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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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so fällt uns zunächst die Zuversicht der Times auf, mit welcher diese von An¬
fang an der Jnsurrection den Sieg verheißen. Die Times weiß aber besser
als jedes andere Organ der englischen Presse, was ihre Negierung wünscht.
Es ist uns auch erinnerlich und wir glauben seiner Zeit Ihren Lesern davon
gesprochen zu haben, daß gleich nach Zustandekommen des Allianzvertrages
zwischen England und Frankreich jenes diesem Vorschläge über eine eventuelle
Regelung der spanischen Thronfolge gemacht hatte. Frankreich benahm sich
abweisend. Es hatte vielmehr in Madrid zum Staatsstreiche eher gerathen,
als davon abgerathen.

Noch während des Anfangs des gegenwärtigen Ausbruchs lasen wir in
den französischen Regierungsblättern die Sache verächtlich behandelt -- in
officiellen Kreisen beschuldigte man bald Rußland, bald Amerika -- oder man
sprach von revolutionären Tollköpfen, von Ruhestörern quaacl moins. Mit den
Fortschritten ODonnels wendete sich auch die Taktik der Regierungsblätter, ihre
Parole ist eine andere geworden. Eine spanische Republik befürchtet Frankreich
nicht -- nach allem, was wir aus Privatberichten entnehmen können, ist die
Zuversicht des französischen Cabinets in dieser Beziehung gerechtfertigt und es
bleibt ihr nur die Wahl zwischen den verschiedenen monarchischen Arrangirungs-
planeu. Wenn der Kaiser selbst vielleicht lange im Gegensatze zur englischen
Negierung die Erhaltung der Königin aus ihrem Throne gewünscht haben
mag -- so sind doch bei entschiedenerer Wendung der Dinge Einflüsse geltend
geworden, die von politischen Gründen unterstützt den Ausschlag und einer
neuen Dynastie den Weg zum spanischen Throne öffnen könnten. Verletzter
Frauenstolz hätte nicht zum ersten Male schwer gewogen in den Geschicken der
Nationen. Solche Rücksichten allein können einen Mann wie Louis Napoleon
nicht bestimmen, aber wenn die Jnsurrection so weit geht, daß eine Versöh¬
nung mit der herrschenden Dynastie unmöglich wird, dann hat Frankreichs
Herrscher dafür zu sorgen, daß wenigstens diejenigen ausgeschlossen bleiben,
die seiner Hauspolitik wie seiner nationalen feindlich werden könnten. Mit
den Bourbonen muß auch Montpensier unmöglich gemacht werden, und so kann
es denn geschehen, daß sich Englands Lieblingsidee, die iberische Halbinsel
unter demselben Scepter vereinigt zu sehen, verwirklicht.

Das Land selbst kann unter günstigen Verhältnissen unter dieser Verän¬
derung gewinnen, und wenn es nach der jetzigen Katastrophe nicht zu einer
ehrlichen, energischen, volksmäßigen Regierung kommt, haben wir in einer
gegebenen Zeit einer neuen Erhebung entgegenzusehen.

Der Kaiser befindet sich hart am Schauplatze dieser merkwürdigen Ereig¬
nisse, er hat sich trotz der Mahnung seines Rathes aus Fürsorge sür die Ge¬
sundheit seiner Gemahlin nach den Pyrenäen begeben und er hat ganz recht
gehabt. Es droht ihm keinerlei Gefahr und gegen die Ueberrumpelung durch


so fällt uns zunächst die Zuversicht der Times auf, mit welcher diese von An¬
fang an der Jnsurrection den Sieg verheißen. Die Times weiß aber besser
als jedes andere Organ der englischen Presse, was ihre Negierung wünscht.
Es ist uns auch erinnerlich und wir glauben seiner Zeit Ihren Lesern davon
gesprochen zu haben, daß gleich nach Zustandekommen des Allianzvertrages
zwischen England und Frankreich jenes diesem Vorschläge über eine eventuelle
Regelung der spanischen Thronfolge gemacht hatte. Frankreich benahm sich
abweisend. Es hatte vielmehr in Madrid zum Staatsstreiche eher gerathen,
als davon abgerathen.

Noch während des Anfangs des gegenwärtigen Ausbruchs lasen wir in
den französischen Regierungsblättern die Sache verächtlich behandelt — in
officiellen Kreisen beschuldigte man bald Rußland, bald Amerika — oder man
sprach von revolutionären Tollköpfen, von Ruhestörern quaacl moins. Mit den
Fortschritten ODonnels wendete sich auch die Taktik der Regierungsblätter, ihre
Parole ist eine andere geworden. Eine spanische Republik befürchtet Frankreich
nicht — nach allem, was wir aus Privatberichten entnehmen können, ist die
Zuversicht des französischen Cabinets in dieser Beziehung gerechtfertigt und es
bleibt ihr nur die Wahl zwischen den verschiedenen monarchischen Arrangirungs-
planeu. Wenn der Kaiser selbst vielleicht lange im Gegensatze zur englischen
Negierung die Erhaltung der Königin aus ihrem Throne gewünscht haben
mag — so sind doch bei entschiedenerer Wendung der Dinge Einflüsse geltend
geworden, die von politischen Gründen unterstützt den Ausschlag und einer
neuen Dynastie den Weg zum spanischen Throne öffnen könnten. Verletzter
Frauenstolz hätte nicht zum ersten Male schwer gewogen in den Geschicken der
Nationen. Solche Rücksichten allein können einen Mann wie Louis Napoleon
nicht bestimmen, aber wenn die Jnsurrection so weit geht, daß eine Versöh¬
nung mit der herrschenden Dynastie unmöglich wird, dann hat Frankreichs
Herrscher dafür zu sorgen, daß wenigstens diejenigen ausgeschlossen bleiben,
die seiner Hauspolitik wie seiner nationalen feindlich werden könnten. Mit
den Bourbonen muß auch Montpensier unmöglich gemacht werden, und so kann
es denn geschehen, daß sich Englands Lieblingsidee, die iberische Halbinsel
unter demselben Scepter vereinigt zu sehen, verwirklicht.

Das Land selbst kann unter günstigen Verhältnissen unter dieser Verän¬
derung gewinnen, und wenn es nach der jetzigen Katastrophe nicht zu einer
ehrlichen, energischen, volksmäßigen Regierung kommt, haben wir in einer
gegebenen Zeit einer neuen Erhebung entgegenzusehen.

Der Kaiser befindet sich hart am Schauplatze dieser merkwürdigen Ereig¬
nisse, er hat sich trotz der Mahnung seines Rathes aus Fürsorge sür die Ge¬
sundheit seiner Gemahlin nach den Pyrenäen begeben und er hat ganz recht
gehabt. Es droht ihm keinerlei Gefahr und gegen die Ueberrumpelung durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/232>, abgerufen am 09.01.2025.