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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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daß es das Recht derselben, sich die Einführung von Verbrechern zu verbitten,
anerkennt, dürfte die richtige Lösung der Frage wenigstens praktisch angebahnt
sein. > Sehr interessant und umfassend sind die Gründe, welche der Verfasser
für und wider die Emancipation der Colonien aufstellt. Wenn es einerseits
ziemlich ausgemacht ist, daß England durch die Fortdauer seiner Herrschaft
über die Colonien keinen oder doch nur einen sehr geringen unmittelbaren
Gewinn zieht, so läßt sich auf der andern Seite nicht leugnen, daß in vielen
Fällen, namentlich bei gemischter Bevölkerung, die Colonien den Schutz deö
Mutterlandes nicht entbehren können. Da nun diesem Bedürfnisse ein sehr
natürlicher Ehrgeiz entgegenkommt, einmal Errungenes nicht wieder auszugeben,
so läßt sich wol annehmen, daß wenigstens für die nächste Zeit an eine Ver¬
änderung deö Systems noch nicht zu denken ist. -- Man wird schon aus diesen
Andeutungen gesehen haben, daß dem Verfasser weniger darauf ankommt, für
alle Fragen ein fertiges und geschlossenes Urtheil an die Hand zu geben, als
vielmehr alle Materialien zusammenzustellen, aus denen man sich ein selbst-
ständiges Urtheil bilden kann und diesen Zweck hat er im hohen Grade erreicht.
Seine Stellung ist eine günstige, um sich nach allen Seiten hin die nöthigen
Kenntnisse zu verschaffen und sein Urtheil das eines besonnenen Mannes, der
zuviel in der Welt gesehen hat, um sich vorschnell zu entscheiden. --


Aus dem Hauptquartiere und Feldleben des Vater Radetzky. Scenen
und Erzählungen aus den Feldzügen der k. k. östreichischen Armee in Italien
in den Jahren 18i8 und 18i9. Von öl'. Schncidawind. Stuttgart,
' Hallberger. --

Der Verfasser hat alles zusammengestellt, was in verschiedenen Schriften
von Charakterzügcn aus dem Leben des großen östreichischen Feldherrn vor¬
handen ist. Radetzky gehört mit Recht zu den gefeiertsten Namen des gegen¬
wärtigen Soldatenstandes und dem Publicum kann daher eine solche.Zusammen-
stellung, die mehr auf Vollständigkeit als auf kritische Sichtung Anspruch macht,
nur willkommen sein. Nach unsrem 'Geschmack würde die Darstellung eines
bedeutenden Mannes besser ausgefallen sein , wenn sie einfacher wäre, wenn
sich die Bewunderung mehr in den Thatsachen als in den rhetorischen Ein-
schiebungen auSspräche; allein dem Publicum, für welches das Buch vorzugs¬
weise bestimmt ist, wird vielleicht grade diese Art der Haltung besser gefallen.
Nur die Ausfälle aus den politischen Gegner des Feldherrn hätten wegbleiben
sollen; denn ein tüchtiger Soldat ehrt sich am besten, wenn er seinen Geg¬
ner ehrt.




daß es das Recht derselben, sich die Einführung von Verbrechern zu verbitten,
anerkennt, dürfte die richtige Lösung der Frage wenigstens praktisch angebahnt
sein. > Sehr interessant und umfassend sind die Gründe, welche der Verfasser
für und wider die Emancipation der Colonien aufstellt. Wenn es einerseits
ziemlich ausgemacht ist, daß England durch die Fortdauer seiner Herrschaft
über die Colonien keinen oder doch nur einen sehr geringen unmittelbaren
Gewinn zieht, so läßt sich auf der andern Seite nicht leugnen, daß in vielen
Fällen, namentlich bei gemischter Bevölkerung, die Colonien den Schutz deö
Mutterlandes nicht entbehren können. Da nun diesem Bedürfnisse ein sehr
natürlicher Ehrgeiz entgegenkommt, einmal Errungenes nicht wieder auszugeben,
so läßt sich wol annehmen, daß wenigstens für die nächste Zeit an eine Ver¬
änderung deö Systems noch nicht zu denken ist. — Man wird schon aus diesen
Andeutungen gesehen haben, daß dem Verfasser weniger darauf ankommt, für
alle Fragen ein fertiges und geschlossenes Urtheil an die Hand zu geben, als
vielmehr alle Materialien zusammenzustellen, aus denen man sich ein selbst-
ständiges Urtheil bilden kann und diesen Zweck hat er im hohen Grade erreicht.
Seine Stellung ist eine günstige, um sich nach allen Seiten hin die nöthigen
Kenntnisse zu verschaffen und sein Urtheil das eines besonnenen Mannes, der
zuviel in der Welt gesehen hat, um sich vorschnell zu entscheiden. —


