lb/> mittelalterliche Nestaurationsversuche entgegensetzen wird, als bisher die Oppo¬<lb/> sition der gebildeten Stadtbevölkerung vermochte.</p><lb/> <p xml:id="ID_902" next="#ID_903"> So hat die Eremtion den norddeutschen Bauer aus dem jahrhundert¬<lb/> langen politischen Schlaft erweckt, die Markentheilung den Rückweg zu einem<lb/> altgermanischen Gemeindewesen abgeschnitten und den altsächsischen Gemeinde-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0298]
durch unmittelbare Leistung der einzelnen gar bald dahin gelangen mußte, eine
ungefähre Vertheilung der Last nach der Bequemlichkeit und Fähigkeit der ein¬
zelnen vorzunehmen, wodurch soviele Cremte entstanden, als von dem einen
Dienste befreit blieben, weil sie einen andern leisteten. Als der Bauernstand
so thöricht war, sich erant vom Kriegsdienste zu machen, war das Feudal¬
wesen begründet und siel allmälig der ganze Druck des Eremtionswesens auf
ihn; ja am Schlüsse des Mittelalters, als der Neiterdienst des Adels stehenden
Heeren Platz gemacht hatte, bezahlte der Bauer nicht blos für seine Eremtion
vom Kriegsdienst, sondern auch noch für die des Adels und trug dazu alle
andern Lasten allein; nur die Marschgemeinden hatten in dem gemeinsamen,
alle bedrohenden, aller Hilfe erfordernden Feinde, den Fluten der See, einen
mächtigen Wall gegen das Aufkommen ungerechter Eremtion; im Innern des
Landes fand die Eremtion keine' andern Grenzen, als die Tragungsfähigkeit
des Bauernstandes und das Interesse seiner Herren. Als nun in der neuern
Zeit das politische Bewußtsein beim Bauernstande zu dämmern begann, ward
erklärlicherweise die Eremtion der Hauptgegenstand der Erbitterung des Bauern
gegen den Adel, weil sie fast die einzige Unbill war, die er täglich und gleich¬
sam vor seiner Thür erdulden mußte. Darum war nichts thörichter, als der
hartnäckige Widerstand, welchen der Adel dem Drängen nach Abschaffung der
Cremtionen entgegensetzte, und ist nichts irriger, als daß der sächsische Bauer
nach der Abschaffung aller feudalen Institutionen sich mit dem Adel ausgesöhnt
habe. Eine solche Aussöhnung wird nie stattfinden und der norddeutsche Adel
nie die ihm von Patrioten wie Stein, Möser, Stüve u. s. w. zugewiesene
Stellung eines englischen Edlen einnehmen.
Andrerseits hat die Markcntheilung den norddeutschen Bauern den letzten
Schritt aus der Feudalität in die bürgerliche Gesellschaft thun lassen, ihn aus
dem germanischen Gemeindegenossen zum bürgerlichen Industriellen gemacht-
Mit der Markentheilung ist der Anfang zur Bedrohung des Anerbenrechts ge¬
macht, und wird dasselbe grade wie jetzt in England in Bezug aus den Land¬
adel, nur in politischen Motiven seinen Schutz finden. Diese aber sind in
den letzten Jahren seit der Emancipation und politischen Gleichstellung des
Bauernstandes so mächtig für denselben geworden, daß nur der alljährliche
Beobachter diesen Fortschritt würdigen kann; schon jetzt haben wir in der hatt-
noverschen Kammer eine dominirende Bauernpartei, welche gegen Adel wie
Städte Front machte und der Negierung eine ganz andere Opposition gegen
mittelalterliche Nestaurationsversuche entgegensetzen wird, als bisher die Oppo¬
sition der gebildeten Stadtbevölkerung vermochte.
So hat die Eremtion den norddeutschen Bauer aus dem jahrhundert¬
langen politischen Schlaft erweckt, die Markentheilung den Rückweg zu einem
altgermanischen Gemeindewesen abgeschnitten und den altsächsischen Gemeinde-
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