Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.Das ganze Königreich der Niederlande nördlich vom Rhein ist entweder Das ganze Königreich der Niederlande nördlich vom Rhein ist entweder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281441"/> <p xml:id="ID_877" next="#ID_878"> Das ganze Königreich der Niederlande nördlich vom Rhein ist entweder<lb/> fränkisch oder friesisch, mit Ausnahme der Provinz Drenthe, welche in jeder<lb/> Beziehung noch heute den Typus des sächsischen Volkes trägt. In Nord-<lb/> Hannover und -Oldenburg läuft die friesischsächstschc Grenze etwa über folgende<lb/> Orte: Papenburg, Friesroithe, nördlich um das alte sogenannte Münsterland<lb/> herum über Delmenhorst nach Bremen, welches während seiner ganzen Ge¬<lb/> schichte ein Berührungspunkt friesischen und sächsischen Wesens gewesen ist und<lb/> noch ist; von dort bald eine, bald mehre Stunden vom Meere nach Harburg<lb/> zu sich hinziehend. Die hannoverschen Elbmarsche sind gleichfalls friesisch.<lb/> Diese geographischen Abgrenzungen werden jedoch erst durch die ökonomischen<lb/> genau; diese sind aber die, daß der Friese überall soweit reicht, als die Marsch<lb/> und die Cultivirung des Moors durch Veenanlagcn — sowol für Ackerbau,<lb/> Schiffahrt, als Torfstich berechnet — gehen, und die sächsischen Bauerschafts¬<lb/> einrichtungen fehlen. Unter den vielen slawischen Enclaven gibt es nur eine<lb/> bedeutende, das sogenannte Wendland, in der Einbricht, welche von der Elbe<lb/> auf preußischem und hannoverschen Gebiete beschrieben und durch eine gerade<lb/> Linie zwischen Lüneburg und Magdeburg begrenzt wird; sie ist zum Theil<lb/> wie im Hannoverschen — noch in jeder Beziehung slawisch, zum größten Theile<lb/> germanoslawisch, wie durchschnittlich im Preußischen. Kleinere slawische Enclaven<lb/> gibt es dagegen im Sachsenlande sehr viele, noch viel mehr, als es sächsisch«-'<lb/> in Franken, Hessen, Thüringen und den Slawenländern gibt, und sie sind<lb/> noch heutzutage für den historischen Beobachter unverkennbar. Denn die Be¬<lb/> wohner derselben unterscheiden sich von ihren sächsischen Nachbarn durch den<lb/> slawischen Typus deS Körperbaues, vorzüglich durch eine zartere, gewandtere<lb/> Statur, die dunkeln, rundlichen Augen, schwarze straffe Haare und das so¬<lb/> genannte Räthsel d. h. zusammengewachsene Augenbrauen, durch eine nervöse<lb/> Constitution, welche ganz andere Krankheitstypen erzeugt; durch die Anlage<lb/> ihrer Bauerschaften, welche entweder in der slawischen Halbcirkelform, oder doch<lb/> mit mathematischer Regelmäßigkeit in der Größe und Lage der Höfe angelegt<lb/> sind, sehr oft noch durch die ganz slawischen oder doch auf slawischen Ursprung<lb/> deutenden Namen, in denen die Wörter: Wilzen, Witsen, — Wenden, Winden<lb/> — die allgemeine Bezeichnung der Slawen bei den Sachsen — ring, — die<lb/> ringförmigen Befestigungen der slawischen Völker:c. — sich erhalten finde»;<lb/> endlich durch ihre Sitten, Gebräuche und Weltanschauungen, deren Ver¬<lb/> schiedenheit die meisten slawischen Enclaven bei ihren sächsischen Nachbarn in<lb/> den Ruf der Schildaer, Schöppcnstedter gebracht hat., Die Bewohner der sla¬<lb/> wischen Enclaven sind durchgängig fleißiger, sparsamer und knapper lebend, als<lb/> die altsächsische Bevölkerung, und deshalb auch meistens wohlhabend. Die<lb/> südliche Grenze unsres Beobachtuugsgebiets fällt mit der großen Scheidemauer<lb/> zusammen, welche die Kämme des Harzer- und Teutoburger Waldgebirges</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
Das ganze Königreich der Niederlande nördlich vom Rhein ist entweder
fränkisch oder friesisch, mit Ausnahme der Provinz Drenthe, welche in jeder
Beziehung noch heute den Typus des sächsischen Volkes trägt. In Nord-
Hannover und -Oldenburg läuft die friesischsächstschc Grenze etwa über folgende
Orte: Papenburg, Friesroithe, nördlich um das alte sogenannte Münsterland
herum über Delmenhorst nach Bremen, welches während seiner ganzen Ge¬
schichte ein Berührungspunkt friesischen und sächsischen Wesens gewesen ist und
noch ist; von dort bald eine, bald mehre Stunden vom Meere nach Harburg
zu sich hinziehend. Die hannoverschen Elbmarsche sind gleichfalls friesisch.
