Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.Waldnatur dictirte Baugesetz hat sich im wesentlich""! bis heute erhalten, nur Kleine Häuser und doch darin viel Köpfe, ja in den kleinen, engen Stuben 27"
Waldnatur dictirte Baugesetz hat sich im wesentlich««! bis heute erhalten, nur Kleine Häuser und doch darin viel Köpfe, ja in den kleinen, engen Stuben 27"
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Waldnatur dictirte Baugesetz hat sich im wesentlich««! bis heute erhalten, nur
daß an die Stelle des früheren Schrotbauö mit Stroh- oder Schindeldeckung
jetzt mehr der Fachbau mit Ziegel- oder Schieferdächern getreten ist und daß
in manchen Orten die Häuser der Arbeitgeber, denen die Fabriken oder die
Bodenschätze Reichthum zuführten, einen eleganten Stil angenommen haben.
Der alte Schrotbau war übrigens zum warmen Wohnen geeigneter, freilich
auch den Waldungen gefährlicher als der Fachbau. Es besteht das Waldhauö
nach seinem Grundtypus aus wenig kleinen Räumen, aus „Wohnstube, Hausern,
Kammer, Stall und Porlem" im Hauptstock, darüber aus einem gastlichen Dach¬
stübchen mit Blumcnbret vor dem Fensterchen, darunter aus einem ost überir¬
dischen Keller, daneben aus einem Gärtchen; als wichtige Anhängsel kommen
noch die vielen kleinen Vogelhäuser vor oder in der Wohnstube dazu. Die
Seele des Hauses ist der massige, schoberartige .Kachelofen, der zwar jährlich
an Scheitholz, Stöcken und Reisig 13 —18 Klaftern consumirt, aber auch gegen
Kälte nachhaltig schützt und zugleich die Koch-, Brat-, Back- und Dörrmaschine
bildet. Er ist Mittelpunkt aller Arbeit und alles Lebens, in Freud und Leid,
am Tag und Abend bietet er bunte Scenen, besonders im Winter, wo das
kleine Hausvieh unter ihm, die Kinder und Alten des Hauses in der Hölle und
die Erwachsenen aus den Ofenbänken sich gütlich thun.
Kleine Häuser und doch darin viel Köpfe, ja in den kleinen, engen Stuben
oft 8 bis -12 und mehr Seelen, das ist rechtes Waldleben. Was den Reich¬
thum an Kindern und die dadurch relativ dichte Bevölkerung betrifft, so gehört
der gesammte Strich, besonders der Fabrikantendistrict zu den gelobten Ländern
der Erde. Der starke Kindersegen kann nicht, wie man gewöhnlich annimmt, von
den steten Genusse der Kartoffeln, der einzigen Hauptnahrung, die in Hundert¬
lei Formen aufgetischt wird, hergeleitet werden, er hat andere natürliche Ursachen:
das zusammengepreßte Wohnen und Zusammenleben der verschiedenen Ge¬
schlechter, die allgemein übliche Sitte des „Freitgehens" oder des vorhochzeit-
lichrn Beischlafs, den bereits die erst wenige Jahre der Schule entlassenen Kin¬
der unter den Augen der Eltern als eine Ehrensache treiben, und endlich die frühe
und leichte Gelegenheit, sich einigen Verdienst zu verschaffen und ein Weib zu
ernähren. Aus dieser Zusammcnschichtung der Menschen mag anderswo große
Ungebundenheit des socialen Lebens folgen, welche zu Jmmoralität, zu Mi߬
verhältnissen der ehelichen und unehelichen Geburten und zur Auflösung des
Familienlebens führt; hier indeß, wenigstens in dem Haupttheil des Waldes,
tritt dies nicht als belastender Zug des Volkslebens aus, vielmehr gleicht die
feste Sitte ehelicher Treue die der Ehe vorausgegangenen Lockerheiten wieder
aus. Inmitten der Familie ist der Mann im alttestamentlichen Sinn das
alleinige Haupt, die Frau das Arbeitsthier. Von dem Augenblick der Ver¬
heiratung an beginnt für diese das Loos des langsamen Sichaufopferns, in
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