Aus dem Hauptquartiere und Feldleben des Vater Radetzky. Scenen
und Erzählungen aus den Feldzügen der k. k. östreichischen Armee in Italien
in den Jahren 18i8 und 18i9. Von öl'. Schncidawind. Stuttgart,
' Hallberger. —

Der Verfasser hat alles zusammengestellt, was in verschiedenen Schriften
von Charakterzügcn aus dem Leben des großen östreichischen Feldherrn vor¬
handen ist. Radetzky gehört mit Recht zu den gefeiertsten Namen des gegen¬
wärtigen Soldatenstandes und dem Publicum kann daher eine solche.Zusammen-
stellung, die mehr auf Vollständigkeit als auf kritische Sichtung Anspruch macht,
nur willkommen sein. Nach unsrem 'Geschmack würde die Darstellung eines
bedeutenden Mannes besser ausgefallen sein , wenn sie einfacher wäre, wenn
sich die Bewunderung mehr in den Thatsachen als in den rhetorischen Ein-
schiebungen auSspräche; allein dem Publicum, für welches das Buch vorzugs¬
weise bestimmt ist, wird vielleicht grade diese Art der Haltung besser gefallen.
Nur die Ausfälle aus den politischen Gegner des Feldherrn hätten wegbleiben
sollen; denn ein tüchtiger Soldat ehrt sich am besten, wenn er seinen Geg¬
ner ehrt.




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[0024] daß es das Recht derselben, sich die Einführung von Verbrechern zu verbitten, anerkennt, dürfte die richtige Lösung der Frage wenigstens praktisch angebahnt sein. > Sehr interessant und umfassend sind die Gründe, welche der Verfasser für und wider die Emancipation der Colonien aufstellt. Wenn es einerseits ziemlich ausgemacht ist, daß England durch die Fortdauer seiner Herrschaft über die Colonien keinen oder doch nur einen sehr geringen unmittelbaren Gewinn zieht, so läßt sich auf der andern Seite nicht leugnen, daß in vielen Fällen, namentlich bei gemischter Bevölkerung, die Colonien den Schutz deö Mutterlandes nicht entbehren können. Da nun diesem Bedürfnisse ein sehr natürlicher Ehrgeiz entgegenkommt, einmal Errungenes nicht wieder auszugeben, so läßt sich wol annehmen, daß wenigstens für die nächste Zeit an eine Ver¬ änderung deö Systems noch nicht zu denken ist. — Man wird schon aus diesen Andeutungen gesehen haben, daß dem Verfasser weniger darauf ankommt, für alle Fragen ein fertiges und geschlossenes Urtheil an die Hand zu geben, als vielmehr alle Materialien zusammenzustellen, aus denen man sich ein selbst- ständiges Urtheil bilden kann und diesen Zweck hat er im hohen Grade erreicht. Seine Stellung ist eine günstige, um sich nach allen Seiten hin die nöthigen Kenntnisse zu verschaffen und sein Urtheil das eines besonnenen Mannes, der zuviel in der Welt gesehen hat, um sich vorschnell zu entscheiden. — Aus dem Hauptquartiere und Feldleben des Vater Radetzky. Scenen und Erzählungen aus den Feldzügen der k. k. östreichischen Armee in Italien in den Jahren 18i8 und 18i9. Von öl'. Schncidawind. Stuttgart, ' Hallberger. — Der Verfasser hat alles zusammengestellt, was in verschiedenen Schriften von Charakterzügcn aus dem Leben des großen östreichischen Feldherrn vor¬ handen ist. Radetzky gehört mit Recht zu den gefeiertsten Namen des gegen¬ wärtigen Soldatenstandes und dem Publicum kann daher eine solche.Zusammen- stellung, die mehr auf Vollständigkeit als auf kritische Sichtung Anspruch macht, nur willkommen sein. Nach unsrem 'Geschmack würde die Darstellung eines bedeutenden Mannes besser ausgefallen sein , wenn sie einfacher wäre, wenn sich die Bewunderung mehr in den Thatsachen als in den rhetorischen Ein- schiebungen auSspräche; allein dem Publicum, für welches das Buch vorzugs¬ weise bestimmt ist, wird vielleicht grade diese Art der Haltung besser gefallen. Nur die Ausfälle aus den politischen Gegner des Feldherrn hätten wegbleiben sollen; denn ein tüchtiger Soldat ehrt sich am besten, wenn er seinen Geg¬ ner ehrt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/24>, abgerufen am 27.07.2024.