Diese geographischen Abgrenzungen werden jedoch erst durch die ökonomischen
genau; diese sind aber die, daß der Friese überall soweit reicht, als die Marsch
und die Cultivirung des Moors durch Veenanlagcn — sowol für Ackerbau,
Schiffahrt, als Torfstich berechnet — gehen, und die sächsischen Bauerschafts¬
einrichtungen fehlen. Unter den vielen slawischen Enclaven gibt es nur eine
bedeutende, das sogenannte Wendland, in der Einbricht, welche von der Elbe
auf preußischem und hannoverschen Gebiete beschrieben und durch eine gerade
Linie zwischen Lüneburg und Magdeburg begrenzt wird; sie ist zum Theil
wie im Hannoverschen — noch in jeder Beziehung slawisch, zum größten Theile
germanoslawisch, wie durchschnittlich im Preußischen. Kleinere slawische Enclaven
gibt es dagegen im Sachsenlande sehr viele, noch viel mehr, als es sächsisch«-'
in Franken, Hessen, Thüringen und den Slawenländern gibt, und sie sind
noch heutzutage für den historischen Beobachter unverkennbar. Denn die Be¬
wohner derselben unterscheiden sich von ihren sächsischen Nachbarn durch den
slawischen Typus deS Körperbaues, vorzüglich durch eine zartere, gewandtere
Statur, die dunkeln, rundlichen Augen, schwarze straffe Haare und das so¬
genannte Räthsel d. h. zusammengewachsene Augenbrauen, durch eine nervöse
Constitution, welche ganz andere Krankheitstypen erzeugt; durch die Anlage
ihrer Bauerschaften, welche entweder in der slawischen Halbcirkelform, oder doch
mit mathematischer Regelmäßigkeit in der Größe und Lage der Höfe angelegt
sind, sehr oft noch durch die ganz slawischen oder doch auf slawischen Ursprung
deutenden Namen, in denen die Wörter: Wilzen, Witsen, — Wenden, Winden
— die allgemeine Bezeichnung der Slawen bei den Sachsen — ring, — die
ringförmigen Befestigungen der slawischen Völker:c. — sich erhalten finde»;
endlich durch ihre Sitten, Gebräuche und Weltanschauungen, deren Ver¬
schiedenheit die meisten slawischen Enclaven bei ihren sächsischen Nachbarn in
den Ruf der Schildaer, Schöppcnstedter gebracht hat., Die Bewohner der sla¬
wischen Enclaven sind durchgängig fleißiger, sparsamer und knapper lebend, als
die altsächsische Bevölkerung, und deshalb auch meistens wohlhabend. Die
südliche Grenze unsres Beobachtuugsgebiets fällt mit der großen Scheidemauer
zusammen, welche die Kämme des Harzer- und Teutoburger Waldgebirges
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